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Wir sehen immer öfter, dass geforderte Produkteigenschaften bei neuen Anwendungen nur deshalb möglich sind, weil es 2K-Lösungen gibt“, sagt Mark Ostermann, Leiter Vertrieb bei der Elmet Elastomere Produktions- und Dienstleistungs-GmbH in Oftering. Bei der 2K-Technologie wird durch die Kombination verschiedener Materialien eine Hart-Weich-Verbindung geschaffen. Thermoplast (Hartteil) und Silikon (Weichteil) gehen in einem Spezialverfahren eine chemische Verbindung ein. Sollte aus Gründen einer unpassenden Materialkombination eine chemische Anbindung nicht möglich sein, so kann eine mechanische Verbindung der Werkstoffe die Lösung sein. Damit lassen sich die physikalischen Eigenschaften der Materialien optimal miteinander kombinieren.
Bei der chemischen Verbindung kommen selbsthaftende Silikone zum Einsatz, die an den Grenzflächen Bindungen auf Polymerebene eingehen und somit eine Bauteilkombination aus „einem Guss“ ermöglichen. Für eine mechanische Fügung der Komponenten reichen die Eigenschaften von Standard-Silikonen aus. Die Materialverbindung erfolgt, indem bei der härteren Thermoplast-Komponente Durchbrüche und Bohrungen geschaffen werden, in denen sich das Silikon formschlüssig „verkrallen“ kann.
Neben den positiven Eigenschaften, die sich aus den Materialpaarungen ergeben, bietet der 2-Komponentenspritzguss auch kosten- und zeitsparende Vorteile im Fertigungsprozess. Durch das Entfallen möglicher notwendiger Montageschritte kommen diese Effekte gerade beim Herstellen großer Stückzahlen signifikant zum Tragen. Zudem können durch den Einsatz einer 2K-Fertigungszelle entsprechende Platzressourcen, die normalerweise für Assemblierungsanlagen notwendig sind, eingespart werden. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Kostenvorteil ist der verringerte Arbeitsaufwand für Qualitätsprüfungen: Mussten vorher mehrere Bauteile einzeln vermessen und dokumentiert werden, reduziert sich dieser auf ein Bauteil.
In vielen Bereichen ist eine starke Haftung zwischen zwei Materialien notwendig – und diese soll auf der kompletten Grenzfläche auch ohne eine mechanische Verbindung gegeben sein. Treffen jedoch Materialkombinationen aufeinander, die keine chemische Verbindung eingehen, kann eine gezielte Oberflächenaktivierung unerlässlich sein.
Plasmaaktivierung als Haftvermittler
Die einfachste Möglichkeit einen Kunststoff chemisch zu aktivieren, ist die Verwendung eines Plasmas. Durch die Energie aus dem Plasma werden chemische Bindungen im Thermoplast (Hartteil) aufgebrochen und bieten dadurch die Möglichkeit, dass funktionelle Gruppen aus dem Silikon „andocken“ können. Gerade im Bereich der Medizintechnik vermeiden spaltfreie Verbindungen das Eindringen von Verschmutzungen und Mikroorganismen.
Mit all diesen Anforderungen wurde Elmet bei einem vor kurzem abgeschlossenen Projekt konfrontiert – die Realisierung einer 2K-Membrane aus den Materialien Polysulfon (PSU) und Silikon (LSR) für eine medizintechnische Anwendung. Polysulfon, ein Hochleistungskunststoff aus der Gruppe der Polyarylsulfone, hat ein breites Eigenschaftsspektrum im Bereich thermischer und mechanischer Belastbarkeit, zudem ist es durch seine amorphe Struktur formstabil und resisten gegenüber Chemikalien.
Im vorliegenden Membranen-Projekt wurde PSU als Hartkomponente gewählt, da dieses nahezu verzugsfrei ist, was eines der Hauptkriterien war. Die Weichkomponente war ein haftungsmodifiziertes, medizinisch zugelassenes Silikon mit 40 Shore Härtegraden. Für die Entwickler war auch die Sterilisierbarkeit des 2K-Bauteils eine Voraussetzung – kein Problem für beide Materialien.
Die Herausforderung im Projekt war zum einen die Verarbeitung von PSU an sich – PSU hat eine Verarbeitungstemperatur von etwa 350 °C und LSR eine Vulkanisationstemperatur von etwa 160 °C.
Um diesen Wärmehaushalt steuern zu können, ist entsprechendes Know-how rund um das Thema thermische Trennung, also das Verhindern eines unkontrollierten Abflusses von Wärme oder Kälte in die falschen Bereiche des Werkzeuges – erforderlich.
Ein Drehteller löst das Problem der thermischen Trennung
Auf Grund umfangreicher Erfahrungen im 2K-Spritzguss von Hart-Hart-Komponenten und den damit bekannten Verzugsproblemen, entschied man sich letztlich für eine Drehtellerlösung. Dadurch, dass das Bauteil in der Kavität verbleibt und somit die genaue Bauteilpositionierung beim Umsetzen entfällt, ist die Schwindung geringer.
Zum anderen beschäftigte die Silikonverarbeitungsspezialisten die Tatsache, dass sich trotz des Einsatzes eines haftungsmodifizierten Silikons keine ausreichende Haftung zum PSU ergeben hat. Nach umfangreichen Versuchen verschiedener Oberflächenaktivierungen, fand man am Ende die Lösung in einer Plasmabehandlung.
In intensiver Forschung und enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber wurde im Rahmen einer umfassenden Versuchsreihe das ideale Zusammenspiel zwischen Plasmatemperatur, Aktivierungsdauer und Verweilzeit des PSU-Materials im Zylinder gefunden. Nach einer zwölf Monate dauernden Entwicklungsphase aus Materialversuchen und Prototypenfertigung, wurde das Produkt in einem 4+4 Kavitäten-Serienwerkzeug abgebildet. Das aktuelle Projekt zeigt, dass die Anforderungen an die Festigkeit von Verbundsystemen stetig steigen werden und mit herkömmlichen Techniken nicht mehr zu erfüllen sind. Schon heute ist klar, dass sich der Trend bei 2K-Bauteilen in Zukunft fortsetzen und sogar noch verstärken wird.
Weitere Informationen
Im Vergleich zum klassischen Thermoplast-Spritzguss stellt die Verarbeitung von Silikonen wesentlich höhere Anforderungen an den Werkzeugbau sowie den gesamten Produktionsprozess.
Das in Österreich, in der Nähe von Linz, ansässige Unternehmen Elmet hat sich auf diese Nische im Kunststoffspritzgießen spezialisiert.