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Nachhaltigere Chirurgieinstrumente: Mehrweg-Griff, Einweg-Arbeitsende

CO2-Fußabdruck von Chirurgieinstrumenten
Nachhaltigere Chirurgieinstrumente: Griff und Arbeitsende gehen eigene Wege

Ein Mehrweg-Griff lässt sich mit vielen Arbeitsenden kombinieren. Diese können als Disposables konzipiert sein – oder wie der Griff aus Metall und damit aufbereitbar sein. Mit einer solchen Lösung ergänzt Kammerer Medical Systems seine Aktivitäten in Sachen Nachhaltigkeit.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

So wenig reinigen oder entsorgen wie möglich und damit nachhaltiger arbeiten: Das ermöglichen Chirurgieinstrumente, bei denen der Griff und das Arbeitsende getrennte Wege gehen. Verbunden sind beide durch einen Kupplungsmechanismus.

„Wir haben schon vor langer Zeit begonnen, solche Instrumente zu entwickeln“, sagt Uli Kammerer, Geschäftsführer der Kammerer Medical Systems GmbH & Co. KG in Stockach. Was vor über zehn Jahren als Idee auf den Tisch kam, haben die Experten für Chirurgieinstrumente allerdings 2022 zu einem System ausgearbeitet, das sie als „adaptives Instrument“ bezeichnen und vermarkten. Die Nachhaltigkeit ist dabei ein Aspekt, der solche Instrumente interessant macht.

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Nachhaltiges Chirurgieinstrument: Arbeitsende kann Disposable sein

So kann der Griff aus silikonummanteltem Metall immer wieder gereinigt und sterilisiert werden. Für das Arbeitsende hingegen hat der Auftraggeber die Wahl: Soll es als Disposable eingesetzt werden und daher aus Kunststoff bestehen? Oder soll es, wie der Griff, aus den für Chirurgieinstrumente typischen metallischen Materialien hergestellt und daher ebenso mehrfach einsetzbar sein? Den Vorteil bringt Geschäftsführer Uli Kammerer auf den Punkt: „Wenn sich ein Auftraggeber für eine Disposable-Lösung entscheidet, muss der Anwender bei einem adaptiven Instrument eben nur das Arbeitsende entsorgen und nicht den Griff gleich mit.“

Chirurgieinstrumente: Einweg nur in speziellen Fällen akzeptabel

Wie viel das mit Blick auf den CO2-Fußabdruck insgesamt ausmacht? Kammerers Schätzungen dazu belaufen sich aktuell auf 10 bis 20 %, um die das Unternehmen den eigenen Abdruck durch diese Art von Instrumentenreduzieren könnte.

Aufteilung in Griff und Arbeitsende für viele Chirurgieinstrumente denkbar

Aktuell lassen sich Rongeure, schneidende sowie haltende Instrumente zweigeteilt ausführen, ebenso Instrumente für die Entnahme von Biopsien. Weil der Effekt so groß ist, sollen entsprechende Überlegungen auf weitere Instrumente ausgeweitet werden, die der Spezialist herstellt. „Die Idee ist natürlich nicht grundsätzlich neu, es gibt auch schon Instrumente zum Beispiel für die Fuß- und Handchirurgie, bei denen dieser Gedanke umgesetzt ist“, sagt Kammerer.

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Idee hat sich bewährt, in der Kupplung steckt viel Wissen

Besonders stolz allerdings ist er auf die Art der Kupplung, mit denen seine adaptiven Instrumente ausgestattet sind. Über 20 Jahre Erfahrung in der Kupplungsentwicklung seien darin eingeflossen. „Und das heißt, dass sich die Arbeitsenden sehr einfach austauschen lassen und man den Griff zum Reinigen und Sterilisieren nicht auseinander bauen muss.“ Für den Einsatz der Instrumente im OP sieht er darin einen großen Vorteil. Die OP-Schwester müsse am Griff nichts montieren, wie man das von bisherigen teilbaren Instrumenten kenne. Die Griffe und die Arbeitsenden liegen vielmehr gebrauchsfertig im OP-Sieb und lassen sich nach Anforderungen durch den Operateur einfach zusammenstecken. Die Unterlagen und Vorschriften zur validierten Reinigung und Sterilisation stellt Kammerer Medical Systems zur Verfügung.

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Dass die Siebe leichter sind, weil nicht für jedes Arbeitsende ein eigener Griff darin enthalten ist, und dennoch viele Instrumente im OP-Saal bereitstehen, sei ein Vorteil für das Krankenhaus. Weniger zu reinigen und zu sterilisieren, weniger zu lagern – auch das zählt beim Blick auf die Nachhaltigkeit. Für den Hersteller von Implantaten, der seine Produkte zusammen mit solchen Instrumenten anbietet, entscheidet wiederum der Blick auf die Kosten. „Zumeist gehören die Instrumente dem Medizinproduktehersteller – und es sind schon große Werte, die er da in vielen Instrumentensätzen für viele Krankenhäuser zur Verfügung stellt.“

Nachhaltigere geteilte Chirurgieinstrumente behalten ihre Lebensdauer

Die Lebensdauer der Instrumente leidet durch den geteilten Aufbau übrigens nicht. Als Standardwert nennt Kammerer für die adaptiven Instrumente aus Metall rund 500 Zyklen der Reinigung und Sterilisation. Dieser Wert lasse sich durch Zahlen belegen, die in einem Tübinger Labor ermittelt wurden.

Genauere Daten hierzu wollen die Stockacher in Zusammenarbeit mit ihren Auftraggebern erheben, denn wie die Instrumente im Einzelnen aufgebaut sind, was als Disposable und was als Mehrweg konzipiert wird, hängt von der Anwendung ab. Für die Griffe geht Kammerer davon aus, dass diese mindestens fünf Jahre lang verwendet werden können. „Wobei wir in der Praxis oft auch Instrumente sehen, die mehr als die doppelte Zeit tadellos in Gebrauch waren.“

Mehrweg ist aber nicht überall gefragt. Arbeitsenden zum einmaligen Gebrauch beispielsweise seien vor allem in Frankreich sehr gefragt, sagt er – die Sorge vor einer Verbreitung von infektiösem Material wie Prionen, die die Creutzfeld-Jakob-Krankheit hervorrufen, sei dort besonders verbreitet.

Für das Zertifizieren sind Griff plus Arbeitsenden ein System

Nach EU-MDR zertifiziert werden die adaptiven Instrumente gemäß den Vorgaben für wiederverwendbare Produkte der Klasse Ir. Dabei gilt der Griff mit allen zugehörigen Arbeitsenden aus Metall als ein System, das einmalig den Zertifizierungsprozess durchläuft.

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Getrennt betrachten muss man hingegen die Zahlen für Griffe und Arbeitsenden, wenn es um das Life-Cycle-Assessment und den CO2-Fußabdruck der beiden Bestandteile geht. Die Berechnungsgrundlagen, die hierzu konkrete Zahlen liefern sollen, baut Kammerer Medical Systems derzeit auf. „Ich gehe davon aus“, sagt der Geschäftsführer, „dass wir diese dann bis Ende 2024 vorliegen haben.“

Nachhaltigkeit: Nicht nur durch verbesserte Chirurgieinstrumente

Bis dahin soll sich im Unternehmen am neuen Standort in Sachen Nachhaltigkeit aber auch noch mehr tun. „Wir beschäftigen uns intensiv mit dem Thema, haben unseren neuen Standort für die nächste Generation ausgerichtet – und wir merken, dass sowohl unsere Kunden, vor allem die US-amerikanischen, genauer nachfragen. Und auch die Banken haben schon angekündigt, dass der Nachweis von Nachhaltigkeit in zwei oder drei Jahren bei der Bewertung der Bonität eines Unternehmens eine Rolle spielen wird.“ Doch für solche Nachfragen sieht sich Kammerer mit seinem Unternehmen schon auf einem guten Weg.


Arbeiten für eine nachhaltige Zukunft

Aus der Weber Instrumente GmbH & Co. KG wurde Anfang 2023 die Kammerer Medical Systems GmbH & Co KG. Was der neue Name zeigen soll: Die Kompetenz des Unternehmens geht über das Herstellen der Instrumente selbst hinaus. Die Dokumentation für eine Zertifizierung gemäß EU-MDR gehört ebenso dazu wie die Möglichkeit, in den Instrumentengriff zukunftsfähige RFID-Technik zu integrieren.

Das Jahr 2023 brachte dem Unternehmen einen großen Wachstumsschritt. In einem neuen Produktions- und Bürogebäude am Standort Stockach hat Kammerer Medical Systems seine Kapazität verdreifacht.

Mit Blick auf künftige Anforderungen sind die Gebäude nachhaltig ausgelegt und mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. Die Abwärme der Maschinen fließt in eine Klimaanlage, die im Sommer die Büro-Räume und die Produktion kühlt und im Winter heizt, bei Bedarf unterstützt von mehreren Wärmepumpen. Das Ziel ist laut Geschäftsführer Uli Kammerer, bis 2026 CO2-neutral zu produzieren. Seine Erfahrungen mit dem Thema Nachhaltigkeit will der Geschäftsführer bei Veranstaltungen im Jahr 2024 mit Interessierten teilen.

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Uli Kammerer, Geschäftsführer bei Kammerer Medical Systems, setzt in der Produktion und bei den Produkten auf nachhaltigere Lösungen
(Bild: Kammerer Medical Systems)

Im ersten Anlauf im Ecovadis-Ranking erhielt das Unternehmen die Auskunft, dass die Leistung in den Bereichen Corporate Social Responsibility (CSR) und Umwelt über dem Durchschnitt der Branche liege. „Die Bronze-Medaille nehmen wir als Ansporn für weitere Verbesserung“, sagt der Geschäftsführer.

Weiteres Wachstum ist ebenfalls geplant. Das Unternehmen beschäftigte Ende 2023 etwas über 80 Mitarbeiter. Die Belegschaft soll 2024 auf etwa 130 Beschäftigte anwachsen. Mehrfamilienhäuser für die Mitarbeiter sind ebenso geplant wie eine Kindertagesstätte.

Zwei weitere Hallen sollen entstehen, die Anträge für den Bau einer weiteren Halle sind bereits gestellt.

www.kammerer-med.de



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