Biokunststoffe stellen zunehmend eine Alternative zu erdölbasierten Kunststoffen dar. Sie werden auf Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt und können biologisch abbaubar sein. Zudem verfügen sie über Verarbeitungseigenschaften, die mit denen klassischer erdölbasierter Kunststoffe vergleichbar sind. Wie diese können auch Biokunststoffe sortiert, fraktioniert und recycelt werden.
Doch trotz des hohen Potenzials gibt es eine Reihe von Faktoren, die Unternehmen davon abhalten, ihre Produkte aus Biokunststoffen herzustellen: beispielsweise hohe Kosten aufgrund zu weniger Hersteller und eine zu geringe Auswahl an verschiedenen Typen von Biokunststoffen, um die Vielzahl möglicher Anwendungen zu realisieren.
Neue Typen von Kunststoff für vielfältigere Einsatzbereiche
Der Entwicklungsbedarf in diesem Bereich ist also groß. Experten vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP aus Potsdam gehen diese Hürden gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie an. Die Arbeiten dazu laufen im vom BMBF geförderten Projekt „Regionales unternehmerisches Bündnis zum Aufbau von Wertschöpfungsketten für technische Biokunststoffe in Mitteldeutschland“, kurz Rubio.
Thomas Büsse koordiniert bei Rubio das Verbundprojekt „Verarbeitung“ und leitet das Verarbeitungstechnikum Biopolymere Schwarzheide des Fraunhofer IAP. Er erklärt: „Je nach Anwendung beziehungsweise Verarbeitungsverfahren muss der eingesetzte Kunststoff hart oder weich, vielleicht auch zähfließend oder dünnflüssig sein.“ Bisher gebe es auf dem Markt aber nur drei Polybutylensuccinat-Typen, und diese eigneten sich lediglich für eine eingeschränkte Zahl an Verarbeitungsverfahren und Anwendungen.
Daher entwickelt wiederum das Team der Abteilung „Polymersynthese“ des Fraunhofer IAP ganz neue Typen von Polybutylensuccinat (PBS), die mit einer deutlich breiteren Palette an Verfahren verarbeitet werden können – vom Blasformen bis zum Spritzgießen. Somit vergrößert das Forschungsteam auch das Portfolio an möglichen Anwendungen.
Nachhaltigkeit für Folien aus Kunststoff
Das Fraunhofer IAP-Team der Abteilung „Synthese und Produktentwicklung“ überführt daraufhin die Ergebnisse aus Labor und Technikum in den industrienahen Pilotmaßstab. Hier werden auch die Tests zur Bioabbaubarkeit, Bedruckbarkeit, Siegelfähigkeit oder Maschinengängigkeit durchgeführt – Kriterien, die die Wissenschaftler auf Wunsch des Kunden individuell einstellen können. Auch die Recyclingfähigkeit wird im Rubio-Konsortium getestet.
Nachhaltige Verpackung: Folien für Medizinprodukte in den Kreislauf führen
Einen ersten Erfolg kann das Fraunhofer IAP gemeinsam mit der Polifilm Extrusion GmbH in Weißandt-Gölzau verzeichnen, das auf über 80 Extrusionsanlagen Kunststofffolien für unterschiedliche Anwendungen in der Verpackungs-, Bau-, Agrar- und Automobilbranche und anderen Bereichen herstellt. Die Partner haben eine PBS-Folie entwickelt, die für Versandtaschen eingesetzt werden kann.
Nachhaltigkeit durch regionale pflanzliche Reststoffe
Die Entwicklung der neuen PBS-Folie geht noch weiter, denn der Biokunststoff soll zukünftig auf regionalen Rohstoffen basieren. „Grundsätzlich können alle Materialien verwertet werden, die Cellulose oder Lignocellulose enthalten“, erklärt Thomas Büsse. Dazu zählen unter anderem nicht verrottende Gärreste aus Biogasanlagen, in vielfältiger Form anfallende Reste aus landwirtschaftlichen Betrieben oder theoretisch sogar Abfälle aus der Papierproduktion.
Idealerweise hat die Verwendung regionaler Reststoffe langfristig einen weiteren Vorteil: Kürzere Transportwege können zu geringeren Preisen und zu mehr Nachhaltigkeit der produzierten Kunststoffprodukte führen.
www.iap.fraunhofer.de/de/Projekte/rubio.html
https://rubio-biopolymer.de/
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