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Nachhaltigkeit: Projekt Klimaschutz in Kliniken

Nachhaltigkeit in der Medizintechnik
Klimaschutz in Kliniken – Medizinprodukte inklusive

Klimaschutz in Kliniken – Medizinprodukte inklusive
Claudia Quitmann ist wissenschaftliche Koordinatorin des KliOL-Projekts und Doktorandin am Institute of Global Health, Uniklinikum Heidelberg (Bild: Christoph Quitmann)
Im Projekt „Klimaschutz in Kliniken durch Optimierung der Lieferketten“ (Kliol) sollen ein Treibhausgas-Rechner und Klimaschutzmaßnahmen für Krankenhäuser erarbeitet werden. Als Beispiel betrachten die Beteiligten das Universitätsklinikum Heidelberg. Der Fokus liegt auf Treibhausgasemissionen aus Lieferketten. medizin&technik sprach mit der wissenschaftlichen Koordinatorin des Kliol-Projekts Claudia Quitmann.

Anke Biester
Fachjournalistin in Aichstetten

Frau Quitmann, gibt es bereits erste Ergebnisse aus der Kickoff-Veranstaltung für das Projekt Kliol, die im Juni stattfand?

Ja. In der vorläufigen Treibhausgas-Bilanz für das Uniklinikum Heidelberg, kurz UKHD, zeigt sich, dass 2019 rund 226 000 Tonnen CO2-Äquivalente emittiert wurden. Ein Viertel sind energie-bezogene Treibhausgas-Emissionen, zum Beispiel aufgrund von eingekauftem Strom oder Fernwärme. Etwa drei Viertel der Emissionen hingegen entstehen durch vor- und nachgelagerte Prozesse, beispielsweise durch den Einkauf von Medikamenten, das sind 13 Prozent, und Medizinprodukten, das macht 24 Prozent der Gesamtemissionen aus. Eine ähnliche Verteilung der Emissionsquellen zeigt sich auch in Studien aus anderen Ländern, wie Österreich oder Großbritannien.

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Wie reagieren die Stakeholder darauf?

Um das zu untersuchen, haben wir eine Interviewstudie mit diversen Stakeholdern durchgeführt, also mit administrativen Angestellten, Ärzten und Ärztinnen, Pflegekräften, sowie Patienten und Patientinnen gesprochen. Es zeigte sich, dass Stakeholder Energie, Abfall und Mobilität als Hauptemissionsquellen am UKHD wahrnahmen. Die Treibhausgas-Intensität von Medikamenten und Medizinprodukten war hingegen sehr überraschend für viele.

Was wäre daraus an Handlungsempfehlungen abzuleiten?

Um effektive Klimaschutzmaßnahmen zu implementieren, sollten Stakeholder dafür sensibilisiert werden, wo besonders viele Treibhausgas-Emissionen anfallen. Des Weiteren wurde ein oft empfundener Konflikt deutlich: zwischen der Dringlichkeit von Klimaschutz in Krankenhäusern auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Sorge, die Qualität der Patientenversorgung durch Klimaschutzmaßnahmen zu reduzieren. Um diesen Konflikt aufzulösen, muss nicht nur die Forschung gestärkt werden, sondern auch das Bewusstsein für die indirekten wie direkten positiven Auswirkungen von Klimaschutz auf die Gesundheit.

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Werden im Projekt Kliol Daten erfasst? Oder setzen Sie Erkenntnisse auch gleich in konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz um?

Ziel des Kliol-Projektes ist die Einsparung von rund 6000 Tonnen CO2-Äquivalenten am UKHD während der dreijährigen Projektlaufzeit. Um dies zu erreichen, steht neben dem Erstellen eines Treibhausgas-Rechners für Krankenhäuser das konkrete Umsetzen von Klimaschutzmaßnahmen im Fokus. Der Treibhausgas-Rechner ermittelt anhand von Emissionsfaktoren die unterschiedlich hohen Emissionen in den diversen Bereichen des Klinikums. Diese Emissionsfaktoren geben an, wie viel Treibhausgase pro Einheit freigesetzt werden, zum Beispiel CO2e/kWh, CO2e/Liter, CO2e/€. Uns zeigt der Rechner, in welchen Bereichen besonders viel Treibhausgas-Emissionen am UKHD anfallen und damit besonderer Handlungsbedarf besteht.

Wann rechnen Sie mit den ersten Maßnahmen aus dieser Studie in Ihrem Klinikum?

Neben dem Kliol-Projekt gibt es am UKHD eine Mitarbeitenden-Initiative zum Thema Klimaschutz, das Netzwerk Nachhaltigkeit, kurz Ne-Na. In Zusammenarbeit mit dieser Initiative haben wir bereits erste Maßnahmen umgesetzt, beispielsweise wurde das besonders klimaschädliche Anästhesiegas Desfluran abgeschafft. Darüber hinaus nutzen wir nun in Teilen des UKHD den klimafreundlichen Browser Ecosia. Weitere Klimaschutzmaßnahmen entwickeln und implementieren wir gerade, zum Beispiel werden wir in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Verantwortlichen eine gesündere und nachhaltigere Speiseversorgung einführen und auf klimafreundliche Alternativen bei inhalativen Medikamenten umstellen.

Welche Rolle spielen Medizinprodukte für Kliniken und deren Emissionen?

Medizinprodukte verursachen Treibhausgas-Emissionen über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg. Angefangen bei der Entwicklung und Fertigung, über den Betrieb bis hin zur Entsorgung. Möglichkeiten zum Klimaschutz bieten sich beispielsweise, wenn die Hersteller den Energieverbrauch beim Betrieb der Produkte reduzieren oder durch eine erhöhte Langlebigkeit, zum Beispiel, indem sich Produkte gut reparieren lassen. Langfristig muss auch im Bereich der Medizinprodukte auf Kreislaufwirtschaft gesetzt werden. Das heißt, die Geräte müssen so lange wie möglich genutzt und repariert, sowie nach Ende der Lebensdauer recycelt werden können.

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Auf was müssen sich Medizinprodukte- Hersteller in Sachen Klimaschutz zukünftig einstellen und wie viel Zeit bleibt ihnen Ihrer Einschätzung nach?

Es ist schwer, hier konkrete Zeithorizonte zu nennen. Allerdings gibt es bereits gesetzgeberische Initiativen, wie das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, welches am 1. Januar 2023 in Kraft tritt. Hier sind zwar noch keine konkreten Klimaschutzmaßnahmen benannt. Aber das Gesetzt verpflichtet Unternehmen mit über 3000 Mitarbeitern dazu, für die Einhaltung von Menschenrechten, Umweltschutz und Arbeitssicherheit entlang der Lieferketten Sorge zu tragen. Auch andere EU-Initiativen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft oder zur Erneuerung des Emissionshandels zeigen, dass ein proaktives Management nötig ist. Das Klimaschutzziel der Bundesregierung, Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, sollte auch von Strategien aller deutschen Unternehmen zur unternehmerischen Klimaneutralität bis spätestens 2045 flankiert werden. Denn der Bericht des Weltklimarats ‚Intergovernmental Panel on Climate Change‘, kurz IPPC, von 2022 hat noch einmal deutlich gemacht, dass schnelles Handeln zwingend notwendig ist, um verheerende Folgen des Klimawandels abzuwenden.

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