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2023 kommt das Lieferkettengesetz – ein EU-Entwurf geht noch weiter

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und CSDDD
Lieferkettengesetz: Was Deutschland fordert und was die EU vorbereitet

Lieferkettengesetz: Was Deutschland fordert und was die EU vorbereitet
Die Lieferketten sind global vernetzt. Unternehmen sollen laut Gesetzgebung inZukunft mehr Verantwortung dafür übernehmen, was entlang der Kette geschieht (Bild: enanuchit /stock.adobe.com)
Ab Januar gilt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das indirekt auch kleinere Unternehmen zu Fragen von Menschenrechtsverletzungen in die Pflicht nimmt. Ein Entwurf für eine EU-Richtlinie ist bereits veröffentlicht, geht weiter und bezieht auch Umwelt- und Klimaziele mit ein. Ein erster Überblick – inklusive Kritikpunkten vom BVMed.

Welche Unternehmen sich in Deutschland mit dem Schutz der Menschenrechte entlang ihrer Lieferketten befassen müssen, regelt ab Januar 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Damit hat die Bundesrepublik „eine umfassende nationale gesetzliche Regelung über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette geschaffen“ – so sieht es der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed).

„Viele Medizintechnik-Unternehmen in Deutschland und andere wirtschaftliche Akteure im Gesundheitswesen wie beispielsweise die Krankenhäuser bereiten sich intensiv auf die Umsetzung des LkSG vor“, sagt BVMed-Nachhaltigkeitsexpertin Clara Allonge. Parallel dazu hat die EU-Kommission jedoch bereits den Entwurf für eine Lieferkettensorgfaltspflichten-Richtlinie „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CSDDD) vorgelegt.

CSDDD: Große Unternehmen und Risikobranchen im Fokus

Die CSDDD soll in der EU tätige Unternehmen verpflichten, vermehrt sowohl Menschenrechte als auch Umweltschutz und die Klimaziele zu berücksichtigen. Betroffen wären laut aktuellem Zeitplan ab 2026 Großunternehmen ab 500 Beschäftigten und einem Mindestumsatz von 150 Mio. Euro sowie ab 2028 Unternehmen aus Risikobranchen. Dazu zählen zum Beispiel Textilindustrie, Landwirtschaft oder Rohstoffförderung. Über ihre Rolle in der Lieferkette beträfen die Vorschriften aber auch KMU. Diese sollen für die Umsetzung Unterstützung bekommen.

Der BVMed hat sich bereits im Frühsommer 2022 in einer Stellungnahme dazu geäußert und schlägt vor, den Entwurf mit dem bereits bestehenden nationalen Gesetz abzugleichen. Anderenfalls würde die Umsetzung „erheblichen Mehraufwand und Kosten für die betroffenen Unternehmen in Deutschland bedeuten“. Die weltweite Stärkung von Menschenrechten sei zwar zu begrüßen. Der aktuelle Vorschlag der EU-Kommission erweitere jedoch den Anwendungsbereich und beziehe auch negative Umweltfolgen ein sowie die Einführung einer zivilrechtlichen Haftung.

Corporate Sustainability Reporting: Was die EU-Richtlinie CSRD fordert

Möglicher Änderungsbedarf bezüglich des CSDDD-Entwurfs

Vier Punkte hat der BVMed definiert, für die der Verband Änderungsbedarf beim EU-Entwurf sieht.

  • Der Anwendungsbereich der CSDDD solle eindeutig auf die direkten Zulieferer begrenzt werden. Unternehmen seien zwar in direkten Geschäftsbeziehungen in der Lage, Verantwortung zu übernehmen – in komplexer werdenden Lieferketten aber nicht.
  • Nicht ein einzelnes Unternehmen solle die Menschenrechtssituation in einem Partnerunternehmen oder einem Land bewerten müssen. Vielmehr sei es sinnvoll, dass die Mitgliedsstaaten der EU eine Liste von Ländern erstellen, bei denen Unternehmen annehmen können, dass Zulieferer aus diesen Ländern alle Kriterien erfüllen. Ein solche Safe-Harbour-Regelung würde den Verwaltungsaufwand und die Rechtsrisiken für Unternehmen verringern.
  • Der Anwendungsbereich des Gesetzes sollte sich auf die Menschenrechte konzentrieren. Da zu Umweltfragen weltweit uneinheitliche Standards gelten, würde eine Vorgabe über die CSDDD eher Rechtsunsicherheit schaffen. Das gilt laut BVMed auch für das Vorhaben, in der Richtlinie Klimaschutzziele festzuschreiben.
  • Nach Einschätzung des BVMed umfasst der Begriff der „Wertschöpfungskette“, im Entwurf auch Krankenhäuser und andere Bezieher von Medizinprodukten. Falls diese gegen Kriterien der Richtlinie verstoßen, könnte der Fall eintreten, dass Hersteller einzelne Kunden nicht mehr beliefern dürfen. Das könnte die Versorgung von Patienten insbesondere in Drittländern und Ländern mit eingeschränkter Gesundheitsversorgung gefährden. Der Verband schlägt vor, dass für den so genannten Downstream-Teil der Wertschöpfungskette eine humanitäre Ausnahme etabliert wird.

Laut BVMed-Nachhaltigkeitsexpertin Clara Allonge werde es bei der Ausformulierung und Umsetzung der Richtlinie vor allem darauf ankommen, „eine sinnvolle Balance zwischen klaren Vorgaben und praktikabler Umsetzungsfreiheit zu finden.“ So sollten sich Vorgaben möglichst an bereits vorhandenen, verbreiteten Normen orientieren, die schon von Unternehmen umgesetzt werden. Darüber hinaus sei die Begrenzung auf direkte Zulieferer sinnvoll – begleitet durch eine Pflicht, bei Kenntnis von substanziellen Verstößen in der weiteren Lieferkette tätig zu werden. „Dies wird dem Gesetz zu tatsächlicher Wirksamkeit verhelfen“, heißt es seitens des Verbands.

Bis Ende 2022 werden der CSDDD-Entwurf sowie mögliche Ergänzungen diskutiert, eine Entscheidung wäre demnach im Frühsommer 2023 zu erwarten. Wird der Entwurf angenommen, überführen die Mitgliedsstaaten das Gesetz zunächst in nationales Recht – wonach dann die Übergangsphase für Unternehmen beginnen würde. (op)

BVMed-Stellungnahme zum CSDDD-Entwurf:
www.bvmed.de/positionen
Kurzübersicht zum CSDDD-Entwurf vom Rat für nachhaltige Entwicklung:
http://hier.pro/iKMJk


Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

In Deutschland gilt ab Januar 2023 das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Es setzt die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen um. Das Bundeskabinett hatte den Entwurf im März 2021 auf den Weg gebracht – im Juni 2021 hat der Bundesrat das Gesetz gebilligt.

Das LkSG soll den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten verbessern und zum Beispiel dazu beitragen, dass das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit eingehalten wird. Die Sorgfaltspflichten von Unternehmen gelten für die gesamte Lieferkette, also vom Rohstoff bis zum Produkt. Bei Hinweisen auf Verstöße gegen die Menschenrechte müssen Unternehmen tätig werden.

Daher müssen die Betriebe ab Januar 2023

  • ein Risikomanagement mit Menschenrechtsbeauftragten einführen,
  • eine Grundsatzerklärung erstellen oder diese aktualisieren,
  • eine Risikoanalyse durchführen und Verhaltensleitfäden erstellen oder anpassen, die dann für das eigene Unternehmen gelten sowie für Lieferanten.
  • Darüber hinaus sollen Präventiv- und Abhilfemaßnahmen festgelegt werden.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle überprüft, ob das Gesetz eingehalten wird, und kontrolliert Unternehmensberichte oder geht Beschwerden nach.

Im ersten Schritt ab dem 1. Januar 2023 betrifft das Gesetz Unternehmen mit mehr als 3000 Mitarbeitern. Ab 2024 müssen auch Betriebe mit mehr als 1000 Mitarbeitern die Vorgaben erfüllen.

Obwohl über 90 % der Unternehmen aus der Medizintechnik-Branche so klein sind, dass die Regelungen sie nicht unmittelbar betreffen, müssen sie sich mit dem Gesetz beschäftigen. Wenn sie beispielsweise eine Klinik mit mehr als 1000 Mitarbeitern beliefern, werden auch Medizinproduktehersteller Maßnahmen entlang der Lieferkette definieren und umsetzen müssen. Der BVMed plant, bis Ende 2022 eine Handreichung zur LkSG-Umsetzung zu veröffentlichen.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz als PDF: http://hier.pro/0ga0l

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