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Unfall, Bein gebrochen, Notaufnahme: Wer ins Krankenhaus kommt, ist froh um die Hilfe und geht gesund oder auf dem Weg der Besserung wieder heraus. So war der bisherige Blick. Zoomt man jedoch aus dieser Situation hinaus und schaut klimatechnisch auf ein Krankenhaus, entpuppt es sich als potenzieller „Krankmacher“: aufgrund des hohen Ausstoßes klimaschädlicher Gase aus der Anästhesie, des hohen Energie- und Wasserverbrauchs sowie jeder Menge Abfall. So genannte Green Hospitals wollen das ändern, nach dem Motto: Klimaschutz ist praktizierter Gesundheitsschutz.
Green Hospitals gehört die Zukunft
Es gibt zwar keine allgemeingültige Definition für ein „Green Hospital“. Klar ist aber: Wenn das von der Klimarahmenkonvention, der United Nations Framework Convention on Climate Change, in Paris beschlossene Ziel einer Treibhausgas-Neutralität bis 2050 erreicht werden soll, müssen auch die Kliniken ihren Beitrag leisten und „grün“ werden.
Forschung kann zu mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen verhelfen
Mit wenig Aufwand viel Nachhaltigkeit erreichen
Und wie macht man das? Schon mit bedarfsgerechter Beleuchtung und Belüftung, der Nutzung erneuerbarer Energien, Reduktion klimaschädlicher Narkosegase und verbesserter Lebensmittelnutzung können Kliniken mit vergleichsweise wenig finanziellem Aufwand viel erreichen. Das ist das Ergebnis einer Studie im Rahmen von „Klik – Klimamanager für Kliniken“. Das Projekt wurde von 2019 bis April 2022 im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums gefördert und bildete Klimamanager in Krankenhäusern aus.
Dass diese Ansatzpunkte schon in deutschen Kliniken präsent sind, beweist das Klimagutachten des Deutschen Krankenhausinstituts vom Juli 2022. Bei über 70 % der befragten Kliniken fließt Klimaschutz in ihre Strategie ein. 38 % der Häuser haben Leitlinien und Zielformulierungen zur Energieeinsparung und Nachhaltigkeit. Drei Viertel achten bereits beim Einkauf von Produkten auf die Reduzierung des Verpackungsmülls. Sofern medizinisch und hygienisch vertretbar, verwenden 54 % der Krankenhäuser Mehrweg- anstelle von Einwegprodukten. Bei 21 % der befragten Kliniken kommen krankenhausweit Narkosegasauffangsysteme zum Einsatz, die den Treibhausgasausstoß im OP reduzieren.
Green Hospitals: Deutsche Kliniken bekommen Auszeichnungen
Und obwohl das Bild bei den Kliniken in Deutschland noch uneinheitlich ist, gibt es viel Engagement. Unter den jährlich ausgerufenen „Europe’s Health Care Climate Champions“ der globalen Nichtregierungsorganisation „Health Care without Harm“ (HCWH) befinden sich regelmäßig deutsche Kliniken und Gesundheitszentren: 2021 mit der Auszeichnung Gold die Dr. Becker Unternehmensgruppe aus dem Reha-Bereich und das Evangelische Krankenhaus Hubertus in Berlin. Der Bund für Umweltschutz und Naturschutz e. V. (Bund) ist ebenfalls Mitglied der HCWH und bietet selbst seit 2001 sein Gütesiegel „Energiesparendes Krankenhaus“ an. Bisher wurden 50 Kliniken mit diesem Gütesiegel ausgezeichnet.
Im Süden gilt das 2018 in Betrieb genommene bayerische Klinikum Lichtenfels als Leuchtturmprojekt. Der Neubau war als erstes bayerisches Krankenhaus am Passivhausstandard orientiert und verbraucht nur erneuerbare Energie. Ökologische und ökonomische Belange werden mit den Bedürfnissen von Patienten in Einklang gebracht. Es ist zugleich Vorbild der „Green Hospital Initiative“ des Freistaates, die inzwischen als „Initiative Green Hospital Plus“ in die nächste Runde geht. Die Auszeichnung mit den drei Handlungsfeldern Energie, Umwelt Mensch soll Kliniken zu nachhaltigem Handeln motivieren.
Das „Zero-Emission-Hospital“ ist in Reichweichte
Im Osten will das Berliner Krankenhaus Havelhöhe bis 2030 das erste Zero-Emission-Hospital in Deutschland werden. Es arbeitet dazu mit der Deutschen Allianz für Klima und Gesundheit (Klug) zusammen, die wiederum ein Rahmenwerk für ein „dekarbonisiertes Gesundheitssystem“ bis 2035 bereitstellt. Darin wird ausdrücklich empfohlen, auch die Lieferanten in puncto Nachhaltigkeit auszuwählen.
Nachhaltiger Führungsstil im Green Hospital
Natürlich kann das System Gesundheit auch umfassender gesehen werden. Vorreiter für diese erweiterte Sichtweise ist der Kriterienkatalog der 1996 in den USA gegründeten globalen NGO HCWH. Zu ihren zehn Zielen gehören neben der Reduktion von Abfall, Wasser- und Energieverbrauch, schädlichen Chemikalien und Transportwegen auch alternative Energien, gesunde Ernährung, Gerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung und ein entsprechender Führungsstil.
Viele länderspezifische Aktionen zur Nachhaltigkeit lehnen sich an die Agenda der NGO an. Der National Health Service (NHS) in Großbritannien verankerte dieses Jahr mit dem Health and Care Act 2022 das Ziel der Null-Emission bis zum Jahr 2040 als erstes Gesundheitssystem sogar gesetzlich. Neben den Kliniken selbst werden auch die Zulieferer unter die Lupe genommen.
Den Einfluss der Lieferketten auf die Treibhausgasemissionen („Scope 3“-Emissionen) in einem Krankenhaus untersucht künftig auch das deutsche Projekt „Klimaschutz in Kliniken durch Optimierung der Lieferketten“ (Kliol). Dazu wollen die Beteiligten am Beispiel des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) einen Treibhausgas-Rechner mit speziellem Fokus auf die Lieferketten erstellen.
Knapp ein Viertel der Emissionen entstammt dem Einkauf von Medizinprodukten
Bereits die Kickoff-Veranstaltung im Juni 2022 kam zu einem interessanten Ergebnis: „In der vorläufigen Treibhausgas-Bilanz für das Uniklinikum Heidelberg zeigt sich, dass etwa drei Viertel der Emissionen durch vor- und nachgelagerte Prozesse entstehen. Zum Beispiel stammen 24 Prozent der Gesamtemissionen aus dem Einkauf von Medizinprodukten, 13 Prozent aus Medikamenten und fünf Prozent aus der Mobilität von Mitarbeitenden “, berichtet Claudia Quitmann vom Institute of Global Health des UKHD.
An nachhaltigen Werkstoffen kommt auch die Medizintechnik nicht vorbei
Da steckt also Potenzial drin. Falls nicht bereits geschehen, wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis auch hierzulande Kliniken ihre Zulieferer in puncto Nachhaltigkeit genauer unter die Lupe nehmen. Einige Hersteller haben sich bereits darauf eingestellt. So zum Beispiel die Dräger Medical Deutschland GmbH. Werner Frenz, Marketingleiter Segment Hospital, berichtet, dass Nachhaltigkeit bei den Kunden des Medizintechnik-Unternehmens schon länger ein Thema sei. Dräger Medical setze daher in seinen Kundenberatungen unter anderem auf die Öko-Effizienzanalyse des unabhängigen Bifa Umweltinstituts, um sinnvoll zwischen Ein- und Mehrweg zu wählen. Kliniken und Zulieferer sind also auf einem guten Weg, auch klimatechnisch „Gesundmacher“ zu werden.
https://gesundheit-braucht-klimaschutz.de
https://noharm-europe.org
Wussten Sie schon?
- In Deutschland trägt der Gesundheitssektor zu 5 % der Treibhausgase wie CO2 bei, weltweit sind es 4,4 % – mehr als der weltweite Flugverkehr (3%) oder die Schifffahrt (2%).
- Der Betrieb eines Bettes in deutschen Kliniken verbraucht durchschnittlich 300 bis 600 l Wasser am Tag, mehr Energie als vier Einfamilienhäuser, und es erzeugt dreimal mehr Abfall als eine Person im privaten Haushalt.
- Narkosegase verursachen bis zu 35 % der Emissionen einer Klinik.
- Narkosegase wirken klimaschädlicher als CO2.
Desfluran: 2.540-fach,
Isofluran 510-fach,
Sevofluran:130-fach und
Lachgas: 300-fach. - Die klimaschädlichen Emissionen einer 7-stündigen OP mit Desfluran entsprechen etwa einer Autofahrt von fast 8000 km.
www.klik-krankenhaus.de/fileadmin/user_upload/Fact-Sheet_Narkosegase_und_Klimaschutz_Update.pdf