Wenn eine Herzklappe ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen kann und daher durch ein Implantat ersetzt werden muss, ist mit Einschränkungen zu rechnen: Denn die derzeit verwendeten Implantate werden entweder mit der Zeit durch Verkalkung funktionsuntüchtig oder erfordern eine permanente Einnahme von Medikamenten. Bei Kindern ist problematisch, dass solche künstlichen Herzklappen nicht mitwachsen.
Gewebe aus dem Herzbeutel wird zur Herzklappe geformt
Ausgehend von körpereigenen Gewebe aus dem Herzbeutel, das anhand von 3D-Daten aus dem MRT oder CT zu einer neuen, passenden Klappe für den Patienten geformt wird, könnte eine Alternative entstehen. An solchen Herzklappen forscht Kinderkardiologie PD Dr. Boris Schmitt mit seinem Team seit 2010 am Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) und an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Die Klappenimplantate aus Eigengewebe sollen ein Leben lang halten und schonend eingesetzt werden können. In Schafen haben die Forscher nach eigenen Angaben bereits sehr gute Langzeitergebnisse mit solchen Eigengewebeimplantaten für die Lungenklappe erzielt.
Im Rahmen einer aktuellen Studie untersuchen die Forscher nun erstmals im Menschen, ob eine derartige Herzklappe sicher angewendet werden kann. Sieben junge Erwachsene mit einem angeborenen Lungenklappendefekt werden an dieser Unbedenklichkeits-Studie teilnehmen. Im ersten Jahr, nachdem das Klappenimplantat mithilfe eines Katheters eingesetzt wurde, werden die Patienten alle drei Monate untersucht. Insgesamt dauert die Nachbeobachtungszeit fünf Jahre. Sollte die Studie erfolgreich verlaufen, ist eine größere Folgestudie geplant, an der neben 15 Erwachsenen auch zehn Kinder teilnehmen und eine Herzklappe aus Eigengewebe erhalten sollen. Ziel ist zu überprüfen, ob die Ergebnisse repräsentativ sind und sich verallgemeinern lassen.
Für die Herzklappe aus körpereigenem Gewebe wurde ein Unternehmen gegründet
Für ihre Vision einer mitwachsenden Herzklappe haben Schmitt und seine Kollegen bereits vor einigen Jahren das Medizintechnikunternehmen Grownvalve gegründet. „Wir kommen aus der Kinderkardiologie“, sagt Schmitt, „und da ist eine verengte Pulmonalklappe ein häufiger angeborener Herzfehler.“ Bei 130 Millionen Kindern, die jedes Jahr weltweit geboren werden, gibt es 1,3 Millionen Kinder mit Herzfehlern, von denen etwa 290.000 die Lungenklappe betreffen, entweder aufgrund eines Herzklappenfehlers oder wegen einer komplexen Erkrankung.
Momentan müssen diese Kinder durchschnittlich alle vier bis fünf Jahre operiert werden, um eine neue Klappe zu erhalten. Denn die zurzeit verwendeten Implantate aus Gewebe von Rind oder Schwein rufen Immunreaktionen hervor, welche die Klappe mit der Zeit so sehr schädigen, dass sie erneut ausgetauscht werden muss.
Herzklappen-Ersatz aus Metall oder Kunststoff bringt Nachteile mit sich
Ersatzklappen aus Metall oder Kunststoff sind zwar deutlich länger haltbar, können aber gefährliche Blutgerinnsel (Thrombosen) auslösen. Die Patienten müssen daher ihr Leben lang gerinnungshemmende Medikamente einnehmen. Die permanente Einnahme dieser „Blutverdünner“ oder wiederholte Klappenimplantationen sind eine große körperliche Belastung und auch im Erwachsenenalter ein Problem, besonders für Risikogruppen wie Schwangere oder alte Menschen.
Die DZHK-Studie ist für Schmitt und seine Kollegen ein wichtiger Schritt hin zu einer mitwachsenden Herzklappe. Ob das gelingen kann, testen sie demnächst in jungen Tieren. „Bislang haben wir bei ausgewachsenen Tieren gesehen, dass die eingesetzte Klappe aus Eigengewebe regenerativ ist, sich also selbstständig erneuern kann.“ Sie zeige Merkmale lebendigen Gewebes und könne sich den Bedingungen im Patienten anpassen. Zum Beispiel verstärke sich die Klappe an den Stellen, wo sie mehr Druck aushalten müsse. „Außerdem sehen wir eine geschlossene Zellschicht auf den Klappenoberflächen, das sind sehr ermutigende Ergebnisse.“
Vision: Mit der neuen Herzklappe Kindern auf der ganzen Welt helfen
Die langfristige Vision des Forschungsprojekts: „Unser Traum ist, herzkranken Kindern auf der ganzen Welt mit unserer Klappe helfen zu können“, sagt Boris Schmitt . Die erste Studie im Menschen werde wichtige Erkenntnisse liefern, wie die Klappe im menschlichen Körper in den ersten Jahren nach dem Eingriff angenommen wird.
Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
PD Dr. Boris Schmitt, Deutsches Herzzentrum Berlin, E-Mail: schmitt@DHZB.de
Weitere Informationen:
www.grownvalve.com
Der vollständige Studientitel lautet: A First-in-Human Feasibility Study to Evaluate the Safety (and Short term Effectiveness) of the Autologous Grownvalve Transcatheter Pulmonary Heart Valve (GECT-DZHK28)