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Biologische Herzklappe besser vorbehandeln

Künstliche Herzklappen
Wie biologische Herzklappenprothesen nicht verkalken

Wie biologische Herzklappenprothesen nicht verkalken
Diese biologische Herzklappe ist mit einem Metallgerüst ausgestattet (Bild: Fraunhofer IKTS)
Biologische Herzklappenprothesen haben gegenüber mechanischen Vorteile. Aber: Sie verkalken relativ schnell. Eine neue chemische Vorbehandlung soll das verhindern.

Wenn eine Herzklappe nicht mehr richtig öffnet und schließt, muss sie oftmals durch ein künstliches Pendant ausgetauscht werden. Mechanische künstliche Herzklappen erfordern allerdings die lebenslange Einnahme von Gerinnungshemmern wie dem Medikament Marcumar. Der Trend geht daher zur biologischen Herzklappe, da der Patient dann keine Blutverdünner nehmen muss.

Biologische Herzklappen: Schwein oder Rind als Ursprung

Die so genannten Bioprothesen werden aus Aortenklappen von Schweinen oder aus Herzbeutelgewebe von Rindern hergestellt. Einen Nachteil haben sie: Sie halten in der Regel maximal 15 Jahre. Dann beeinträchtigen Verkalkung und Materialermüdung die Funktionsfähigkeit der Klappensegel. Kristallines Hydroxylapatit lagert sich an den Segeln ab und löst die Verkalkung aus – Experten bezeichnen diesen Vorgang als Kalzifizierung. Die künstliche Klappe verengt sich, die Folge ist ein gestörter Blutdurchfluss.

Mit neuen chemischen Vorbehandlungen wollen Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS die Verkalkung stoppen. Dabei arbeiten sie eng mit dem Institut für Angewandte Medizintechnik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und dem Meshalkin National Medical Research Center im russischen Novosibirsk zusammen.

Wie das biologische Material für die Herzklappe vorbehandelt wird

Üblicherweise werden Prothesen mit Glutaraldehyd vorbehandelt. Das häufig verwendete Fixationsmittel stabilisiert unter anderem das Kollagengerüst der Klappenprothese.

Im Gegensatz dazu setzten IKTS-Wissenschaftlerin Dr. Natalia Beshchasna und ihre Partner nun auf Diepoxid und Bisphosphonat, um den Kalzifizierungs- und Degenerationsprozess zu vermeiden oder zu verzögern. Für ihre Versuche wählten sie Herzbeutelgewebe (Perikardgewebe) als Basismaterial und stabilisierten es mit Wirkstoffmolekülen.

„Glutaraldehyd bindet gut an Kollagen, nicht jedoch an Elastin, das auch Bestandteil des Perikardgewebes ist. Daher sucht man nach Alternativen, wir haben uns für Diepoxid entschieden“, erklärt die Ingenieurin. Die Vernetzung erfolgte mit und ohne die Zugabe von Bisphosphonaten – Medikamenten, die in den Knochenstoffwechsel eingreifen und etwa zur Therapie von Osteoporose verwendet werden.

Vorbehandlung biologischer Herzklappen: Großes Potenzial für Diepoxide und Bisphosphonate

Zunächst wurden die Gewebeproben mit Glutaraldehyd, Diepoxid, Diepoxid plus Bisphosphonat und Diepoxid plus dem milden Konservierungsmittel Optiphen drei Wochen lang präpariert. Dadurch erhielten die Gewebeproben neue Eigenschaften. Ein vierwöchiger Kalzifizierungstest sollte im Anschluss unter beschleunigten Konditionen zeigen, ob die genannten Präparation im Labor wirkten.

Der pH-Wert der Lösungen war gepuffert und entsprach dem des humanen Blutplasmas. „Wir haben insgesamt acht Herzklappen mit vier Lösungen unterschiedlich chemisch vorbehandelt und mit klassischen Verfahren wie Rasterelektronenmikroskopie, Raman-Spektroskopie und Mikrocomputertomographie analysiert, welche Gewebebehandlung am besten gegen die Langzeitkomplikation der Verkalkung wirkt“, sagt die Forscherin.

Alternative zu Glutaraldehyd verhindert Komplikation

Das Ergebnis des In-vitro-Tests: Diepoxide und Bisphosphonate sind aufgrund ihrer sehr guten Vernetzung des Gewebes eine vielversprechende Alternative zu Glutaraldehyd. Die Forschenden sehen großes Potenzial für diese kombinierte Behandlung. „Herzbeutelgewebe hat eine Neigung zur Bindung von Kalziumionen, die wiederum Phosphationen binden, was die Kalzifizierung des Herzklappenersatzes begünstigt“, so Beshchasna. Diepoxide und Bisphosphonate könnten dieser Langzeitkomplikation entgegenwirken und die Reaktion zwischen Kalzium- und Phosphationen verhindern.

Als nächstes müssen die erfolgversprechenden Ergebnisse in weiteren In-vitro- und In-vivo-Tests sowie in klinischen Experimenten bestätigt werden. „Bislang ist es nicht gelungen, eine ideale Klappenprothese zu konstruieren. Wir hoffen, diesem Ideal mit unserer neuen chemischen Vorbehandlung einen Schritt näher zu kommen.“

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