Den Satz „Blasen Sie bitte in dieses Röhrchen!“ kennen einige bereits von Verkehrskontrollen. Er könnte künftig auch in Kliniken und insbesondere auf Intensivstationen zum Alltag werden. Nicht zum Messen des Alkoholgehalts im Blut, sondern um den Gesundheitszustand in Echtzeit zu überwachen oder rasch die Konzentration von Medikamenten im Körper zu bestimmen. Forschende der Universität Basel und des Universitäts-Kinderspitals beider Basel (UKBB) entwickelten diese Technik, mit der sie bestimmte Werte direkt in der ausgeatmeten Luft von Patienten messen können.
Atemanalyse deckt sich mit Blutwerten
Ein Vergleich zeigte bereits, dass eine Überwachung mittels Atemproben genauso zuverlässig ist, wie üblicherweise verwendete Bluttests. Die Ärzte setzten die neue Methode zur Überwachung der intensivmedizinischen Behandlung von Kindern ein, die an einer diabetischen Ketoazidose litten.
Ketoazidose beschreibt eine stoffwechselbedingte Übersäuerung des Körpers, die als Komplikation bei Diabetes auftritt. Sie kann ohne Behandlung tödlich verlaufen.
Um in Erfahrung zu bringen, wie sich die Symptome entwickeln und wie die Behandlung wirkt, analysierte das medizinische Team neben Blut- und Urinproben auch die von den Kindern ausgeatmete Luft. Pablo Sinues, Professor an der Universität Basel und Leiter einer Gruppe für Atemforschung im Bereich translationale Medizin, ist begeistert: „Die Werte in der Atemluft deckten sich vollkommen mit den Blutwerten.“
Die Analyse funktioniert nach dem Prinzip, mit dem Hunde lernen können, bestimmte Krankheiten zu erkennen. „Neben CO2 atmen wir auch kleine Mengen vieler anderer Stoffe aus, die im Blut vorhanden sind“, erklärt der Forscher. In der Atemluft sind verabreichte Medikamente genauso identifizierbar wie Moleküle, welche die Aktivität unseres Körpers widerspiegeln – so genannte Metabolite.
Mit der Atemanalyse in weniger als einer Viertelstunde zum Resultat
Mit seiner Gruppe entwickelte Pablo Sinues in den vergangenen Jahren Atemtests zur Messung und Dosierung von Medikamenten gegen Epilepsie bei Kindern. Dabei mussten die Kinder jedoch im Labor direkt in ein Gerät blasen, weshalb sich die Tests nicht für die Intensivstation oder den Operationssaal eignen.
Nun können die Patienten die Atemproben einfach am Krankenbett abgeben: Die Forschungsgruppe hat dazu spezielle Plastikbeutel entwickelt, die bis zu 1,2 l ausgeatmete Luft einfangen. Die Proben werden nach der Entnahme sofort ins Labor gebracht und für die chemische Analyse in ein Massenspektrometer gegeben. Dieses Gerät wird auch für Blutproben verwendet.
Doch die Bestimmung der Blutwerte ist komplex und dauert mehrere Stunden. Die Luft aus den Beuteln hingegen wird ohne Vorbehandlung direkt ins Gerät geblasen – weniger als eine Viertelstunde nach der Probenahme. Ähnlich schnelle Ergebnisse liefern nur Routine-Bluttests.
Rasche Analyse des Atems, häufige nicht-invasive Probenahme
Dank der raschen Analyse und der häufigeren Entnahme von Atemproben konnten die Forschenden ihr Wissen über die Vorgänge im Körper unmittelbar während der Stabilisierung der jungen Patienten vertiefen. „Mit dieser hochempfindlichen Technik haben wir ein breites Spektrum an Stoffen identifiziert. Unsere Ergebnisse gehen über die bereits bekannten Fakten hinaus“, sagt Forschungsleiter Pablo Sinues. Er blickt bereits in die Zukunft: „Jetzt werden wir alles einordnen.“
Beispielsweise gab es Unterschiede zwischen Kindern, die erstmals ins Krankenhaus kamen, und solchen, die bereits mehrmals dort waren. Die Ergebnisse stammen allerdings von lediglich fünf Kindern mit diabetischer Ketoazidose und müssen durch weitere Studien bestätigt werden.
Konzentration von Medikamenten im Körper mittel Atemanalyse messen
Atemluftanalysen könnten nicht nur bei Diabetes von Nutzen sein. Denn mit dieser Methode lässt sich gleichzeitig die Konzentration eines Medikaments und die Reaktion des Körpers darauf messen. Die Forschenden hoffen, dass sie bald zur Standardbehandlung auf Intensivstationen gehört.
„Ein großer Vorteil besonders bei Kindern liegt darin, dass diese Methode nicht-invasiv ist“, erklärt Pablo Sinues. „Sie ermöglicht allenfalls auch frühe Prognosen darüber, wie jemand auf eine Behandlung anspricht oder welche Nebenwirkungen auftreten.“ Diese Informationen sind wichtig, wenn der therapeutische Spielraum eng ist, das heißt, wenn eine leichte Erhöhung der Dosis eines Medikaments bereits toxisch wirkt.
Atemanalyse auch für Krebsbehandlungen interessant
„Die Methode hat sich bei Antiepileptika bewährt. Nun könnte sie für Messungen bei Krebsbehandlungen weiterentwickelt werden. Sehr hilfreich könnten die von uns konzipierten Beutel auch sein, um Dosis und Wirkung von Narkosemitteln während Operationen zu kontrollieren“, hofft der Forscher. Mit diesen Herausforderungen befasst sich bereits ein Start-up, das aus seinem Labor hervorgegangen ist.
Kontakt:
Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)
Pablo Sinues
Spitalstrasse 33
CH-4056 Basel
Telefon: +41 79 886 54 00
E-Mail: pablo.sinues@unibas.ch
https://doi.org/10.3389/fendo.2024.1360989
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