Herr Prof. Schulz, können Roboter künftig eine Lösung für den Personalmangel in der Pflege sein?
Die Frage ist mit einem klaren „Ja“ zu beantworten und beinhaltet die Hoffnung, dem rasch fortschreitenden Pflegemangel und dem seit 20 Jahren vorausgesagten demographischen Wandel, mit einer überalterten und hilfsbedürftigen Gesellschaft, überhaupt gerecht werden zu können.
Sie testen seit über vier Jahren mit den Modellen Pepper, Plato und Rose den Robotereinsatz am Altersmedizinischen Zentrum Köln. Was ist Ihr Fazit?
In den letzten vier Jahren hat sich die Softwareunterstützung und die Motorik, beispielsweise der Roboterarme, in der Automobilindustrie und anderen Industriezweigen deutlich verbessert. Dadurch ist es möglich geworden, diese Technik auch im Gesundheitswesen zunehmend einzusetzen. Leider ist aber insgesamt wenig Know-how aus der Industrie in die klinischen Anwendungsbereiche geflossen und die Projekte sind zum Teil schwieriger vorangekommen als erhofft.
Was hat sie positiv überrascht?
Überrascht hat mich, dass der Einsatz der Roboter von den Patienten überwiegend positiv bewertet wurde, und auch anfängliche Befürchtungen unter den Mitarbeitern konnten rasch abgebaut werden. Es ist eben ein völlig neues Gebiet, in dem tatsächlich Maschinen eingesetzt werden, wo bislang rein der Mensch-zu-Mensch-Kontakt führend war.
Mit welchen Partnern aus Industrie und Forschung haben Sie die Einführung der Roboter umgesetzt?
Unsere Partner bei der Einführung waren die United Robotics Group, die uns Pepper und Plato zur Verfügung gestellt hat und Heemskerk Innovative Technology HIT, von denen wir Rose haben. Unterstützt wurde das Projekt vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA sowie von der Universität Twente mit dem DIH-Hero-Netzwerk.
Was sind die jeweiligen Aufgaben von Pepper, Plato und Rose?
An den drei Modellen erkennt man sehr gut, dass Maschinen, die im Gesundheitswesen eingesetzt werden, meist nur die Bezeichnung Roboter gemeinsam haben. Bei Pepper liegt der Schwerpunkt deutlich auf der menschlichen Interaktionsebene und der Erzeugung von Emotionen und Entertainment.
Plato dagegen hat klar einen ersten Serviceauftrag, den er auch, soweit beurteilbar, in den ersten Ansätzen gut erfüllen kann. Dinge wie die Spracherkennung und die Umsetzung von Sprachbefehlen sind hierbei wichtig.
Rose ist ein Projekt, bei dem erstmals ein Roboter mit einem Arbeitsarm zur Verfügung steht, der viele Fragen bezüglich der Stabilität, der Sicherheit im Umgang mit Patienten und der Leistungsfähigkeit von solchen Maschinen aufwirft. Wünschenswert für die Zukunft wäre, dass eine Maschine mit einem Greifarm, ein weitaus größeres Tätigkeitsspektrum abdecken könnte. Das wäre überall da der Fall, wo routinierte, wiederkehrende Aufgaben bezüglich der Versorgung von Menschen mit Bewegungseinschränkungen gegeben sind.
Nutzen die Roboter mehr dem Patienten oder entlasten sie eher die Mitarbeitenden in der Klinik?
Wo der Nutzen liegt, ist bei den drei Modellen unterschiedlich. Pepper nützt eher dem Patienten. Allerdings wird dabei der Umgang mit dem Patienten auch für die Mitarbeiter häufig einfacher, denn die durch Pepper erzeugten Emotionen führen dazu, dass Mitarbeiter leichter mit dem Patienten ins Gespräch kommen. Es entsteht eine Interaktion mit dem Roboter, die ein Mitarbeiter dann verstärken kann. Plato und Rose nützen eher den Mitarbeitern.
Wo sehen Sie vielversprechende Einsatzmöglichkeiten für Roboter in Kliniken?
Die Einsatzmöglichkeiten für Roboter in den Kliniken sind eindeutig in der Ausführung und Umsetzung von Routinetätigkeiten zu sehen. Hier geht es zum einen um Serviceaufgaben und zum anderen um den Bereich der Datenerhebung. Bei der Datenerhebung lassen sich sowohl Vitalparameter als auch Bewegungsprofile oder auch Notfallsituationen erfassen, die dann im Krankenhausinformationssystem definierte Algorithmen auslösen können.
Welche Weiterentwicklungen wären dafür wünschenswert?
Zunächst wären Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Überwindung von Barrieren und der Erkennung von Hindernissen wichtig. Hierzu gehört das eigenständige Öffnen von Türen und das Umfahren von Barrieren.
Wie könnte Pepper künftig in der Diagnostik helfen? Welche technischen Weiterentwicklungen benötigt er dafür?
Bei Pepper liegt ganz klar das Forschungsgebiet auf der Gemütserkennung und der Verbesserung von kognitiven Leistungen über Konzentrationsverbesserung und Beschäftigungstherapie. Die Diagnostik könnte hierbei spielerisch, zum Beispiel über Sensoren, erkennen, ob Patienten Fieber haben, oder ob Erschöpfungszustände mit Konzentrationsstörungen vorliegen. Abweichende Handlungsmuster könnten frühzeitig anzeigen, wenn Dehydratations- oder Kognitionseinschränkungen vorliegen.
Die erforderliche technische Weiterentwicklung dieser Sensorik ist auf anderen Gebieten bereits erfolgt. Jetzt geht es darum diese Möglichkeiten in die bestehende Maschine zu integrieren.
Mit Rose werden im Rahmen einer internationalen Studie bereits erste Anwendungsfälle im Krankenhaus erforscht. Gibt es schon Ergebnisse?
Rose hat jetzt erste Erfahrungen in Bezug auf die Patientensicherheit mit dem Erfassen von Stürzen und dem sicheren Erkennen von Flüssigkeitsbehältnissen, gemacht. In Kombination mit Sprachbefehlen, soll dieser Roboter nun dazu befähigt werden, Behältnisse sicher und zuverlässig von A nach B zu transportieren.
Was ist wichtig beim Umgang mit den Roboter-Kollegen?
In erster Linie braucht man Geduld. Handlungen und Reaktionen auf bestimmte Situationen im Krankenhaus können vom Menschen auf Grund seiner Erfahrungen und seiner Ausbildung, leicht erkannt und umgesetzt werden. Roboter müssen alle diese Szenarien erst „erlernen“, beziehungsweise müssen entsprechend programmiert werden. Gerade auf dem Gebiet der humanoiden Robotik neigt man dazu, auf Grund des menschlichen Erscheinungsbildes, menschliche Verhaltensmöglichkeiten und Reaktionen auf die Maschinen zu übertragen und zu erwarten. Aber schon kleinste Abweichungen sind große Herausforderungen und erfordern aufwändige Programmierungen. Das wird häufig übersehen.
Wie wir unter anderem aus der Automobilindustrie wissen, gibt es – obwohl die Software dafür bereits programmiert ist – immer noch keine eigenständig fahrenden Autos. Hier existiert bereits seit Jahren eine sehr intensive und sehr kostspielige Entwicklungsarbeit. Diesen Aufwand müsste man auch in roboterassistierte Tätigkeiten im Krankenhaus stecken. Das ist aber bei den derzeitigen Forschungsinvestitionen so gar nicht umsetzbar.
Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf bei den Robotern?
Verbesserungsbedarf gibt es vor allen Dingen in den einfacheren Einübungen von Bewegungen mit möglichst einer entsprechenden Programmierung. Dadurch würde eine raschere und flexible Einstellung der Maschinen auf den klinischen Alltag ermöglicht werden.
Gibt es rechtliche Hürden für den Einsatz der Roboter in Kliniken und Pflegeheimen?
Die rechtlichen Hürden hierfür sind derzeit noch gering, da es für die Maschinen bislang keine Zulassung gibt und es sich auch beim Einsatz von Pepper & Co, um Forschungsprojekte handelt, aus denen erst konkrete Anwendungsfälle entwickelt werden müssen. Ich gehe davon aus, dass dabei noch einige Hürden auf uns zu kommen.
Was wünschen Sie sich von den Roboterherstellern?
Ich würde mir von den Roboterherstellern eine größere Offenheit für den Anwendungsbereich Krankenhaus wünschen. Oft wird das bestehende Angebot der Klinikbereiche, die entsprechende Versuchsanordnungen bereits vorweisen, Schnittstellen herzustellen, noch zu wenig angenommen.
Ebenso wünsche ich mir von den Herstellern, dass sie ernsthaft in Erwägung ziehen, Maschinen zu konstruieren, die nicht nur in Prototypen enden, sondern tatsächlich in eine hochskalierbare Routineherstellung münden.
Wie kann der Robotereinsatz gesteigert werden? Helfen günstigere Preise oder ein besserer Service?
Der Robotereinsatz kann sicherlich in der Form günstiger werden, dass man bestimmte Teile soweit normiert, dass sie vielfältig eingesetzt werden können. Dann müssten nur besondere Aufgabengebiete speziell angepasst werden. Ebenso ist für Krankenhäuser nur ein Leasing-Modell oder Mietmodell denkbar, in dem ein entsprechendes Service- und Wartungsangebot enthalten ist. Dies hätte auch für die Industrie den Vorteil, dass sie auf Grund der Servicearbeit gespiegelt bekommen, wie die Maschinen verbessert werden können.
Wann könnte der (Service) Robotereinsatz in Kliniken Alltag sein? Gibt es Länder, die hier schon weiter sind als Deutschland?
Deutschland ist derzeit noch mit führend bei der Entwicklung und sollte dabei auch weiter eine Vorreiterrolle spielen. Kaum ein anderes Land ist technisch so weit entwickelt. Es ist geradezu unverständlich, dass kleinere und wirtschaftlich schwächere Länder die Anforderungen dennoch teilweise besser abbilden können.
Mir sind aber keine Fälle bekannt, in denen bedeutende Fortschritte in der praktischen Umsetzung bestehen. In Japan besteht zwar ein großes Interesse, was die Routinearbeit und die Praktikabilität betrifft, jedoch sind die Konstellationen dort auch schwierig.
Es zeichnet sich derzeit ab, dass die Länder des asiatischen Raums, wie Japan und China, in der Robotik Markt- und auch Technologieführer werden könnten. Ich würde mich freuen, und daran arbeiten wir mit aller Kraft, dass ich in diesem Fall nicht Recht behalten werde.
Weitere Informationen
Zum Einsatz von Pepper, Rose und Plato in der Altenpflege: