Wenn im Operationssaal höchste Präzision gefragt ist, sind Roboter willkommen – sofern sie sicher sind und den Vorgaben der Mediziner entsprechen. Worauf es dabei ankommt, erläutert Orthopäde Prof. Fritz Uwe Niethard.
Herr Prof. Niethard, im Rahmen des Projektes Orthomit arbeiten Sie am Einsatz von Robotern im Operationssaal. Wie willkommen ist diese Art von technischer Unterstützung?
Ein Roboter kann präziser arbeiten als die menschliche Hand. Das ist unter Ärzten bekannt, und daher gibt es auch einen Bedarf für technische Unterstützung bei Aufgaben, die vor allem Genauigkeit erfordern. Jeder Roboter, der in einem Operationssaal eingesetzt werden soll, muss sich aber in seiner Größe und Beschaffenheit an die Umgebung anpassen, ebenso an die Anforderungen des Operateurs – und nicht etwa umgekehrt.
Vor einigen Jahren gab es Misserfolge mit Robotern im OP. Wie bewerten Sie die Erfahrungen von damals?
Robotersysteme wie Robodoc und Caspar, die vor einigen Jahren auf der Basis von Industrierobotern entwickelt wurden, haben sich nicht durchgesetzt. Das liegt einerseits daran, dass sie nur eine Funktion übernehmen konnten, nämlich das Fräsen im Bereich der Hüft- und Kniegelenke. Dafür waren sie aber viel zu groß und unhandlich. Darüber hinaus haben sie zwar eine sehr hohe handwerkliche Präzision erreicht. Diese war in mancher Hinsicht jedoch von Nachteil, da sie nicht mit einem Gefühl für die Härte des Knochens verbunden war. Während ein Operateur spürt, ob die Verankerung einer Prothese fest genug ist, konnten die Roboter nur eine passgenaue Öffnung ausfräsen. Wenn diese aber in einem weicheren Knochenbereich liegt, passt die Prothese zwar perfekt, aber sie hat nicht genug Halt.
Welche Erwartungen haben Mediziner heute an die Roboter?
Sie müssen in der Regel klein sein und flexibel genug, um mehrere Aufgaben zu übernehmen. Inzwischen sind wir in der Entwicklung dahin auf einem guten Weg und schon in der zweiten oder dritten Robotergeneration angekommen. Deswegen ist die Roboterchirurgie auch sicher nicht vom Tisch. Was Geräte der ersten Generation wie Robodoc oder Caspar konnten, übernehmen heute Geräte, die nicht größer sind als ein Fön. Und diese sind so programmiert, dass sie zum Beispiel Knochenzement vom Knochen unterscheiden können und dem Arzt etwas voraus haben: Wenn ein Roboter den Zement aus dem Oberschenkel oder der Hüfte fräst, geht weniger umgebendes Knochenmaterial verloren. Das ist natürlich wünschenswert, und das funktioniert in Kombination mit einem Navigationssystem sogar an verborgenen Stellen, die der Operateur nicht einmal einsehen kann.
Wie reagieren Patienten auf die Aussicht, dass ein Roboter den Arzt bei der Operation unterstützt?
Noch sind alle Geräte, die dafür in Frage kommen, in der Testphase. Da sich der Ablauf im Operationsprozess durch ihren Einsatz verändert, müssen die Patienten aufgeklärt werden und ihre Einwilligung geben. Wenn man erläutert, was der Roboter tut und warum es sinnvoll ist, ihn zu nutzen, verstehen die Patienten das aber. Wenn sie lediglich die Information bekämen, dass ein Roboter eingesetzt wird, müsste man sicherlich mit Ablehnung und Misstrauen rechnen.
Welche Vorbehalte haben Ärzte heute gegenüber Robotern?
Mediziner sind recht gut zu überzeugen, wenn klar ist, dass die Operation von Hand für den Patienten ein höheres Risiko mit sich bringt und für den Arzt sehr viel mühevoller ist. Daneben spielt der Kostenfaktor eine Rolle: Wenn die Operationsdauer sinkt, ist auch das ein Argument für den Roboter. Techniken, die die Kosten, den Patienten und den Arzt schonen, werden sich also sicher durchsetzen. Schwieriger wird es bei Großrobotern, deren Einsatz wir auch testen. Diese können beispielsweise die Handhabung von Röntgengeräten für die 3D-Darstellung vereinfachen, die so groß und schwer sind, dass sich ein oder zwei Pfleger damit mühen, sie in die richtige Position zu bringen. Da solche Roboter besondere Anforderungen erfüllen müssen, sind sie aber auch besonders teuer.
Worauf kommt es hier an?
Speziell bei den Großrobotern sind Stabilität und Präzision wichtige Themen. Es geht ja darum, Gewichte von einigen hundert Kilogramm an einem Hebelarm zu bewegen, der gerade im orthopädisch- chirurgischen Bereich mitunter sehr lang sein kann – viel länger jedenfalls als bei Gefäßuntersuchungen, für die solche Systeme schon genutzt werden. Dort kann man aber den Patienten relativ einfach und nahe am Gerät platzieren. Für die Orthopädie hingegen muss der Roboterarm aus der Ferne das Gerät über dem Patiententisch positionieren und dort sehr präzise seine Positionen anfahren. Wenn bei einem CT noch kreisende Bewegungen hinzukommen, muss der Arm auch die Massebeschleunigung abfangen. Natürlich muss ein Roboter, ob groß oder klein, generell den Sicherheitsvorgaben im OP entsprechen und darf keine magnetischen Störfelder mitbringen, die beispielsweise das Navigationssystem beeinträchtigen.
Sind die Sicherheitsmaßnahmen und die Steuerungstechnik ausgereift?
Da ist, gerade bei den Steuerungen, noch einiges zu tun. Es ist aber sicher eines der Highlights aus dem Projekt Orthomit, dass wir in Zusammenarbeit mit dem VDE schon früh Normen für Schnittstellen erarbeitet haben, die inzwischen international anerkannt sind. Ein Aspekt der Sicherheit ist natürlich auch, dass ein Roboter, wie auch andere Geräte im OP, einfach zu bedienen sein muss.
Derzeit laufen verschiedene Projekte, die zu Robotern im medizinischen Umfeld führen sollen. Wann ist die Zeit endgültig reif für Roboter am OP-Tisch?
Wir arbeiten im Projekt Orthomit mit einer eigenen Bedienplattform für alle Geräte. Eine der anstehenden Aufgaben ist es daher, den Roboter an diese Plattform anzupassen. Wir verbessern auch noch die Sicherheit der Roboter und planen als nächstes Tests an Dummys im Demonstrator-OP. Insgesamt gesehen gehe ich davon aus, dass wir vom Jahr 2010 an mit Robotern im OP rechnen können.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Strategien für den Operationssaal sowie eine technische Plattform wollen die Partner im Verbundprojekt Orthomit entwickeln. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen die Hüft-, Knie- und Wirbelsäulenchirurgie. www.orthomit.de
Groß und Klein haben Zutritt im OP
Trotz der zum Teil negativen Erfahrungen, die vor einigen Jahren mit OP-Robotern der ersten Generation wie zum Beispiel dem Robodoc gemacht wurden, hat sich die Forschung nicht beirren lassen und weiter an diesem Thema gearbeitet: Derzeit sollen vor allem kleinere und flexiblere Roboter für den Einsatz am Patienten entstehen. Darum geht es auch im Rahmen des Projektes Orthomit.
„Parallel dazu wurde aber auch an einer Art Makroversion gearbeitet, also an einem größeren Roboter, der die Instrumente für die Bildgebung steuert und mit diesen kommunizieren kann“, erläutert Professor Dr. Fritz-Uwe Niethard, Direktor der Orthopädischen Klinik am Universitätsklinikum Aachen. Moderne Technik könne helfen, Operationsrisiken zu mindern und so zu operieren, dass die Patienten rasch wieder auf die Beine kommen.
Ein neuer Großroboter für den OP wurde von Siemens Healthcare in Erlangen gebaut. Mit seinem Einsatz im Demonstrations-OP des Aachener Uniklinikums ist aber vor 2009 nicht zu rechnen. Bis dahin soll der Roboter sein Sicherheitsprüfsiegel erhalten.
In einem anderen Projekt kooperieren Aachener Forscher von der RWTH und dem Universitätsklinikum seit Beginn des Jahres mit dem Augsburger Roboterhersteller Kuka. Hier sollen gemeinsam die Einsatzmöglichkeiten für Roboter bei Reha-Maßnahmen sowie in der fokussierten Strahlentherapie geprüft werden.
Informationen zum Robodoc-System vom Hersteller: www.robodoc.com
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