Roboter im OP-Saal gibt es seit einiger Zeit. Für die besonderen Anforderungen in der Mikrochirurgie wurden nun eigens Systeme entwickelt. Was die Kombination mit einem robotischen OP-Mikroskop bringt, testet Privatdozent Dr. Maximilian Kückelhaus in einem aktuellen Projekt in Münster.
Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de
Herr Dr. Kückelhaus, wo steht die robotische Mikrochirurgie heute?
Im Grunde fast bei Null, muss man sagen. Für Anwendungen in der Urologie und teilweise auch in der Allgemeinen Chirurgie hat sich als robotische Unterstützung für minimal-invasive Eingriffe das Da-Vinci-System von Intuitive Surgical vielfach bewährt. Für die Mikrochirurgie wie auch für die plastische Chirurgie gibt es aber sehr spezielle Anforderungen, die dieses System nicht erfüllen kann. Wir arbeiten nicht minimal-invasiv, sondern in einem offenen Operationsfeld. Dort haben wir es aber mit winzigen Strukturen zu tun. Wenn ich zum Beispiel Lymphbahnen rekonstruiere, verbinde ich Gefäße, deren Durchmesser zwischen 0,3 und 0,8 Millimeter liegt. Entsprechend fein sind die Pinzetten, Scheren und Nadelhalter und so weiter – da sieht man mit dem bloßen Auge nicht viel und muss dennoch sehr genau arbeiten. Dieser Besonderheiten hat sich vor kurzem ein italienischer Hersteller angenommen und ein Robotersystem eigens dafür entwickelt und auf den Markt gebracht. Allerdings sind bisher nicht mehr als eine Handvoll Systeme verkauft.
In Ihrem Forschungsprojekt wollen Sie diesen Roboter mit einem weiteren System‧ kombinieren. Was ist das Ziel?
Um eine Operation in den beschriebenen Dimensionen durchzuführen, ist die Visualisierung sehr wichtig. Daher wollen wir den neuen OP-Roboter mit einem ebenfalls jüngst auf den Markt gekommenen robotischen Mikroskop kombinieren. Das Ziel ist, das Potenzial dieser Geräte in präklinischen und klinischen Studien abzuschätzen und unsere Erkenntnisse den Herstellern auch für die Weiterentwicklung ihrer Geräte zur Verfügung zu stellen.
Was ist das Besondere am robotischen OP-Mikroskop?
Es ermöglicht neue Einblicke in das Operationsfeld und dem Operateur eine ergonomischere Haltung beim Eingriff, der mitunter ja ziemlich lange dauert. Das klassische Operationsmikroskop, das aktuell noch am weitesten verbreitet ist, fördert nicht gerade eine ergonomische Haltung der Operateure am OP-Tisch. Das robotische Mikroskopsystem wiederum besteht aus zwei Kameras, die an einem robotischen Arm befestigt sind. Wenn ich eine entsprechende Brille trage, die auch über eine Augmented-Reality-Funktion verfügt, kann ich mit meinen Kopfbewegungen die Positionen der Kameras am Roboter und damit den Blickwinkel sowie die Schärfe beeinflussen – und habe dabei immer noch die Instrumente in den Händen und sehe das Bild oder zusätzliche Informationen direkt vor mir.
Wie sind die beiden Systeme mit‧einander verbunden?
Noch gar nicht. Es sind zwei autarke Systeme, die wir erstmals im OP zusammen nutzen wollen. Diese Kombination könnte Vorteile bieten. Der OP-Roboter für die Mikrochirurgie nutzt Algorithmen, die unwillkürliche kleine Bewegungen der Hand wie zum Beispiel ein Zittern erkennen und diese vor dem Übertragen der Daten an die winzigen Instrumente herausrechnen. Außerdem kann der Roboter die Bewegung des Operateurs bis zu zwanzigfach verkleinern und somit viel feinere Bewegungen ausführen. Auch gibt es am entfernten Ende des Instruments noch eine‧ Art Handgelenk. Das ermöglicht beim Eingriff Bewegungen, die ich mit meiner Hand und einem klassischen Instrument‧ gar nicht ausführen könnte – so dass neue Techniken bei der Operation genutzt werden können. Das robotische Mikroskop soll dabei helfen, das Operationsgebiet besser im Blick zu haben‧.
Was könnte eine digitale Verbindung zwischen diesen Geräten oder auch mit anderen Medizinprodukten bringen?
Mit vernetzten Geräten könnten wir digital aufzeichnen, was der Chirurg tut und die Daten in der Patientenakte hinterlegen. Informationen aus der Akte könnte ich mir beim Eingriff bei Bedarf anzeigen lassen. Es ließe sich im Training festhalten, wie gut der Operateur schon mit dem System zurechtkommt. Und Spezialisten könnten besonders heikle Abschnitte einer OP übernehmen, selbst wenn sie nicht vor Ort sind, indem sie den vernetzten Roboter bedienen. Nicht zuletzt könnten die gesammelten Daten auch helfen, die Geräte weiter zu verbessern. Dann reden wir allerdings über Systeme mit entsprechend offenen Schnittstellen.
Welche Weiterentwicklungen an OP-Robotern‧ wären wünschenswert?
Mit Blick auf die Mikrochirurgie sind heute schon wirklich kleine Instrumente verfügbar. Wegen der beengten Verhältnisse im OP wäre darüber hinaus ‧eine Miniaturisierung der Gesamtsysteme nützlich. Auch Flexibilität ist ein wichtiges Thema für die Mikrochirurgie. Wir präparieren das Operationsfeld, dann benutzen wir den Roboter, entfernen ihn wieder und verwenden ihn an anderer Stelle erneut. Dieser häufige Wechsel zwischen Mikro- und Makrostrukturen ist typisch für die Mikrochirurgie. Darin unterscheidet sich das Vorgehen von einem Eingriff in der Urologie, bei dem ein OP-Roboter von Anfang bis Ende im Einsatz ist. Und natürlich bremsen generell die Kosten für solche robotischen Systeme deren Verbreitung im Regelbetrieb.
Welche Rolle werden Roboter im Rahmen der stärkeren Digitalisierung in Krankenhäusern in Zukunft spielen?
(lacht) Auch wenn uns künftig eine künstliche Intelligenz bei einer Opera‧tion unterstützen kann und wirklich hilfreich ist: Allein operieren wird der Roboter nicht. Aber mittelfristig wird sich die Roboterchirurgie durchsetzen. Es braucht sicher noch ein paar Generationen von Systemen, die immer weiter entwickelt werden. Diese Entwicklung sollten Ärzte aber begleiten und Feedback geben, so dass mit den Robotern der größtmögliche Nutzen erzielt werden kann.