Es gab Zweifel, ob vor allem die vielen kleinen und mittleren Unternehmen der Medizintechnik in Baden-Württemberg die Aufgaben, die die Medial Device Regulation mit sich bringen würde, allein schultern können. Wie sich nach Abschluss des Soforthilfeprogramms gezeigt hat, war das eine sehr zutreffende Annahme.
Soforthilfe: Vor allem KMU hatten Fragen zur MDR
Das lässt sich sehr gut an einem Beispiel zeigen: Orientiert am Bedarf der Unternehmen waren im Rahmen des Soforthilfeprogramms Basisdokumente für die Technische Dokumentation erstellt worden. Diese konnten die Hersteller gegen eine Gebühr als Grundlage für ihre MDR-Unterlagen nutzen. Direkt nach der Veröffentlichung der ersten Dokumente kamen die Anfragen, insgesamt bereits über 500 bis März 2022. 88 % der Interessenten gehörten in die Gruppe der KMU. „Das zeigt, wo typischerweise die Probleme mit der MDR-Umsetzung liegen“, sagt Dr. Barbara Jonischkeit.
Jonischkeit leitet bei der Biopro Baden-Württemberg GmbH den Bereich Gesundheit und Bioökonomie und hat die MDR&IVDR-Soforthilfe des Landes koordiniert. Von 2020 an waren eine Menge Partner mit im Boot, um Unternehmen bei Fragen zur MDR zu unterstützen. An diese konnten sich Medizinprodukte-Hersteller aus dem Bundesland wenden – und haben das auch getan.
Zentral erstellte Dokumente haben Unternehmen entlastet
Vor allem KMU hätten ein personelles und finanzielles Problem mit den Vorgaben der MDR, berichtet Jonischkeit: Erstens gebe es nicht genug Mitarbeiter mit der erforderlichen Qualifikation, und solche zu finden und einzustellen sei mit erheblichen Kosten verbunden. Die Maßnahmen der Soforthilfe sollten mit den zur Verfügung gestellten Dokumenten die Hersteller an genau diesem Punkt entlasten.
Abgesehen von der Technischen Dokumentation habe es auch Vorstufen für andere Dokumente gegeben, wie beispielsweise einen Mustervertrag für die Zusammenarbeit mit Kliniken, um die Anforderungen zu klinischen Studien sowie zur Marktüberwachung zu erfüllen. Ein weiteres Beispiel seien Verträge, die zwischen Herstellern und ihren Zulieferern zum Thema Qualitätssicherung mit der MDR erforderlich werden. „Vor allem die englischsprachigen Versionen waren hier sehr gefragt.“ Einen Teil des Inputs haben die Fachleute von der BW Soforthilfe auch via Internet bereitgestellt.
Bereich Regulatorik bei Biopro ist weiterhin Anlaufstelle
Inzwischen ist das Programm selbst in Baden-Württemberg ausgelaufen. Die Themen sind laut Jonischkeit aber noch nicht vom Tisch. Bei Biopro wird es daher auch weiterhin einen Bereich Regulatorik geben, der die begonnene Arbeit fortsetzt und Ansprechpartner für die Unternehmen bietet – wenn auch alles in etwas kleinerem Rahmen als im Soforthilfeprogramm. In Nordrhein-Westfalen gebe es inzwischen unternehmensindividuelle Fördermöglichkeiten, die Medizinproduktehersteller in Anspruch nehmen können, die sich zu MDR-Fragen beraten lassen möchten.
Dokumente, die als Basis zur technischen Dokumentation erstellt wurden, sind laut Jonischkeit auch weiterhin verfügbar und können von Unternehmen mit Firmensitz in anderen Bundesländern ebenfalls verwendet werden. Zu haben sind sie, wie auch schon während der Laufzeit des Programms, gegen eine Gebühr.
Übergangsfristen: Verschiebung willkommen, aber unwahrscheinlich
Und wie läuft es derzeit? Weitere Terminverschiebungen in Zusammenhang mit der MDR hielte Jonischkeit zwar für sinnvoll, da ja bisher nur der Geltungsbeginn der Medical Device Regulation um ein Jahr nach hinten verlegt wurde. Die Übergangsfristen seien hingegen die gleichen geblieben. „Dass sich nochmal etwas Nennenswertes ändert, halte ich aber für sehr unwahrscheinlich.“
Ein Trost allerdings sei, dass sich manche „heißen Themen“, für die sich viele Unternehmen zunächst brennend interessierten, innerhalb einiger Monate in ganz ruhige Bahnen entwickelt hätten. Ein Beispiel sei die Definition der Zweckbestimmung. Was zunächst wegen zahlreicher Unsicherheiten auf allen Seiten „ein Aufreger“ war, habe sich durch die Erfahrungen, die Unternehmen wie auch Benannte Stellen mit den ersten Konformitätserklärungen gemacht haben, als handhabbar erwiesen. Eine ähnliche Entwicklung sei auch für das Thema UDI und Eudamed zu erwarten, die derzeit viele umtreiben und auch viele Fragen an die Fachleute generierten.
Medinische Software wird die Branche noch beschäftigen
Um die Medizinische Software hingegen sei es bisher noch ruhig geblieben. „Da ist aber noch längst nicht alles zu Ende diskutiert“, sagt Jonischkeit mit Verweis auf die mit dem Artificial Intelligence Act (AIA) kommende Gesetzgebung zum Thema KI.
KI in der Medizin: Was Medical Device Regulation und der Artificial Intelligence Act fordern
Die Biopro-Fachfrau rechnet daher damit, dass dieser Bereich „uns noch eine Weile beschäftigen wird“. Denn: „Wenn zum Beispiel, wie es bisher laut MDR vorgeschrieben ist, jede Veränderung nicht nur dokumentiert, sondern praktisch auch neu zugelassen werden muss, dann passen Produkt und Regulation hier noch nicht wirklich zusammen.“ (op)