Eine gewisse Routine hat sich nach den ersten MDR-Audits vor zwei Jahren eingestellt. So fasst Andreas Hilzenbecher, der als Qualified Person bei Ulrich Medical in Ulm mit allen Belangen rund um die EU-MDR zu tun hat, seine ersten Erfahrungen zusammen. Eine Produktgruppe sei bereits nach der neuen Verordnung zertifiziert, zwei weitere werden die Hürde voraussichtlich im Mai genommen haben. Damit sind laut Hilzenbecher dann etwa ein Drittel der Zertifizierungen geschafft. „Wir hoffen, dass es mit den verbleibenden Systemen etwas schneller geht“, sagt er.
MDCG-Paper brachten neue Zuordnung zu Risikoklassen gemäß EU-MDR
Doch gebe es immer wieder Überraschungen und Änderungen, die auch den Zeitplan durcheinanderwirbeln. Ein Beispiel: Für Wirbelsäulenimplantate, wie sie das Ulmer Unternehmen herstellt, war zunächst die Annahme, dass sie der Klasse IIb zugeordnet sein würden. Das hätte bedeutet, dass ein Sampling bei der Zertifizierung zulässig gewesen wäre. „Wir gingen lange davon aus, dass wir Produkte der Klasse IIb bei der Benannten Stelle anmelden würden“, sagt Hilzenbecher. „Aber dann kam Ende 2021 mit einem neuen MDCG-Paper die Erkenntnis, das sich die Zuordnung geändert hat und unsere Produkte in die Klasse III gehören. Damit muss jedes einzelne Produkt bei der Benannten Stelle vorgelegt werden.“
Wenn Informationen der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte (MDCG) so spät kämen, bedeute das für die Unternehmen eine Menge zusätzlichen Aufwand. Und auch Kosten, denn eine Zertifizierung in der höheren Klasse schlage mit 40 000 bis 80 000 Euro zu Buche.
MDR-Zeitplan lässt kaum Zeit für neue Produkte und deren Zertifizierung
Und wie sieht es mit den Fristen aus? Als Zeitrahmen bis zum Zertifikat veranschlage die Benannte Stelle zwölf bis 18 Monate. „Um bis Mai 2024, also zum Ablauf der Übergangsfrist, alle Phasen abzuschließen, muss man seine Zeitplanung gut mit der Benannten Stelle abstimmen“, betont der MDR-Fachmann. Für Ulrich Medical werde das alles schon klappen, „muss ja“, sagt er – aber es sei durchaus eine Herausforderung. Zeit für Neuentwicklungen oder gar deren Zertifizierung bleibe unter diesen Bedingungen kaum.
Was die Arbeit ebenfalls nicht gerade erleichtert, sind Veränderungen bei den normativen Vorgaben zu wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten aus der Klasse Ir und implantierbaren Produkten. Seine Sparte chirurgische Instrumente hat Ulrich Medical zwar schon 2017 verkauft, aber für die Anwendung der Wirbelsäulenimplantate sind spezielle Instrumente immer noch im Programm. Für diese müssen die Ulmer nun aufgrund von Normänderungen zusätzliche Nachweise zur Biokompatibilität vorlegen. Allerdings sind laut Hilzenbecher gar keine Laborkapazitäten verfügbar, um diese auch erbringen zu können. „Wir haben derzeit Wartezeiten von bis zu einem Jahr.“
Zwölf Monate mehr Zeit wären durchaus willkommen
Und während die pandemiebedingte Verschiebung des Geltungstermin für Ulrich Medical keine Rolle gespielt hat – weil alles vorbereitet war und auch nach dem ursprünglichen Ablaufplan erledigt werden konnte –, wäre eine Verlängerung der Übergangsfrist jetzt doch noch wünschenswert. „Zwölf Monate mehr Zeit“, sagt Hilzenbecher. Damit wäre nicht nur den Medizintechnik-Unternehmen geholfen, sondern auch dem Gesundheitssystem. „Denn das Ziel ist ja, die Versorgungssicherheit zu erhalten.
Was solche relativ kurzfristigen Änderungen von Fristen angehe, sei das MDR-System aber wahrscheinlich zu starr. Für Anpassungen an neue Themen und Technologien wie 3D-Druck, KI und Cybersecurity sei beispielsweise die FDA sehr flexibel und könne die Vorgaben mittels Guidances rasch anpassen. „Unser System in der EU bräuchte dafür vermutlich drei Jahre länger.“ (op)
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