Die Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) erwarten für 2024 nur noch einen Umsatzanstieg von 1,2 % in Deutschland. Das ist ein Ergebnis aus der BVMed-Herbstumfrage, die der Geschäftsführer des Verbandes und Vorstandsmitglied Dr. Marc-Pierre Möll im Oktober in Berlin vorgestellt hat. Die Erwartungen bleiben damit deutlich unter dem Vorjahr: 2023 lag der entsprechende Wert bei 4,8 %. Die erwartete weltweite Umsatzentwicklung schneidet hingegen mit einem Plus von 3,5 % ab.
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Der jährliche Gesamtumsatz der Medtech-Branche liegt bei über 40 Mrd. Euro, sagte der neue Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed), Mark Jalaß. Würden Kleinbetriebe mitberechnet, seien es sogar über 55 Mrd. Euro.Die Branche sei Exportweltmeister, habe zahlreiche „Hidden Champions“ und weise eine Exportquote von rund 68 % auf. Mit Blick auf den Umsatz führte Jalaß aus: „Wir sind damit die Nummer 1 in Europa und Nummer 2 in der Welt hinter den USA.“
Weniger Gewinnsteigerungen in der Medizintechnik erwartet
Aufgrund der anhaltenden Kostensteigerungen erwarten allerdings nur noch 10 % der BVMed-Mitglieder der Umfrage zu Folge in diesem Jahr Gewinnsteigerungen gegenüber dem Vorjahr. Die Investitionen am Standort Deutschland gehen entsprechend zurück. Auch der Innovationsklima-Index des BVMed bleibt auf einem Tiefpunkt. Dennoch steht die Branche für 265 000 Arbeitsplätze in Deutschland, weshalb Verband sie auch als „Jobmotor“ bezeichnet.
Innovationsklima-Index des BVMed auf dem Tiefpunkt
Auf einer Skala von 0 (sehr schlecht) bis 10 (sehr gut) bewerten die Unternehmen das Innovationsklima für Medizintechnik in Deutschland im Durchschnitt mit 3,6. Das ist eine nur leichte Verbesserung vom bisherigen Tiefstwert aus dem Vorjahr. Als innovativste Forschungsbereiche schätzen die Unternehmen die Kardiologie (31 %), Onkologie (30 %), Diagnostik (21 %) sowie Neurologie (20 %) ein.
30 % der befragten Unternehmen gaben an, ihre Investitionen gegenüber dem Vorjahr zu verringern. Dieser Wert steigt seit Jahren kontinuierlich an. Ein Drittel der befragten Unternehmen verlagern Investitionen ins Ausland, davon 16 % in die USA und 13 % ins EU-Ausland. „Der Medizintechnik-Standort Deutschland verliert weiterhin deutlich an Attraktivität“, stellte BVMed-Geschäftsführer Möll fest.
Der wichtigste Grund für die angespannte Geschäftssituation der Unternehmen sind laut BVMed-Umfrage die stark steigenden Kosten am Standort Deutschland. 78 % der befragten Medtech-Unternehmen beklagen sich über den zunehmenden bürokratischen Aufwand. 72 % nennen die gestiegenen Personalkosten als größtes Problem. Für jeweils 66 % der Unternehmen sind die steigenden Kosten für Logistik und Transport sowie die gestiegene Zertifizierungskosten durch die MDR-Implementierung die größte Hürde.
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Medtech-Unternehmen fordern laut BVMed Abbau der Bürokratie
Die in der Umfrage vertretenen Medtech-Unternehmen erwarten von der Politik einen Bürokratieabbau durch ein Belastungsmoratorium, die Weiterentwicklung und Verbesserung der MDR sowie eine Medtech-Strategie, um den Standort Deutschland zu stärken und resilient zu gestalten.
Der Vorstandsvorsitzende Mark Jalaß forderte in diesem Zusammenhang von der Bundesregierung, eine eigenständige Medtech-Strategie mit ressortübergreifend abgestimmten Maßnahmen. „Das im Koalitionsvertrag enthaltene Versprechen, den Medtech-Standort Deutschland zu stärken, muss endlich umgesetzt werden“, so Jalaß. „Wir brauchen ein klares Bekenntnis der Politik zum Medizintechnik-Standort Deutschland. Medtech muss in allen Versorgungsbereichen und Reformvorhaben berücksichtigt werden
Für Deutschland gibt es in der Umfrage aber auch positive Bewertungen: Dazu nennen die befragten Medtech-Unternehmen zum Beispiel zu 71 % die gute Infrastruktur, wie die Verkehrswege, sowie die gut ausgebildeten Fachkräfte (68 %).
Nachhaltigkeit wird in der Medizintechnik zum Thema
Auf Fragen zu nachhaltigkeitsbezogenen Aktivitäten gaben 65 % der befragten BVMed-Mitglieder an, nachhaltige Arbeitsbedingungen geschaffen zu haben und zu pflegen. Dazu gehören Maßnahmen des Arbeitsschutzes, die Förderung von Diversität oder gleiche Löhne. 62 % gaben an, Aktivitäten zur Emissionsreduktion und Ressourcenschonung im Produktionsumfeld etabliert zu haben. Dabei geht es beispielsweise darum, den Wasserverbrauch zu senken, die Energieeffizienz zu steigern oder erneuerbare Energien besser zu nutzen.
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Was die Medizintechnik an der EU-MDR gern geändert sähe
Die Zeiten, in denen das europäische Regulierungssystem für Medizinprodukte dem US-amerikanischen FDA-System überlegen war, sind nach den Ergebnissen der Umfrage lange vorbei. Eine deutliche Mehrheit von 67 % der Unternehmen präferiert das FDA-System.
Die europäische Medical Device Regulation, die EU-MDR, muss nach Meinung der teilnehmenden Unternehmen dringend weiterentwickelt und verbessert werden. 83 % der Unternehmen wünschen sich dabei vor allem weniger Bürokratie. 65 % erwarten vorhersehbare und klare Fristen, 57 % berechenbare Kosten.
Neben der Großbaustelle MDR beklagen die BVMed-Mitglieder auch zunehmend die fehlende Konsistenz nationaler und europäischer Regelungen zu umweltrechtlichen Auflagen und nachhaltigkeitsbezogenen Berichtspflichten.
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Fachkräfte für die Medizintechnik sind gesucht
Trotz der Krisen und steigenden Kosten schafft die Medizintechnik in Deutschland weiter Arbeitsplätze. 32 % der Unternehmen, die sich an der BVMed-Herbstumfrage 2024 beteiligten, erhöhen die Zahl der Mitarbeiter gegenüber dem Vorjahr. 42 % halten die Zahl der Stellen stabil.
Die Berufsaussichten für Fachkräfte in der Medtech-Branche sind dabei weiter ausgezeichnet. Gesucht werden vor allem Ingenieur:innen (34 % ), lernende kaufmännische Berufe und Medizintechnike (jeweils 29 %). Auch Pflegekräfte, Informatiker und Data Scientists sowie Naturwissenschaftler sind gefragt.
Zur BVMed-Herbstumfrage
Der BVMed führte bei seinen Mitgliedsunternehmen im August und September 2024 eine umfassende Online-Befragung durch. Von den ordentlichen 216 BVMed-Mitgliedern haben sich 127 Unternehmen beteiligt, darunter alle größeren Hersteller von Medizinprodukten aus Deutschland und den USA. An der BVMed-Umfrage nahmen
- zu 80 % Hersteller,
- zu 19 % Handelsunternehmen,
- zu jeweils 13 % Zulieferer, Hilfsmittel-Leistungserbringer und Homecare-Versorger sowie
- zu jeweils 3 % DiGA-Hersteller und Software-/Datenservice-Unternehmen teil.
Zwei Drittel Unternehmen, die sich an der Umfrage beteiligten, haben ihren Hauptsitz in Deutschland. Auf die USA als Hauptsitz entfallen 13 %, und 17 % sind im europäischen Ausland ansässig.