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„Ingenieur m/w“ reicht nicht

Recruiting: Wie man alle geeigneten Fachleute anspricht
„Ingenieur m/w“ reicht nicht

„Ingenieur m/w“ reicht nicht
Frauen lesen die Ausschreibungen genauer als Männer – daher lässt sich mit geschickten Formulierungen die weibliche Zielgruppe erreichen, ohne die männlichen Interessenten abzuschrecken Bild: Fotolia/weseetheworld
Wenn eine Stellenausschreibung die männlichen Stereotype zu stark betont, bleiben Bewerbungen von Frauen aus. Schade – denn vielleicht entgeht dem Unternehmen damit die beste Besetzung. Wie es besser geht, haben Forscherinnen der TU München aus einer Studie abgeleitet.

Haben Sie nur wenige Kolleginnen, und bewerben sich erstaunlich wenige Frauen auf offene Stellen in Ihrem Unternehmen – vielleicht sogar deutlich weniger, als man angesichts des Geschlechterverhältnisses im Studium vermuten würde? Dann lohnt es sich vielleicht, über Kleinigkeiten in den Ausschreibungen nachzudenken. Denn ein geringer Anteil an Bewerberinnen muss nicht zwingend darauf zurückzuführen sein, dass es zu wenig Fachfrauen gibt. Der Grund könnte auch sein, dass die Ausschreibungen nicht so formuliert sind, dass sich eine Frau tatsächlich auf die Position bewirbt.

Das zeigen Ergebnisse, die Wissenschaftlerinnen der TU München (TUM) im Rahmen einer Studie erhalten haben. Ihre Erkenntnis: In dem Teil der Ausschreibungen, in dem es um die gewünschte Persönlichkeit der zukünftigen Mitarbeiter geht, haben selbst Kleinigkeiten einen Effekt. Das haben Tests mit 260 Personen belegt. Diese bekamen in der Studie fiktive Anzeigen vorgelegt. Ausgeschrieben wurde beispielsweise ein Platz in einem Qualifizierungsprogramm für angehende Führungskräfte. Waren in der Ausschreibung viele Eigenschaften genannt, die traditionell mit Männern in Verbindung gebracht werden – also zum Beispiel „durchsetzungsstark“, „selbstständig“, „offensiv“ und „analytisch“ –, fühlten sich Frauen weniger angesprochen und wollten sich seltener bewerben. Positiver reagierten sie auf andere Begriffe, wie zum Beispiel „engagiert“, „verantwortungsvoll“, „gewissenhaft“ und „kontaktfreudig“. Und in einer Studie von Dr. Lisa K. Horvath von der RWTH Aachen und Prof. Dr. Sabine Sczesny von der Universität Bern zeigte sich, dass selbst die Bezeichnung der Position eine Rolle spielt: Wer auf die maximale Schriftgröße in der Anzeige verzichtete und Projektmanager/Projektmanagerin in die Aussschreibung setzte, erreichte die weiblichen Fachleute deutlich besser als mit der Kurzform „Projektmanager m/w“.
Dass die Abkürzung derzeit ebenso dominiert wie klassische Formulierungen zu den „durchsetzungsstarken“ Führungskräften, zeigt ein Blick in die Jobbörsen. „Die Wortwahl erfolgt aber in der Regel unbewußt“, sagt Dr. Susanne Braun, eine der Wissenschaftlerinnen von der Professur für Forschungs- und Wissenschaftsmanagement der TUM, die an der Studie mitgearbeitet haben. Man orientiere sich meist am bestehenden Prozess und vorliegenden Beispielen. „Allerdings“, betont die Forscherin, „ist in den Personalabteilungen jetzt ein Umdenken erkennbar. Die Verantwortlichen wollen im Arbeitsmarkt alle geeigneten Personen ansprechen, und unsere aus der Studie abgeleiteten Empfehlungen werden gut aufgenommen.“ Diese Tipps sind inzwischen in einer Broschüre zusammengefasst. Seit Anfang 2014 wurden die Möglichkeiten bereits in Workshops diskutiert, in denen die Teilnehmer „das eine oder andere Aha-Erlebnis hatten“, wie es Braun beschreibt.
Denn um sowohl potenzielle Bewerber als auch Bewerberinnen anzusprechen, sind nicht etwa zwei unterschiedliche Texte erforderlich: Für männliche Testpersonen machten die Details der Ausschreibung gar keinen Unterschied. Die Probanden nahmen auch Angebote in die engere Wahl, in denen kontaktfreudige und engagierte Führungskräfte gesucht wurden.
Dass die Männer an dieser Stelle nicht so auf Einzelheiten achten, wird von einer anderen Untersuchung bestätigt: einer Eye-Tracking-Studie der Jobbörse Jobware, die in Kooperation mit Useye im Rahmen einer bundesweiten Roadshow erhoben wurde. Hierfür haben 151 Männer und 79 Frauen 150 Stellenanzeigen gelesen. Ihre Augenbewegungen und Aussagen wurden aufgezeichnet und analysiert. Ergebnis: Frauen beschäftigten sich intensiver mit dem Anforderungsprofil in Stellenanzeigen. Von den ersten 5 s, die sie die Anzeige betrachten, verwenden sie 2,34 s auf die Abschnitte mit den Anforderungen. Männer schauten da im Durchschnitt schon nach 1,17 s weg, wollten sich auch auf Stellen bewerben, bei denen die Anforderungen ihre Qualifikation überstiegen und hatten sich beim Blick auf eine typische Trefferliste schon nach 13 Betrachtungen für einen Job entschieden.
Die potenziellen Bewerberinnen hingegen klickten im Schnitt 19 Jobs an und verglichen sie. Stellentiteln, die besonders männlich, respekteinflößend oder antiquiert wirken, wichen sie aus. „Wer hoch qualifizierte Frauen gewinnen will, sollte die Stellenanzeigen sorgfältig formulieren”, rät denn auch Dr. Wolfgang Achilles, Geschäftsführer bei Jobware. Ein Verzicht auf Schlüsselbegriffe wie „Kommunikationsfähigkeit” und „flexible Arbeitszeiten” lasse typisch weibliche Fähigkeiten und Interessen außen vor.
Die Frage der Wortwahl stellt sich übrigens bei Jobs auf allen Ebenen. „Wir erforschen zwar derzeit die Angebote für Führungspositionen“, sagt Dr. Braun von der TU München. „Die Stereotype und die negative Wirkung auf Bewerberinnen funktionieren aber genauso, wenn es um Fachkräfte oder Projektmanager geht.“ Die sachliche Beschreibung der Aufgaben und die Vorstellung des Unternehmens in der Ausschreibung seien hingegen neutrales Terrain und bieten sogar Ausgleichspotenzial. „Wenn man auf typisch männlich-assoziierte Begriffe bei den Andforderungen nicht verzichten will oder kann, lassen sich die für die Bewerberinnen wichtige Aspekte im Zuge des Employer Branding sehr gut in den Vordergrund stellen“, empfiehlt Braun.
Den potenziellen Bewerberinnen rät Braun darüber hinaus, sich von – vermutlich eher aus Gewohnheit gewählten – Formulierungen nicht abschrecken zu lassen, sondern sich dennoch zu bewerben und ein eigenes Bild vom Unternehmen zu machen. „Oder holen Sie sich Feedback aus dem Bekanntenkreis: Vielleicht sehen diese Ihre Fähigkeiten viel näher am Anforderungsprofil, als Sie selbst es von sich gedacht haben.“
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen In der kostenlosen Broschüre „Gendergerechte Personalauswahl“ sind die Empfehlungen zusammengefasst. Kontakt: s.braun@tum.de Zum Lehrstuhl für Forschungs- und Wissenschaftsmanagementan der TUM: www.rm.wi.tum.de

Ihr Stichwort
  • Recruiting
  • Wahrnehmung der Anzeigen
  • Optimieren der Ausschreibungen
  • Ansprechen männlicher und weiblicher Fachkräfte

  • Was Ingenieure wollen
    In einer Eye-Tracking-Studie in Kooperation mit Useye hat die Jobbörse Jobware auch untersucht, wie Bewerber unterschiedlicher Fachrichtungen auf Inserate reagieren. Informatiker und Ingenieure zum Beispiel lesen Online-Stellenanzeigen nicht mehr linear von oben nach unten. Vielmehr springen ihre Augen bei jedem Jobinserat kreuz und quer über den Text. Nur 34 % lesen auch das Ende des Textes.
    „Wer sicherstellen will, dass Informatiker und Ingenieure die Inhalte einer Stellenanzeige richtig wahrnehmen, sollte Querlesen unterstützen und die wesentlichen Informationen deutlich hervorheben, zum Beispiel durch Zwischenüberschriften, Bulletpoints und zweispaltige Anzeigen”, so Dr. Wolfgang Achilles, Geschäftsführer bei Jobware. Querleser, die sehr selektiv kontraststarke Informationen ansteuern, schätzten kurze und knackige Texte. Wer hier auf lange Fließtexte ohne Hervorhebungen setze, überlasse es dem Zufall, welche Informationen die Leser erreichen.
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