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China: Medizintechnik-Zulieferer sollten jetzt aktiv werden

Gesundheitsmarkt China
Medtech-Zulieferer: Jetzt in den chinesischen Markt einsteigen

Der aktuelle Fünfjahresplan, den die chinesische Regierung kürzlich beschlossen hat, sieht vor, die eigene Wirtschaft weiter konsequent zu stärken. Um zum Beispiel Medizinprodukte herzustellen, sind Komponenten, Maschinen und Automatisierungstechnik gefragt. Warum jetzt für Zulieferer der passende Moment ist, in den Markt einzusteigen, und was es dabei zu beachten gilt, erläutern Diethelm Carius und Niklas Kuczaty von der AG Medizintechnik im VDMA.

Dr. Birgit Oppermann
birgit.oppermann@konradin.de

Herr Kuczaty, Herr Carius, vor Corona war der chinesische Markt ein wichtiges Thema für hiesige Unternehmen. Wie groß ist das Interesse nach gut einem Jahr Pandemie?

Kuczaty: Die Pandemie hat zwar in den vergangenen Monaten großen Raum eingenommen und tut das auch immer noch. Das Interesse, das Industrieunternehmen am Markt China haben, ist davon aber kaum berührt. Natürlich hat sich durch die Verbreitung des Virus vieles erschwert. Wer eine Anlage in China betreiben will, kann derzeit keine Fachleute für die Inbetriebnahme oder Wartung entsenden, und ich glaube auch nicht, dass es dieses Jahr möglich sein wird, für eine Messe aus Europa anzureisen. Aber den riesigen Markt für Produktionsmittel und fertige Produkte gibt es ja immer noch. Selbst wenn es jetzt für ein Jahr und länger Einschränkungen gibt, ist die mittelfristige Perspektive nach wie vor vorhanden.

Carius: Die Anbieter aus Europa profitieren in China von ihrem guten Ruf bei allen Hightech-Themen. Und gerade jetzt ist der Zeitpunkt, sich um den chinesischen Markt zu kümmern. Wie es die Regierung vorgibt, bereitet sich das Land darauf vor, möglichst viele Produkte im Inland herzustellen. Bei Midtech-Themen ist China heute auf dem weltweiten Stand und braucht kaum noch Partner von außen. Wenn die Strategie, eigenes technisches Know-how aufzubauen, erfolgreich fortgesetzt wird, werden es Unternehmen aus anderen Ländern in den kommenden fünf bis zehn Jahren erheblich schwerer haben, dort Fuß zu fassen.

Wie bewerten Sie den Medizintechnik-Markt in China?

Kuczaty: Es gibt meines Wissens keine konkreten Zahlen, die offiziell veröffentlicht wurden. Aber die Einschätzungen gehen dahin, dass China schon heute nach den USA weltweit der zweitgrößte Hersteller von Medizinprodukten ist und die dortige Produktion das Angebot aller europäischen Länder übersteigt. Mit der Initiative Made in China, also dem Bestreben, möglichst viele Produkte im Land zu fertigen, wird die Bedeutung der Volksrepublik im internationalen Vergleich weiter wachsen. Und es werden für die Umsetzung dieser Produktionspläne Maschinen und Anlagen gebraucht. Bisher haben die europäischen Zulieferer hierbei immer noch einen Vorsprung. Die weitere Entwicklung im Detail einzuschätzen, war aber schon vor zehn Jahren schwierig und ist es auch für die Zukunft. Daher ist die Frage nach einem unternehmerischen Engagement in China immer eine strategische, die wegen der Risiken gut überlegt sein muss.

Welchen Aufwand muss ein Unternehmen betreiben, um in China aktiv zu werden?

Kuczaty: Auf jeden Fall deutlich mehr, als man das sonst von internationalen Märkten gewohnt ist. Ein erster Schritt kann die Teilnahme an einer Messe sein. Hochwertige Technik ist für die Besucher immer interessant. In China ist es aber besonders wichtig, dass jemand am Stand ist, der chinesisch spricht und dem man das idealerweise auch schon ansieht. Dann lässt sich schnell ein Kontakt herstellen. Andernfalls wir die Hürde von den Besuchern als sehr hoch empfunden. Aber selbst mit einem ersten guten Gespräch ist noch lange kein Abschluss erreicht. Derzeit gilt zum Beispiel die Regelung, dass es bei Geschäftsbeziehungen immer einen chinesischen Partner geben muss, und meist ist bei allen Verhandlungen auch jemand von den örtlichen Behörden dabei und beeinflusst diese auch. Umgekehrt treffen chinesische Unternehmen, die in Europa aktiv werden wollen, nicht auf Einschränkungen dieser Art. Wie sich dieses Ungleichgewicht verändern lässt, wird derzeit auf politischer Ebene verhandelt. Erste Schritte sind gemacht, aber eine grundlegende Änderung der Situation ist in nächster Zeit nicht zu erwarten. Darauf muss man sich einstellen, wenn man in China aktiv werden will.

Für welche Art von Unternehmen ist der Markt denn interessant?

Carius: Für ein kleines oder mittleres Unternehmen, das lediglich kurz- oder mittelfristig eigene Produkte nach China verkaufen will, lohnt sich der Aufwand eigentlich nicht. Diese Art von Geschäftsbeziehung ist auch seitens der Chinesen nicht erwünscht. Interessant wird es bei einer Strategie, die ein langfristiges Engagement und eigene Produktionsstätten in China vorsieht. Dann wird der Hersteller eher als chinesisches Unternehmen wahrgenommen, was von Vorteil sein kann. Wirtschaftlich wird es besonders dann spannend, wenn das Unternehmen ein technisches Alleinstellungsmerkmal hat – und je mehr Prozess-Know-how im Produkt steckt, desto besser. Allerdings sollte der Schutz des eigenen Know-hows gegen unerlaubtes „Kopieren“ dabei nicht vernachlässigt werden.

Kuczaty: Wenn dann der Entschluss gefallen ist, in China aktiv zu sein, müssen die Grundlagen schnell geschaffen werden. Dann reicht die Zusammenarbeit mit einem Übersetzer nicht mehr aus, sondern es muss jemand ins Spiel kommen, der vor Ort ist, den lokalen Markt gut kennt und ohne Zeitverschiebung agieren kann. Umgekehrt ist der chinesische Markt aber auch so groß, dass sich dieser Aufwand lohnen kann.

Gelegentlich wird berichtet, dass chinesische Auftraggeber hohe Erwartungen haben: Die Aufträge sollen schnell ausgeführt und Leistungen günstig angeboten werden, wobei gleichzeitig Änderungswünsche als selbstverständlich gelten. Deckt sich das mit Ihren Beobachtungen?

Kuczaty: Diese Einstellung kann man schon recht häufig finden. Sie ist auf jeden Fall deutlich stärker ausgeprägt als in der EU. Das ändert sich allerdings gerade, wenn auch bisher in kleinen Schritten. Gerade in der Medizintechnik, wo auch aus regulatorischer Sicht hohe Anforderungen gestellt werden, setzt sich die Erkenntnis durch, dass ein Unternehmen seinen Aufwand auch in Rechnung stellen muss. Umgekehrt lernen auch die europäischen Anbieter schnell dazu und arbeiten sich nicht lange an Auftraggebern ab, die den Preis immer weiter verhandeln wollen.

Sie haben Gemeinschaftsstände deutscher Maschinenbauer auf der Medtec China in Shanghai organisiert. Welche Erfahrungen haben Sie dort gemacht?

Carius: Die von Informa Markets jährlich organisierte Messe Medtec China ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Die Besucherzahl hat sich seit 2017 verdoppelt: 2020 wurden 36000 Besucher gemeldet. Wir haben dort mit den ausstellenden Unternehmen positive Erfahrungen gemacht und sehen die Medtec China als gute Gelegenheit für einen Einstieg. Allerdings haben die Aussteller an unserem Gemeinschaftsstand auch mehr Aufwand betrieben, um sich zu präsentieren, als es bei vielen europäischen Messen an asiatischen Ständen zu sehen ist.

Kuczaty: Die Veranstaltung wird auch dieses Jahr stattfinden, im September. Die Gelegenheit, sich zu präsentieren, ist wegen der Pandemie aber eingeschränkt. Nur Unternehmen, die Mitarbeiter in China beschäftigen, werden durch diese vertreten sein können.

Welche weiteren Messen kommen für einen Einstieg in den chinesischen Markt in Frage?

Kuczaty: Für die Medizintechnik relevant sind auch die CMEF – China International Medical Equipment Fair, die zweimal jährlich im Frühjahr und Herbst an wechselnden Standorten stattfindet – im Mai 2021 zum Beispiel in Shanghai. Die Veranstaltung ähnelt im Prinzip der Medica in Düsseldorf. Die Messe Düsseldorf wiederum organisiert seit 2016 mit einem chinesischen Partner die Messe Medical Fair China in Suzhou, die vom Herbst 2020 auf September 2021 geschoben wurde.

Welchen Einfluss hat die Coronavirus-Pandemie auf die Entwicklung des chinesischen Marktes?

Kuczaty: Da kaum offizielle Zahlen zur Produktion oder zum Zustand des chinesischen Gesundheitswesens in der Pandemie vorliegen, ist das von Europa aus im Grunde schlecht zu beurteilen. Wie es scheint, reichen lokale Shutdowns aus, um das Virus in China einzudämmen.

Carius: Unabhängig von der Pandemie ist mittel- bis langfristig damit zu rechnen, dass sich die Produktionsweise in China verändern wird. Durch die Ein-Kind-Politik ist der Anteil an jungen Menschen in der Bevölkerung über Jahre hinweg gesunken, und in einigen Jahren wird auch in China der demographische Wandel ähnliche Folgen haben wie in Japan oder Europa: Der Anteil an Menschen, die über 65 Jahre alt sind, wird deutlich steigen. Damit werden weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, die höhere Löhne und Gehälter bekommen als noch vor ein paar Jahren. Automatisierte Produktion und Digitalisierung werden dann wichtiger. Die Zeit, in der China als verlängerte Werkbank der Welt galt, ist im Grunde schon vorbei, und auch chinesische Unternehmen verlagern ihre Produktionsstandorte bereits nach Südostasien, zum Beispiel nach Vietnam, oder nach Afrika.


Kontakt zur AG Medizintechnik im VDMA:

VDMA – Arbeitsgemeinschaft Medizintechnik
Lyoner Straße 14
60528 Frankfurt am Main
medtec.vdma.org

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