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Mit Digas bestehende Lücken in der Versorgung schließen

Digitalisierung
Mit Digas bestehende Lücken in der Versorgung schließen

Digitale Gesundheitsanwendungen (Digas) sollen künftig bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten helfen. Seit Dezember 2019 ist ihr Einsatz durch das Digitale-Versorgungsgesetz geregelt. Doch welche Hürden gilt es zu überwinden, wenn ein Anbieter die Erstattungsfähigkeit seiner Diga erreichen will? Antworten dazu liefern Experten auf der Medtec Live.

Jens Fuderholz
Fachjournalist in Fürth

Seit im Dezember 2019 das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) beschlossen wurde, sind Einsatz und Kostenerstattung der Digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz Digas, gesetzlich geregelt. Die Anwendungen sollen Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensation von Krankheiten, Verletzungen oder Behinderungen möglich machen. Nach dem Startschuss sind die ersten Hersteller mit ihrem Produkt im Diga-Verzeichnis zu finden.

Eine der ersten Zulassungen war „Kalmeda“, eine App, die bei chronischem Tinnitus Leiden helfen soll. Christof Schifferings, Geschäftsführer der Mynoise GmbH, Duisburg, stand schon in den Startlöchern, als das DVG beschlossen wurde: „Wir haben uns gedacht, egal was kommt, wir werden ein umfangreiches und aussagefähiges Dokument vorlegen können. Und so kam es dann auch. Von Anfang war uns klar: Achtung, wir wollen ein Medizinprodukt programmieren. Wir müssen von Beginn an bei der Entwicklung die Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit aber insbesondere auch die Dokumentationspflichten beachten.“

Ein Grund dafür, dass Vorreiter Schifferings bei der Zulassung wenig Probleme hatte, war die frühe Auseinandersetzung mit den Kriterien und die Zusammenarbeit mit Ärzten und Psychologen. Denn es snd die Mediziner, die den Betroffenen die Anwendung empfehlen. „Wir bieten auch Testzugänge für Ärzte an und das funktioniert sehr gut. Unser Ziel ist es, nicht vorbei an den Ärzten, sondern mit ihnen gemeinsam zu arbeiten. Dazu bekommen wir viele positive Rückmeldungen, auch von Patienten“, so Schifferings.

Eine Schwierigkeit des Formats sieht er zuweilen darin, dass es sich bei Kalmeda um eine Verhaltenstherapie handelt. Nicht jeder Betroffene, der kognitive Fähigkeiten besitzt, kann sein Verhalten den Dingen gegenüber anzupassen, die verantwortlich für seine Beschwerden sind. Mit der richtigen Motivationsstrategie wird jedoch die Hemmschwelle herabgesetzt, sodass sich Erfolgserlebnisse einstellen.

Kalmeda wurde zunächst für ein Jahr auf Probe zugelassen: „Probanden für die Studie zu finden, erwies sich als schwierig. Warum denn an einer Studie teilnehmen, wenn es die App auch kostenlos über die Krankenkasse gibt“, sagt Schifferings. Den Nachweis über den positiven Versorgungseffekt wird der Hersteller voraussichtlich innerhalb des angesetzten Jahres trotzdem erbringen können. Auch hier ist eine frühe Planung wichtig.

Das nach eigener Aussage eher untypische Start-up Mynoise, dessen Geschäftsführer schon einige Jahre an Berufserfahrung haben, ist stolz auf das Erreichte. Eben diese langjährige Berufserfahrung und die unterschiedlichen Qualifikationen im Team machen schnelles Handeln möglich, weshalb die App Kalmeda die erste zugelassene Diga war. Auch zukünftig blickt Schifferings in eine positive Richtung: „Die Digitale Medizin wird in der Zukunft nicht mehr wegzudenken sein. Vor allem füllt sie eben bestehende Lücken in der Versorgung.“

Ganganalyse-App unterstützt Patient und Arzt

Die ‚App auf Rezept‘ ist eine Innovation, die auch die Portabiles Healthcare Technologies GmbH, die bereits Aussteller auf der Medtec Live war, aktuell entwickeln. Eine Diga als Helfer in der Hand des Patienten, soll das Leben von Parkinson-Erkrankten erleichtern. Dafür erstellt Portabiles eine Ganganalyse-Lösung, die zusammen mit einer Patientenmanagement-App digitaler Begleiter für den Patienten sein soll, aber auch den Arzt in der Medikation unterstützt. Das Unternehmen befindet sich derzeit noch im Diga-Entwicklungsprozess. „Die Entwicklung und die Adressierung der regulatorischen Anforderungen dauern etwas länger als ursprünglich geplant. Wir werden aber im Frühjahr dieses Jahres den Antrag einreichen. Wir beantragen eine vorläufige Aufnahme in das Diga-Verzeichnis und führen dann die Evaluationsstudie durch. Diese ist natürlich bereits in Planung“, so Chantal Herberz, Produktmanagerin des Erlangener Start-ups.

Der Grund für die zeitliche Verschiebung? „Das Konzept Diga ist neu und es müssen auf allen Seiten Erfahrungen gesammelt werden, die einige Weiterentwicklungen notwendig machen. Das ist ein bisschen vergleichbar mit dem Zielen auf ein sich bewegendes Ziel. Darauf muss man sich als Hersteller einfach einstellen und das Produkt immer wieder etwas anpassen“, so Herberz. Das ist aber kein Problem für das Start-up.

Worauf Portabiles ebenfalls achten muss, ist die Zielgruppe, sowohl auf Patientenseite als auch auf ärztlicher Seite. Denn diese gehört bei Parkinsonpatienten häufig zu einer älteren Altersgruppe, welcher möglicherweise die technische Affinität für komplexe Anwendungen fehlt. Gute technische Umsetzung, die gleichzeitig simpel ist, wird hier gefordert. Herberz sieht deutlich den Andrang am Markt und blickt zuversichtlich in die Zukunft.

48 Anträge sind bereits beim Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte eingegangen. Eine positive Bilanz, die man nach den ersten paar Monaten seit der Zulassung der ersten Diga ziehen kann.

Medtec Live bietet Austausch zu Zulassung und Technologien

Christopher Boss, Leiter der Fachmesse Medtec Live, weist hierzu auf die Dialogplattform hin: „Die Medtec Live im Frühjahr 2021 bietet die perfekte Möglichkeit, sich über den aktuellen Stand und das Vorgehen anderer Diga-Hersteller auszutauschen, sowie Dienstleister und Sparringspartner als Hilfe für die Zulassung zu finden. Zudem bekommt man einen Überblick über neue Technologien und Innovationen im Medtec Summit.“

Julia Hagen, Director Regulatory and Politics beim Health Innovation Hub (hih), sieht den wachsenden Markt: „Die Hersteller haben immer das Interesse, dass die Anforderungen so leicht wie nur möglich sind, klar. Grundsätzlich hilft aber die Transparenz des Leitfadens und der Kriterien. Die Kunst ist es, eine Balance aus dem Schutz der Patienten und dem einfachen Zugang zum Markt zu finden. Man sieht ja am wachsenden Diga-Verzeichnis, dass es nicht im Bereich des Unmöglichen liegt, aufgenommen zu werden.“

 

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