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Zum Wohle des Patienten

Haftung: Dazu sind die Hersteller von Medizinprodukten verpflichtet
Zum Wohle des Patienten

Hersteller von Medizinprodukten müssen ein hohes und kontrolliertes Schutzniveau gewährleisten. Daher sind Medizin- produkte notwendigerweise mit einer CE-Kennzeichnung zu versehen – das gilt auch für Zusatzkomponenten.

Die CE-Kennzeichnung verdeutlicht das erfolgreiche Durchlaufen des Konformitätsbewertungsverfahrens. Sie stellt somit ein entsprechend hohes Schutzniveau sicher. Dies gilt, wie das OLG Hamburg in seiner Entscheidung vom 24. September 2009 (Az.: 3 U 42/09) feststellt, auch für Zusatzkomponenten. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Fail-Safe-Schalter für eine Röntgenanlage. Solche Zusatzkomponenten stuft das OLG als Zubehör zu einem Medizinprodukt ein, welches zwingend mit einer CE-Kennzeichnung zu versehen sei. In seiner Entscheidung gibt das Gericht zudem eine Leitlinie für Zweifelsfälle vor, in denen unklar ist, ob ein Zubehör oder nur ein Bestandteil eines Medizinprodukts vorliegt, welcher keine eigene CE-Kennzeichnung tragen muss. Im Zweifel wird das Produkt aus Gründen des Patientenschutzes und der Rechtssicherheit als Zubehör im Sinne des Medizinproduktegesetzes (MPG) anzusehen sein, wenn mit der Komponente eigene Funktionen einhergehen. In diesen Fällen ist daher eine CE-Kennzeichnung erforderlich, welche vermittelt, dass dieses Produkt die vom MPG geforderten grundlegenden Anforderungen erfüllt.

Aber allein durch die CE-Kennzeichnung sind nicht alle Probleme im Hinblick auf den Umgang mit Medizinprodukten gelöst. Schwierig zu beurteilen ist die Frage der Haftungsverpflichtung der Hersteller im Schadensfall. Im Gegensatz beispielsweise zum Arzneimittelgesetz enthält das MPG keine spezialgesetzlichen Haftungstatbestände. Daher gelten die allgemeinen Regelungen des BGB und des Produkthaftungsgesetzes. Die Frage der Haftung eines Herstellers für mangelhafte Produkte richtet sich damit grundsätzlich nach dem Stand der Technik im Zeitpunkt der Abgabe an den Erstkunden.
Welche Maßstäbe bei der Beurteilung der Haftung des Herstellers zu beachten sind, hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16. Juni 2009 (Az.: VI ZR 107/08) genauer ausgeführt. Der Hersteller hat vor dem Inverkehrbringen eines Produktes alle erforderlichen Maßnahmen zur Sicherung dieses Produktes durchzuführen. Erforderlich sind nach Auffassung des BGHs diejenigen Sicherungsmaßnahmen, die nach dem im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts vorhandenen neusten Stand der Wissenschaft und Technik möglich sind. Dabei, so führt das Gericht aus, sei der maßgebliche Stand der Technik aber nicht mit Branchenüblichkeit gleichzusetzen, denn die in der Branche tatsächlich praktizierten Sicherheitsvorkehrungen können durchaus hinter der technischen Entwicklung und damit hinter den rechtlich gebotenen Maßnahmen zurückbleiben.
Das Gericht stellte aber fest, dass eine Möglichkeit zur Gefahrvermeidung dann gegeben sei, wenn nach gesichertem Fachwissen der einschlägigen Fachkreise praktisch einsatzfähige Lösungen zur Verfügung standen. Davon könne aber grundsätzlich erst dann ausgegangen werden, wenn eine sicherheitstechnisch überlegene Alternativkonstruktion zum Serieneinsatz reif sei. Der Hersteller sei nicht verpflichtet, Sicherheitskonzepte anzuwenden, die sich noch in der Erprobung befinden.
Bei nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht vermeidbaren Risiken, welche mit der Produktnutzung einhergehen, ist unter Abwägung von Art und Umfang der Risiken, der Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung und des mit dem Produkt verbundenen Nutzens zu prüfen, ob das gefahrträchtige Produkt überhaupt in den Verkehr gebracht werden darf.
Die Frage nach der Zumutbarkeit einer Sicherungsmaßnahme beurteilt sich nach sämtlichen Umständen des Einzelfalls. Als maßgebliche Kriterien sieht der BGH
  • die Größe der vom Produkt ausgehenden Gefahren,
  • die wirtschaftlichen Auswirkungen der Sicherungsmaßnahme sowie
  • die Kosten-Nutzen-Relation an.
Soll das Produkt trotz der möglicherweise auftretenden Gefahren in Verkehr gebracht werden, so obliegen dem Hersteller sowohl Produktbeobachtungs- als auch eingehende Warnpflichten. Der Hersteller hat die Pflicht, die Anwender des Produktes vor denjenigen Gefahren zu warnen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder nahe liegendem Fehlgebrauch drohen, soweit sie nicht zum allgemeinen Gefahrenwissen des Benutzerkreises gehören.
Diese Möglichkeit zur Warnung ist jedoch bei Medizinprodukten aufgrund des Grundsatzes der „integrierten Sicherheit“ als wesentliches Element der grundlegenden Anforderungen gegenüber technischen Sicherungen subsidiär zulässig. Besteht die Möglichkeit einer Gesundheitsverletzung oder einer Verletzung der körperlichen Integrität, was bei der Anwendung fehlerhafter Medizinprodukte nahe liegt, so hat der Hersteller schon dann eine Warnung auszusprechen, wenn aufgrund eines ernstzunehmenden Verdachtes zu befürchten ist, dass Gesundheitsschäden entstehen können.
Eine Haftung des Herstellers ist hingegen ausgeschlossen bei so genannten Entwicklungsfehlern, bei Fehlern des Produktes, die im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkennbar waren, weil die Erkenntnismöglichkeiten nicht weit genug fortgeschritten waren. Entscheidend für die Beurteilung der Gefährlichkeit eines Produktes ist dabei das objektiv zugängliche Gefahrenwissen, nicht die subjektive Erkenntnismöglichkeit des einzelnen Herstellers.
Weitere Informationen www.mp-recht.de

Ihr Stichwort
  • CE-Kennzeichnung
  • Zusatzkomponenten
  • Haftungsverpflichtung
  • Gefahrvermeidung
  • Warnpflichten

  • Der Autor
    Dr. Volker Lücker arbeitet als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht in Essen. Er ist gefragter Referent verschiedener Fortbildungsinstitute und Mitherausgeber der Zeitschrift „Medizinprodukte Journal“ und des Kommentars „Schorn, Medizinprodukterecht“. Kontakt: Kanzlei Lücker MP-Recht, Tel. (0201) 4389000, Kanzlei@MP-Recht.de
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