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Wissen, wo die Nadel im Heuhaufen steckt

Rückverfolgbarkeit: Risiken und Kosten jederzeit im Griff behalten
Wissen, wo die Nadel im Heuhaufen steckt

Im Falle eines Rückrufs zählt das Wissen darum, welches Bauteil in welchem Gerät ist. Software ermöglicht diesen Überblick. Voraussetzung dafür sind klar definierte Prozesse – auch bei Reparaturen oder im Sterilisationskreislauf.

Medizintechnische Geräte sind vor Defekten nicht geschützt. Rückverfolgbarkeit im Fall des Falles hilft, den Schaden zu begrenzen und betroffene Geräte oder Teile schnell zu identifizieren. Moderne IT-Systeme bieten diese Traceability genannte Möglichkeit: Das Product Lifecycle Management (PLM) beispielsweise speichert Entwicklungshistorie und Produktdaten, und Manufacturing Execution Systems (MES) sammeln Daten aus der Fertigung.

Der Umfang der erfassten Daten hängt von der Art des Produkts und seinem Risikopotenzial ab. Gesetzlich vorgeschrieben ist das Vorhalten solcher Unterlagen in Deutschland nur bei bestimmten Geräten, etwa Herzschrittmachern – dort aber bis hin zum einzelnen Patienten. Wer darüber hinaus den amerikanischen Markt bedient, muss die Vorgaben der FDA (Food and Drug Administration) erfüllen, die an die elektronische Datenverwaltung erhebliche Ansprüche stellt und teilweise fordert, Unterlieferanten in die Dokumentation erinzubinden.
„Ähnlich hohe Anforderungen stellt sonst nur der Flugzeugbau“, berichtet Wilfried Gassner, Mitarbeiter im Competence Center bei der Stuttgarter Dassault Systèmes AG. Wer in diesem Feld Software-Unterstützung nutzen wolle, müsse klare Abläufe in der Produktion haben, selbst wenn es nur um Kleinstserien von 20 oder 40 Stück geht. „Ich muss die Produktion exakt abbilden können, um nachzuvollziehen, bei welchem Arbeitsschritt welches Bauteil wie montiert wurde.“ Lösungen wie Smarteam FDA Compliance brächten dafür als PLM-Lösung alle Funktionen mit. Speziell in der Medizintechnik sei derzeit ein Übergang von der handwerklichen zur maschinellen Fertigung zu beobachten, so Gassner weiter. Der Kostendruck zwinge die Hersteller dazu, Baukasten-Komponenten einzusetzen, deren Daten es dann zu verwalten gilt.
Dass es die Aufgabe von PLM-Lösungen ist, „jeden Entwicklungsschritt von der Idee über die Konstruktion bis hin zur Fertigung aufzuzeichnen“, bestätigt auch Klaus Wiedemann, Pressesprecher der Unterschleißheimer Parametric Technology GmbH (PTC). „Ich muss schnell sehen, welche interdisziplinären Auswirkungen eine Änderung hinsichtlich mechanischer und elektrischer Komponenten hat – und dann wissen, wie ich eventuelle Konflikte löse.“ PLM-Systeme wie Windchill speicherten automatisch die Entwicklungshistorie und könnten zu jedem Gerät alle benötigten Spezifikationen liefern. Der so genannte Device Master Record (DMR) enthalte ergänzende Angaben aus der Fertigung und der Lieferkette, wie etwa zur Herkunft von Komponenten.
Wichtig ist deshalb die Integration von IT-Werkzeugen der Fertigung, wie etwa MES-Lösungen. Sie bieten Module für die Rückverfolgbarkeit, wie beispielsweise die MES-Lösung der Guardus Solutions AG aus Zusmarshausen. Diese sorgt für die durchgängige Bauteil-Rückverfolgung via Chargen-, Los- und Seriennummern-Erfassung. „Wird ein Fehler entdeckt, lässt sich der Produktionsprozess entlang der gesamten logistischen Kette bis hin zum Lieferanten zurückverfolgen“, erläutert Simone Kirsch, Vorstand von Guardus Solutions. Diese Bottom-Up-Recherche sei beim Erstellen von Auslieferungszertifikaten hilfreich. Im umgekehrten Fall, der Top-Down-Recherche, weise die Rückverfolgung auf Knopfdruck nach, welche Bauteile in welchem Endgerät verbaut wurden.
In der Umsetzung gibt es aber einen Knackpunkt: Wer sich für eine DV-gestützte, lückenlose Rückverfolgbarkeit entscheide, so Kirsch, müsse sicherstellen, dass die an einem Arbeitsplatz in der Fertigung zu- und abgeführten Materialien zeitnah – also online – im System gemeldet werden. Nur so werde der Bezug zwischen Charge oder Seriennummer und Maschine, Auftrag und den prozessbegleitenden Prüfungen sichergestellt. „Wir lösen dies mit arbeitsprozessorientierten Bildschirmoberflächen.“ Weitere Hilfsmittel seien Barcodes sowie die Radio-Frequenz-Identifikation (RFID).
Ob sich der Aufwand für die Installation solcher IT-Lösungen lohnt, hängt vom Produkt und dem gesetzlichen Rahmen ab. So können Hersteller chirurgischer Instrumente mit Hilfe einer Kosten-Nutzen-Analyse ermitteln, ob für einen Produktrückruf die Losnummer jedes Instruments bei den Kunden bekannt sein muss oder ob alle Produkte eines Typs vom Markt zurückzuziehen sind. „Da hierfür die Artikelnummer ohnehin erfasst werden muss, ist die Losnummer nur ein geringer Mehraufwand“, berichtet Dr. Ingo Haas, Leiter Qualitätswesen und Labor der KLS Martin Group. Die Tuttlinger, die auch Implantate, Elektrochirurgiegeräte, Lasersysteme und OP-Leuchten liefern, setzen ansonsten auf einen Gerätepass. „Damit halten wir den Zustand eines Gerätes bei Auslieferung oder nach Servicearbeiten fest“, erläutert Haas. Was während des Einsatzes passiere, liege dann in der Verantwortung des Betreibers und sei über die Betreiberordnung geregelt.
Für die automatische Identifikation und lückenlose Rückverfolgbarkeit der chirurgischen Instrumente im Sterilgutkreislauf bieten die Tuttlinger ihre Instrumente mit einem zweidimensionalen Code (Datamatrixcode mit HIBC-Datenstruktur) an. Dieser wird per Laserstrahl aufgebracht und macht jedes Instrument zum Unikat. Auch Instrumente, die schon im Einsatz sind, können nachträglich gekennzeichnet werden, mit entsprechender Ausrüstung sogar im Krankenhaus. In Verbindung mit einer Softwareplattform können die Krankenhäuser so eine lückenlose Rückverfolgbarkeit bis zum Patienten sicherstellen.
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen

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