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„Wir stellen Mitarbeiter ein, die kreativ sein wollen“

Innovativer Mittelständler: Wie man sich neben Medtech-Konzernen behauptet
„Wir stellen Mitarbeiter ein, die kreativ sein wollen“

Technologie und nochmals Technologie. Das ist die Strategie, die sich Ziehm Imaging für seine mobilen C-Bögen auf die Fahnen geschrieben hat. Was hinter dem internationalen Erfolg steckt, erläutert Geschäftsführer Klaus Hörndler.

Herr Hörndler, Ziehm Imaging ist als einer der innovativsten Mittelständler Deutschlands ausgezeichnet worden und gilt als Technologieführer in der Branche. Wie ist man so innovativ?

Innovation ist bei uns eine Grundeinstellung, eigentlich schon seit der Unternehmensgründung. Wer sich mit Bildgebung auf der Basis von Röntgenstrahlen befasst, hat große Unternehmen als Wettbewerber. Erfolg kann man unter diesen Voraussetzungen nur haben, wenn man sich differenziert, den Anwendern Mehrwert bietet und die richtigen Mitarbeiter im Team hat. Wir arbeiten immer an neuen Dingen, sind als Mittelständler auch flexibel genug dafür und stellen nur Leute ein, die von sich aus den Wunsch haben, kreativ zu sein, Ideen weiterzuentwickeln und die Verantwortung und Eigeninitiative dazu mitbringen.
Welche Rolle spielen die Prozesse in Ihrem Unternehmen bei den Innovationen?
Wir haben uns natürlich mit den Prozessen befasst, in den vergangenen zehn Jahren sogar besonders intensiv. Da wir uns an den regulatorischen Vorgaben, Gesetzen und Normen orientieren müssen, haben wir uns gefragt, wie wir das am besten auf unser Unternehmen übertragen. Heute können wir sagen, dass wir die Abläufe auf die Spitze getrieben haben. Es gibt keine Entwicklungsabteilung im klassischen Sinn mehr, keine Unterteilung in Konzernzentrale und Produktion. Jede Abteilung zieht von Anfang an mit und ist in die Entwicklung eingebunden. In dieser Prozesslandschaft erhalten wir uns die Flexibilität, kommen mit den aktuellen Innovationen voran und arbeiten zielorientiert.
Lässt sich diese Strategie auf andere Unternehmen übertragen?
Bis zu einem gewissen Grad sicherlich. Wie sind unter anderem Mitglied im Medical Valley Cluster und halten in diesem Rahmen Vorträge zu unserer Struktur und Organisation. Startups, junge Unternehmen oder andere Mittelständler haben großes Interesse daran, und das Feedback ist sehr positiv.
Was ist der technische Kern Ihres Erfolges?
Ein zentrales Thema ist die Usability, getrieben durch die Anforderungen des Marktes. Im OP sind Bilder die Grundlage für Entscheidungen. Und wir müssen den Ärzten nicht nur schnell gute Bilder liefern, sondern ihnen auch den Umgang damit so einfach und angenehm wie möglich machen – oder sogar ganz neue Anwendungen bieten, die sich auf die Bildgebung stützen. Daneben spielt die Kompatibilität unserer Produkte zu Geräten anderer Hersteller eine Rolle und die Vernetzbarkeit untereinander. Der Gedanke hinter den neuen Verfahren oder der beliebigen Kombinierbarkeit der Geräte ist letztlich der wachsende Wunsch nach Kosteneffizienz. Das ist es, was in der Klinik heute zählt.
Wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit Medizinern aus?
Wir haben eine Reihe von Referenzzentren, also Krankenhäuser und Kliniken, die unsere Geräte einsetzen und mit denen wir uns regelmäßig austauschen und strategische Gespräche führen. Intensiver arbeiten wir mit unseren Luminary Sites zusammen. Das sind spezialisierte Zentren, die sich in bestimmten Fachgebieten in ihrer Region einen Namen gemacht haben – seien es die Kardiologie oder Gefäßerkrankungen. Mit den Medizinern dort halten wir engeren Kontakt, erproben auch Neuentwicklungen. In Deutschland und den USA läuft das bereits sehr gut. In Asien und dem Nahen Osten wollen wir unsere Kontakte in dieser Richtung noch ausbauen.
Wenn es um innovative Produkte geht, ist häufig von gesetzlichen Hürden vor dem Marktzugang die Rede. Welche Erfahrungen machen Sie damit?
Die Vorgaben in Europa sind streng. Wir produzieren eine Menge Papier, bis ein Gerät zugelassen ist – und ohne diese Vorgaben wären wir vielleicht in der halben Zeit auf dem Markt. Innovation und Qualität sollen aber Hand in Hand gehen. Und wenn wir die hiesigen Vorgaben erfüllt haben, ist das eine gute Basis für internationale Zulassungen. Wobei ich mir manchmal mehr Fairness und Gerechtigkeit bei den zulassenden Behörden wünschen würde. In China zum Beispiel haben wir schon zweieinhalb Jahre bis zur Zulassung gebraucht – aber das betrifft nicht nur dieses eine Land.
Welche Bedeutung werden Innovationen bei der Entwicklung des Marktes haben?
Den Trend zu „Good-enough“-Produkten sehe ich sehr wohl. Ich warne aber davor, das zum Standard zu machen, denn dann reden wir nur noch vom Preis – und es gibt gerade in Schwellenländern viele Anbieter, mit deren Kalkulationen wir nicht mithalten könnten. Wenn wir uns mit unseren Hightech-Produkten differenzieren und Geld verdienen wollen, müssen wir für diese Produkte neue Marktsegmente erobern, wie zum Beispiel den Hybrid-OP, in dem bisher fest installierte Systeme dominieren, die Millionen kosten. Dafür müssen wir neue Lösungen mit einem C-Bogen konzipieren, und diese müssen sicher funktionieren. Dann können wir die Anwender überzeugen.
Sie beteiligen sich am BMBF-geförderten Projekt OR.Net, in dem es um Standards für die sichere und dynamische Vernetzung in Operationssaal und Klinik geht. Reicht der Druck im Markt, um mehr als die bisherigen Unternehmensverbünde hervorzubringen und zu herstellerübergreifenden Standards zu kommen?
Das ist schwierig zu sagen. Sicher wird es immer wieder Zusammenschlüsse von Unternehmen geben, die durch untereinander kompatible Produkte Wettbewerbsvorteile erhoffen. Aber wenn OR.Net zu Standards wie Dicom führt und auch einige große Player das akzeptieren und nutzen, stehen die Chancen nicht schlecht. Umgekehrt werden Konzerne in manchen Fällen sicher auch im eigenen Interesse ihre eigenen Wege gehen.
Im Projekt Orbit an der Charité arbeiten Sie an ganz neuen Aufnahmekonzepten für 3D-Bilder. Welchen Ansatz verfolgen die Partner?
In diesem Forschungsprojekt geht es darum, am OP-Tisch zu Bildern zu kommen und den Medizinern dabei so wenig Platz wie möglich wegzunehmen. Dazu soll eine Röntgenquelle mit Hilfe eines Roboters flexibel positioniert werden. Der Bilddetektor ist in diesem Konzept als Flat-Panel in den OP-Tisch integriert. Die Machbarkeitsstudie dafür sieht viel versprechend aus – und die Idee ist etwas ganz Neues und weltweit Einzigartiges. Allerdings steht das Projekt noch ganz am Anfang. Es ist noch zu früh, um über Marktreife oder einen konkreten Zeitrahmen zu sprechen.
Was sind die größten Herausforderungen für einen Mittelständler in der Medtech-Branche?
Sicherlich das Wachstum in den internationalen Märkten. Um die eigene Marke in Mexiko und Brasilien, aber auch in Kanada, China und Korea bekannt zu machen, muss man Strukturen aufbauen, die mit denen der Konzerne vergleichbar sind. Das ist für einen Mittelständler eine große Aufgabe.
Welche Rolle können die deutschen Hersteller auf Dauer einnehmen?
Deutschland hat einen guten Stand und wegen seiner Ingenieurausbildung einen guten Ruf. Das ist ein guter Nährboden für den Mittelstand. Wir müssen allerdings immer drei Schritte voraus sein und selbst die Trends setzen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Weitere Informationen Über das Unternehmen: www.ziehm.com

Über das Unternehmen
Die Nürnberger Ziehm Imaging GmbH ist seit 1972 am Markt und entwickelt mobile C-Bögen, also Geräte für die Röntgenbildgebung. Mehr als 10 000 Geräte wurden seit der Firmengründung in Kliniken und medizinischen Einrichtungen rund um den Globus installiert. Das Produktportfolio, in dem 80 % der Geräte jünger als drei Jahre sind, deckt die komplette Bandbreite der klinischen Anwendungen ab – vom zerlegbaren Modell für die Notfall-Medizin bis hin zum wassergekühlten High-End-Gerät für den Hybrid-OP. „Unsere Stärke liegt in unserem Fokus auf mobile Röntgentechnologien für den intraoperativen Einsatz. Mit dieser Strategie konnten wir uns die Position als globaler Innovationsführer sichern“, erläutert Geschäftsführer Klaus Hörndler. Das Unternehmen beschäftigt inzwischen rund 350 Mitarbeiter und investiert jährlich etwa 15 % des Umsatzes in seine Forschung und Entwicklung, die sich komplett in Nürnberg befindet. Im Juni wurde Ziehm Imaging mit dem Gütesiegel „Top 100“ ausgezeichnet, wobei die Jury die Innovationsprozesse und die Fähigkeit der Nürnberger hervorhob, die Brücke von der Idee zum Markterfolg erfolgreich zu schlagen.

Ihr Stichwort
  • Mittelständler als Marktführer
  • Innovation als Unternehmensziel
  • Struktur mit starker Entwicklungsabteilung
  • Zusammenarbeit mit Medizinern
  • Herstellerübergreifende Standards
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