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Fit für den Gesundheitscheck: Wie Wearables den Arzt unterstützen

Tragbare Elektronik: So lassen sich medizinisch verwertbare Daten für den Gesundheitscheck erfassen
Wearables für die Gesundheit

Hochwertige, am Körper getragene elektronische Produkte, kurz Wearables, haben gute Perspektiven: Sie sollen den Arzt bei Gesundheitscheck und Diagnose unterstützen. Entsprechende Prototypen werden schon entwickelt – und könnten der Elektronikindustrie zu neuen Geschäftsfeldern verhelfen.

Wearables überschwemmen derzeit den Consumer-Markt: Sie verfolgen und dokumentieren die täglichen Freizeit-Aktivitäten ihrer Benutzer und eignen sich zum Gesundheitscheck von Körperparametern. Sie erkennen den Aufenthaltsort des Trägers, bestimmen seinen Fitnessgrad oder bewerten seine Schlafqualität. Als Livestyle-Applikationen zielen sie primär auf wertbewusste Consumer, die sich um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden kümmern – also nicht auf Patienten, die unter chronischen oder kritischen Zuständen leiden.

Produkte, die für solche Anwendungen entwickelt wurden, liefern daher auch keine brauchbaren Daten für die medizinische Versorgung – insbesondere nicht im Vergleich mit den Messergebnissen, die man in einer kontrollierten klinischen Umgebung erhält. Ehe sie eine Alternative zum medizinischen Monitoring im Krankenhaus bieten können, müssten die Wearables in vier Bereichen wesentlich verbessert werden: in der Qualität der erfassten Daten für den Gesundheitscheck, im Tragekomfort, im Leistungsverbrauch und bei den Kosten.
Sobald diese Fragen gelöst sind, steht der Entwicklung von einmalig einsetzbaren, komfortablen und klinisch relevanten Wearables nichts mehr im Wege. Sie integrieren dann ausgefeilte Sensortechnologien, bieten entsprechende Konnektivität und können dazu führen, dass mehr Patienten mit chronischen Leiden zu Hause überwacht und medizinisch behandelt werden. Im Endergebnis könnten derartige Geräte dazu beitragen, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken, die Lebensqualität der Patienten verbessern – und in vielen Fällen sogar Leben retten.
Für medizinisch nutzbare Wearables haben Mitarbeiter im europäische Nanoelektronik-Forschungszentrum Imec im belgischen Leuven Sensoren entwickelt, die klinisch relevante Informationen liefern. Mit entsprechenden Prototypen wurden so schon Gehirnsignale über einen komfortablen Helm mit trockenen Elektroden gemessen, Herzrhythmen aufgenommen – wobei Schaltungen und Algorithmen unwillkürliche Körperbewegungen kompensieren– und über die Messung multipler Parameter sogar emotionale Zustände bestimmt. Das Ziel der Forschung und Entwicklung im Bereich des Körper-Monitoring bei Imec und beim Holst Centre sind alle Applikationen, die klinisch relevant sind.
Mitte 2014 wurde zum Beispiel die jüngste Generation von drahtlosen Körperpflastern für die Herzüberwachung vorgestellt. Ein solches medizinisch funktionales Hautpflasters liefert ein Echtzeit-Elektrokardiogramm (EKG). Es nutzt die elektrische Impedanz des Körperkontakts und die Information von Beschleunigungsmessern, um physikalische Aktivitäten abzuschätzen. Die wichtigsten Komponenten dieses tragbaren Pflasters sind: ein EKG-Chip, der für die Messung nur eine sehr gerine Leistung erfordert, und ein energiesparender Bluetooth-Funkchip zur Datenübertragung.
Mit einer fortschrittlichen SIP- (system-in-package) Technologie ließ sich die gesamte Funktionalität auf einer Fläche von 17,4 mm x 17,4 mm unterbringen. Damit wurde die erforderliche Leiterplattenfläche im Vergleich zu früheren Generationen der EKG-Module um mehr als 50 % reduziert.
Sowohl Consumer-orientierte Anwendungen als auch solche im Gesundheitswesen sind natürlich davon getrieben, welche Erfahrungen der Nutzer mit ihnen macht und ob der Patient eine ausreichenden Tragekomfort geboten bekommt. In der medizinischen Diagnostik und Versorgung finden sich Patienten meist mit gewissen Unannehmlichkeiten ab. Wenn allerdings ein tragbares Mess- und Diagnosegerät über längere Zeit am Körper bleiben muss, werden Komfort und Nutzbarkeit auch im klinischen Bereich wieder relevant. Deshalb haben die Forscher am Imec die eingesetzte Elektronik in ein flexibles und dehnbares Substrat integriert. Das Design kombiniert eine Folientechnologie mit streckbaren integrierten Elektroden und ergibt ein leichtes, komfortables Pflaster, das auf der Brust über längere Zeiträume getragen werden kann.
Zum medizinischen Gesundheitspflaster gehören auch die Batterien. Insgesamt ergibt das ein Gesamtgewicht von 10 g – so dass auch hier eine Reduktion auf die Hälfte des Gewichts der vorhergehenden Prototypen erreicht wurde. Eine weitere Voraussetzung zum Einmalgebrauch ist aber eine angemessen lange Betriebsdauer. Das flexible EKG-Pflaster läuft in zwei alternativen Betriebsarten. Im ersten Modus fungiert es als kontinuierlicher Monitor, der die Herzfrequenz, ein einkanaliges EKG und die Beschleunigung in drei Achsen ausgibt. Im zweiten Modus wird der Herzschlag detektiert, und nur die Herzfrequenz wird im Sekundentakt zur Auswertung übertragen. Das flexible EKG-Pflaster läuft im ersten Modus mit einer flexiblen Filmbatterie mit 15 mAh/1,5 V über mehrere Stunden. Im zweiten Modus verlängert sich dieser autonome Betrieb mit derselben Batterie auf drei Tage.
Ein weiterer Vorteil des kompakten und flexiblen Pflasters ist, dass es den Einfluss von Bewegungs-Artefakten auf die Messgrößen reduziert und damit ein genaueres und zuverlässigeres Monitoring ermöglicht. Zentraler Bestandteil ist ein spezielles EKG- System auf einem Chip (SoC) in Gestalt eines Mixed-Signal-ASIC. Dieser wurde zum EKG-Monitoring kundenspezifisch entwickelt. Die eingebettete Prozessorfunktion zeichnet sich durch einen sehr geringen Energieverbrauch aus. Der Prozessor erkennt und reduziert über spezielle Algorithmen die Artefakte in den Messergebnissen, die durch unwillkürliche Körperbewegungen des Patienten ausgelöst werden, und nutzt weitere Algorithmen, um die Herzfrequenz zu berechnen. Darüber hinaus bietet er ausreichend Rechenleistung für applikationsspezifische Algorithmen wie die Detektion von epileptischen Anfällen, das Erfassen von Herz-Arrhythmien und die Abschätzung des eigenen Energieverbrauchs.
Das Entwicklungsziel ist ein Gesundheitspflaster das mehrere relevante sensorische Messungen ausführt und ein Gesamtbild des Gesundheits-Status des Trägers ausgibt.
Besonders Patienten mit chronischen medizinischen Zuständen könnten von solchen hochwertigen, genauen, zuverlässigen und komfortablen tragbaren Geräten profitieren, die speziell für das Heim-Monitoring entworfen wurden. Ein Besuch im Krankenhaus könnte dadurch entfallen, was sowohl den Patienten in seinem Alltagsablauf als auch das Gesundheitswesen hinsichtlich der Kosten entlasten würde.
Daher sind Tools, die eine klinisch akzeptierte Überwachung ermöglichen, eine interessante Gelegenheit für die Elektronikindustrie und für die Krankenversicherungsträger – und die in Leuven entwickelten Prototypen zeigen, welche Möglichkeiten sich für die Entwicklung entsprechender Wearables bieten.
Jan Provoost Imec, Leuven/Belgien

Ihr Stichwort
  • Datenqualität, Tragekomfort, Verbrauchsdaten, Kosten
  • Geeignete Prototypen vorgestellt
  • Erfassen der Herzfrequenz
  • Erfassen von Hirnsignalen
  • Bewegungsartefakte eliminiert
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