Wenn Software als Medizinprodukt gilt, muss sie entsprechend dem MPG zugelassen werden. Die Aufgabe, sein Produkt korrekt zu klassifizieren, hat der Hersteller selbst. Bei der Zuordnung hilft der Leitfaden MEDDEV 2.1/6.
Bei Software, die untrennbarer Bestandteil eines Medizinproduktes ist, ist die Klassifizierung einfach: Diese so genannte „Embedded Software“ unterliegt zweifelsohne dem Medizinprodukterecht. Bei einer eigenständigen Software, einer so genannten „Stand-Alone“-Software wie zum Beispiel einer App, ist die Entscheidung oft schwieriger.
Bei jeder „Stand-Alone“-Software, die im medizinischen Bereich verwendet wird ist zu prüfen, ob sie der Medizinprodukterichtlinie 93/42/EWG genügt. Das gilt auch für eine „Medical App“, die beispielsweise auf einem Smartphone installiert werden kann. Seit Jahren gibt es bei der Medizinprodukterichtlinie allerdings eine breite Diskussion darüber, welche eigenständige Software tatsächlich als Medizinprodukt eingestuft werden muss. Viele Bereiche bleiben in der Richtlinie nämlich sehr vage.
Sinngemäß besagt die Richtlinie, dass eine Software dann ein Medizinprodukt ist, wenn sie der Diagnose oder Therapie von Krankheiten am Menschen dient und nicht pharmakologisch wirkt. Bei vielen Einzelfällen ist eine Entscheidung darüber nicht ganz einfach. Um mehr Klarheit zu schaffen, wurde daher im Januar 2012 der neue Leitfaden MEDDEV 2.1/6. der Europäischen Kommission herausgegeben. Mit ergänzenden Kriterien, Entscheidungsdiagrammen und zahlreichen praktischen Beispielen gibt der Leitfaden Herstellern und Benannten Stellen Hilfestellungen zur Einstufung von eigenständiger Software.
Als Medizinprodukt einzustufen und entsprechend zuzulassen sind beispielsweise Programme, die der Entscheidungsfindung dienen. Dazu zählt Software, die medizinisches Wissen aus Datenbanken mit Algorithmen und einzelnen Patientendaten verknüpft sowie Software, die Empfehlungen für eine Diagnose, Prognose, Überwachung und Behandlung gibt – jeweils für einen bestimmten Patienten.
Zu den Medical Apps, die als Medizinprodukt eingestuft werden müssen, zählt also beispielsweise eine Applikation, die EKG-Daten eines Patienten zu Diagnosezwecken darstellt, oder eine Medical App, die eine Befundung von medizinischen Bildern wie Röntgenbildern erlaubt.
Dagegen müssen folgende Typen von eigenständiger Software nicht als Medizinprodukte eingestuft werden: Krankenhaus-Informationssysteme für Aufgaben wie Aufnahme und Termine für Patienten, Versicherungen, Rechnungen sowie allgemeines Patientenmanagement, Videosoftware zur Fernberatung zwischen Klinik und Patient sowie Applikationen, die Anleitungen zu Trainigsübungen oder Tipps zur Ernährung geben.
Trotz des zusätzlichen Leitfadens gibt es immer noch Fälle, die keine eindeutige Entscheidung zulassen: Ein Beispiel dafür wäre eine Software, welche die Medikamentendosierung für Patienten berechnet. Als eigenständig vertriebene Software kann sie als Medizinprodukt eingestuft werden. Man kann aber auch den Standpunkt vertreten, dass hier nur die Dosierungsregeln aus dem Beipackzettel in eine Software gegossen wurden, beispielsweise wenn der Arzneimittelhersteller diese Software zusammen mit seinem Medikament liefert – dann ist man im Arzneimittelbereich.
Da es bisher keine gesetzlichen Regelungen dafür gibt, wann eine Software Bestandteil eines Arzneimittels ist, ist das ein Grenzbereich, der durch die derzeitige Interpretation noch nicht vollständig geklärt ist. Der MEDDEV-Leitfaden ist allerdings ein erster großer Schritt, einen klaren Rahmen für die Klassifizierung von Software als Medizinprodukt zu schaffen.
Dr. Markus Wagner TÜV Süd, München
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