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Industrie 4.0: Deutscher Hersteller fertigt in China Chirurgieinstrumente

Digitalisierung
Beispiel China: Um Industrie 4.0 kommen wir nicht herum – weder im Krankenhaus noch in der Fertigung

 „Hightech pur“ oder „einzigartig“: So beschreibt Armin Schorer, Geschäftsführer der Asanus Medizintechnik GmbH aus dem Raum Tuttlingen, das, was in seiner neuen Fertigungsstätte in China geplant ist. In der Metal Eco City in Jieyang setzt das Unternehmen auf Industrie 4.0.

Wir werden in Jieyang eine Fertigung aufbauen, die weltweit einzigartig ist.“ So beschreibt Armin Schorer, Geschäftsführer der Asanus Medizintechnik GmbH in Neuhausen ob Eck nahe Tuttlingen, seine Aktivitäten in China. Sein mittelständisches Unternehmen fertigt rund 18 000 verschiedene Typen von Operationsinstrumenten mit RFID-Chips und zugehöriger Software für das Instrumentenmanagement im Krankenhaus. Digitalisierung ist für Schorer entscheidend für alle zukünftigen Entwicklungen, in der Industrie und auch in den Krankenhäusern. Und so will er sein Unternehmen und seine Produkte in dieser Richtung weiterentwickeln.

„In unserer Niederlassung in China werden wir die weltweit erste Industrie- 4.0-Anlage betreiben, durch die wir die manuelle Fertigung bei Instrumenten auf maximal zehn Prozent reduzieren können“, kündigt er an. Damit würden dann nicht mehr 40 bis 50 %, sondern 90 % der Herstellung automatisiert erfolgen. Nur „der letzte Schliff“, das Feinjustieren bei Scheren oder die Passung von Bauteilen, sollen dann noch von Hand erledigt werden. Die Produktionsstätte, in der das umgesetzt werden soll, entsteht derzeit in der Metal Eco City nahe der südchinesischen Stadt Jieyang und soll noch im Herbst 2016 den Betrieb aufnehmen.
Rund zwei Jahre Vorlauf hat es dafür gegeben, intensiven Austausch und Tests mit Anlagenherstellern in Deutschland. Schorer ist überzeugt davon, dass die neue Fertigung seine Erwartungen erfüllen wird – und in Zukunft vielleicht sogar Modellcharakter haben wird für die anderen Werke.

Prozessmanagement fürs Krankenhaus durch RFID-Tags am Instrument

Das mittelständische Unternehmen Asanus produziert aber nicht nur die chirurgischen Instrumente mit RFID-Chip, es gibt auch eine eigene Softwareentwicklung. Hier entstehen die IT-Lösungen, mit denen die Instrumente beim Anwender, dem Krankenhaus, verwaltet werden können. So lassen sich das Instrumentenmanagement und die Materiallogistik komplett automatisieren. Krankenhäuser können so kontrollierte und steuerbare Prozesse für Operationsbestecke sowie Verbrauchsmaterialien aufbauen – bis hin zur Sterilisation.
Solche Lösungen sind für den chinesischen Markt sehr interessant. Schorer hat sich mit diesem seit 2010 beschäftigt und den Eindruck gewonnen, dass die Chinesen einerseits bei den Prozessen in den Kliniken sehr viel Nachholbedarf haben und andererseits gegenüber allen Ideen rund um die Digitalisierung sehr offen sind. Das Interesse an der deutschen Technologie ist groß: Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist ein wichtiger Baustein des 13. Fünfjahresplans der chinesischen Regierung, der im März verabschiedet wurde. Krankenhäuser aus verschiedenen Regionen Chinas haben bereits Interesse an der Technologie von Asanus bekundet.

Für den Marktzugang in China braucht man eine Fertigung im Land

Schorers Einschätzung nach hat dieser sehr große Markt auch in den kommenden Jahren noch immenses Wachstumspotenzial, gerade in der Medizintechnik. „Unsere Analysen machten jedoch schnell deutlich, dass in China ein direkter Zugriff auf den Markt notwendig ist“, sagt er. „Man braucht hier einen eigenen Standort, der Fertigung, Vertrieb, Marketing und auch Weiterbildung vereint.“
Die intelligente Produktion soll es nun ermöglichen, die Herstellungskosten für die Instrumente auch langfristig auf gleichem Niveau zu halten. „Die Löhne und auch die Lohnnebenkosten sind dort in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen – das war für mich also kein Grund, die Fertigung dort aufzubauen.“ Um über das neue Werk den Markt zu erschließen, hat Asanus ein Joint Venture mit einem chinesischen Investor gegründet. „Industrie 4.0“ trifft hier auf „Made in China 2025“.
Die Produktionshalle der „Asanus Medical and Information Technology“ ist bereits gebaut, der Maschinenpark bestellt und das technische Konzept steht. Im Herbst 2016 soll die Hightech-Produktion der chirurgischen Instrumente starten – anfangs mit 50 000 bis 100 000 Instrumenten im Jahr. Eine Akademie für Medizintechnik ist ebenfalls Teil des Gesamtkonzeptes. Asanus will dort seine chinesischen Kunden im Umgang mit der Software und im Prozessmanagement schulen.

Bewährte Technik aus Europa – damit es in China nirgends stockt

Bei der Auswahl der Ausstattung für seine Produktion setzt Schorer auf bewährte Technik, die er mit deutschen Herstellern getestet hat. Es gebe ähnliche Entwicklungen sicher auch in China, aber für eine automatisierte Fertigung sei es ihm wichtig gewesen, die neuesten Systeme einzusetzen und sich zu 100 % auf deren Verfügbarkeit verlassen zu können. „Wo alles ineinander greift, steht die ganze Fertigung still, wenn es irgendwo hakt – und das wollte ich auf keinen Fall riskieren“, sagt der Geschäftsführer.
Erstmals in Jieyang war er Anfang 2014. Bei diesem Besuch war das Gelände für die Metal Eco City eine grüne Wiese. „Ich hatte großen Respekt vor dem Vorhaben und dachte auch, das Ganze sei zu groß für ein kleines mittelständisches Unternehmen, wie wir es sind“, erinnert er sich. Auch wegen der noch zu optimierenden Infrastruktur erschien ihm Jieyang nicht optimal. „Doch die Mentalität der Verantwortlichen in Jieyang, der Wille und Fleiß der treibenden Kräfte, haben mich sehr beeindruckt. Als ich mit einem deutschen Unternehmer gesprochen habe, der seit 15 Jahren sehr gute Erfahrungen mit seiner Produktion in Jieyang macht, war ich endgültig überzeugt.“
Der Bürgermeister sei ein weitsichtiger Mann, der die ursprüngliche Planung, in der Stadt eine fortschrittliche Galvanik aufzubauen und dabei moderne Erkenntnisse zum Umweltschutz umzusetzen, fortgesponnen habe – bis zum großen Industriepark, der nun entsteht. Die Beteiligten sind laut Schorer nicht nur sehr engagiert, sie sind auch sehr gut vernetzt: „Wir haben über die Kontakte zur Betreibergesellschaft Zhong De auch sehr gute neue Ansprechpartner hier in Deutschland kennengelernt, mit denen wir die neuesten Ideen zur Automatisierung diskutieren und über den Tellerrand schauen können.“ Mit diesem Aspekt der zusätzlichen lokalen Kontakte hatte er gar nicht gerechnet.

Die Entscheidung für das Industrie-4.0-Projekt in China war goldrichtig

Seine Entscheidung hält er aus allen genannten Gründen daher heute für „goldrichtig“. Das große Netzwerk, die Kontakte zu Behörden und Absatzmärkten in der Metal Eco City, helfen sehr beim Markteinstieg, berichtet er.
Die Verkaufslizenz für die Instrumente liegt inzwischen vor. Aktuell ist der Geschäftsführer auf der Suche nach deutschen Fachkräften, die mit nach Jieyang gehen. Denn für die kommenden Jahre ist Wachstum angesagt: 2022 soll sich die Stückzahl gefertigter Produkte schon in einem mehrstelligen Millionen-Bereich befinden. „Das gibt der chinesische Markt auf jeden Fall her“, sagt Schorer.
Was er sicher nicht vorhat, ist, die in China gefertigten Präzisionsprodukte aus dem Land zu exportieren. Aber wenn die neue Fertigungstechnik sich bewährt hat, wird das Inspirationen liefern, meint er, und auch andernorts einsetzbar werden. „Um unser Konzept für Industrie 4.0 zu entwickeln, haben wir auch mal die klassischen Wege in der Fertigung der Instrumente verlassen.“ Details dazu will er nicht verraten. „Aber wenn wir Informationen in Echtzeit zur Verfügung haben, können wir schneller und präziser handeln, und das wollen wir nutzen.“
Die Idee, dass jedes Teil seinen eigenen Weg durch die Fertigung sucht, lässt sich seiner Ansicht nach in der Praxis nicht ganz so umsetzen. „Man braucht einen Plan, man muss Standards festlegen und die möglichen Wege definieren“, sagt er. Die möglichen Wege könnten von Produkt zu Produkt variieren. Aber ohne erkennbare Struktur in der Fertigung wäre es nicht möglich, die hohen Anforderungen an die Qualitätssicherung umzusetzen. „Die neue Norm hat die Messlatte jüngst nochmal höher gelegt. Das setzen wir im Stammwerk in Neuhausen um, und das haben wir uns für die Fertigung in China vorgenommen – auch wenn es dort noch nicht so gefordert ist.“

In fünf Jahren werden bis zu 200 Mitarbeiter im chinesischen Werk beschäftigt sein

Rund 20 Leute will er zu Anfang beschäftigen und den Mitarbeiterstamm schon wenig später auf 50 ausbauen, nicht allein für die Fertigung, sondern auch für Vertrieb und Schulungen. In fünf Jahren seien 150 bis 250 Mitarbeiter realistisch, „und weiter voraus schaue ich noch nicht“. Seine finanziellen Risiken habe er bei diesem Schritt immer im Blick gehabt, und er würde niemals alles auf eine Karte setzen. Auch weil mit Veränderungen der politischen und rechtlichen Situation immer zu rechnen sei. Für alle Verträge solle man einen Anwalt mit internationalen Vertretungen dabeihaben und an dieser Stelle nicht sparen, damit alles sorgfältig ausgehandelt ist. „Sonst geht man vielleicht ganz schnell baden.“
Weniger verbindlich, aber auch viel pragmatischer als hier
Anders sei so Manches: Die Mentalität der Chinesen müsse man kennenlernen, um damit umzugehen, dass Zusagen weniger verbindlich verstanden werden als man das aus Deutschland gewohnt sei. „Wenn ich ankündige, bis zur kommenden Woche etwas erledigt zu haben, wird das in den allermeisten Fällen auch so sein. Diese Denke entspricht aber nicht der chinesischen Kultur, das muss man verstehen.“ Umgekehrt würden manche Geschäftsprozesse von Entscheidern sehr pragmatisch angegangen. Statt zunächst in viele Details einzusteigen, wie es hier üblich ist, könne man dort auch erleben, dass Dinge „einfach mal gemacht werden.“ Um ein neues Fertigungskonzept umzusetzen, könnte das von Vorteil sein. (op) ■

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