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„Steffi“ spricht auf Tastendruck

Atemtherapiesystem: Sprachausgabe-Modul ermöglicht auch Sehbehinderten die Bedienung
„Steffi“ spricht auf Tastendruck

In Deutschland sind rund 800 000 Menschen von Schlafapnoe betroffen. Da die zur Behandlung eingesetzten Druckatmungsgeneratoren alle Einstellungen über ein Display anzeigen, können Sehbehinderte und Blinde die Geräte nicht bedienen. Das Sprachausgabe-Modul FLOvoice soll dies jetzt ermöglichen.

„Viele Druckatmungsgeneratoren sind für blinde oder sehbehinderte Menschen extrem schwer zu handhaben“, sagt Harald Schmidl, der von Geburt an blind ist und bei dem 2008 Schlafapnoe diagnostiziert wurde. Bei einigen Modellen kann der Luftbefeuchter beispielsweise nur sehr umständlich an der Geräterückseite befüllt werden, was kaum machbar ist, wenn man nichts sieht. Zudem benötige man bei den meisten Therapiegeräten zum Einschalten auch das Menü. „Ich kann aber nichts vom Display ablesen und muss daher die Menüschritte mühsam abzählen.“

Seit 2010 nutzt Schmidl nun ein xPAP-Gerät der FLO Medizintechnik GmbH, Melle, dessen Bedienung vergleichsweise einfach ist. Mit dem Wechsel konnte der Patient immerhin selbständig den Befeuchter befüllen sowie einen Filterwechsel durchführen, zudem muss zum Einschalten des Gerätes lediglich ein Knopf gedrückt werden. Zumindest in der alltäglichen Anwendung war somit eine Bedienung weitgehend ohne fremde Hilfe möglich.
Bei Fehlern am Gerät ist die Situation jedoch anders, da auf diese lediglich durch ein akustisches Signal und den betreffenden Fehlertext im Display aufmerksam gemacht wird. „In diesem Fall waren die Patienten bisher auf die Hilfe von betreuenden Personen angewiesen“, bestätigt Falko Menzel, Experte für Beatmungstherapie bei FLO Medizintechnik. „Da es hier um eine nächtliche Therapieform geht, ist es allerdings nicht immer einfach, diese Hilfe auch zu finden.“ Die Patienten müssen selbst um ein oder zwei Uhr nachts Partner oder Angehörige wecken, um herauszufinden, was auf dem Display steht. Noch schwieriger ist die Situation für Alleinstehende. „Außerdem fordert das Gerät den Benutzer beispielsweise in regelmäßigen Abständen zum Filtertest auf. Der läuft über das Menü, so dass ich ihn nicht alleine durchführen kann“, ergänzt Schmidl. „Und auch sein Ergebnis kann ich nicht ablesen – eine Situation, die ich gesundheitlich bedenklich finde, da ich bei verminderter Filterleistung ja verschmutzte Luft einatme.“ Hinzu kommt eine ständige Unsicherheit der Patienten im Umgang mit dem Gerät. Wer nicht mehr genau weiß, welche Befeuchtereinstellung justiert ist, kann das schließlich nicht einfach durch einen Blick auf das Display überprüfen.
Nachdem Schmidl den Medizintechnikhersteller während einer Beratung auf diese Probleme aufmerksam gemacht hatte, entschied sich das Unternehmen, ein Blindenmodul zu entwickeln, das die Bedienung des Gerätes durch eine Sprachausgabe erleichtert. „Dabei ist uns entgegengekommen, dass unsere Geräte über eine einfache Menüführung verfügen“, erklärt Menzel. Die Geräte verwenden im Display klare und einfache Texte und zeigen nur die wichtigsten Informationen an. Darüber hinaus sind keine komplexen Einstellmöglichkeiten hinterlegt, und es gibt auch keine unübersichtlichen Untermenüs oder aufwendige Tastenkombinationen. „Unsere Entwicklungsabteilung musste somit nur eine Datenausgabe programmieren und nicht erst das Konzept vereinfachen“, so Menzel. Besonderes Augenmerk habe man dabei auf eine verständliche Stimme gelegt. Nach einer Beratung mit Schmidl wurde die Stimme „Steffi“ gewählt, die bereits bei vielen Sprachmodulen für blinde Menschen verwendet wird und somit den meisten schon vertraut ist.
Bei FLOvoice handelt es sich um einen Mini-PC mit Soundkarte und integriertem Lautsprecher, der über die serielle Schnittstelle an den xPAP angeschlossen wird. Nach dem Einschalten des Gerätes werden mittels dieses Moduls automatisch die im Display angezeigten Menütexte vorgelesen. Wichtig ist dabei auch eine auf die nächtliche Therapie abgestimmte Ereignissteuerung: „Das Gerät spricht generell nur beim Einschalten beziehungsweise wenn Tasten gedrückt werden – nicht wenn sich beispielsweise der Druck ändert“, so Schmidl. Nach längerer Zeit ohne Bedienung der Tasten schaltet sich das Display automatisch ab und mit ihm auch die Sprachausgabe. So weckt einen das Gerät nicht plötzlich, und die Nachtruhe bleibt ungestört.
Schmidl, der bereits ein mit FLOvoice modifiziertes xPAP-Gerät eingehend prüfen konnte und auch als a-Tester fungieren wird, bewertet das Blindenmodul positiv: „Maskenklima, Drücke, Filtertest, Fehlermeldungen – das Gerät liest jetzt alle Daten vor, die notwendig sind, damit ich das Gerät selbständig bedienen kann. Das ist ein großer Gewinn an persönlicher Freiheit.“ Auch der Handel profitiere über die kassenseitig geforderten Complianceabfragen: „Hier kann der Patient durch einfaches Starten des Gerätes die genaue Stundenleistung telefonisch durchgeben, ohne um Hilfe bitten zu müssen“, so Menzel.
Das Modul ist grundsätzlich für alle Atemtherapiegeräte von FLO Medizintechnik geeignet. Die Serienfertigung hat begonnen, im Dezember 2012 wurde das Blindenmodul als optionale Komponente in den Hilfsmittelkatalog der Krankenkassen aufgenommen.
Iris Gehard Fachjournalistin in München

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