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So werden Zellen zum Leuchten gebracht

Molekulare Bildgebung: Neue Möglichkeiten zur Früherkennung von Krankheiten
So werden Zellen zum Leuchten gebracht

Die Bundesregierung forciert mit einer Technologie-Initiative die molekulare Bildgebung. Dabei kommt auch das Fluoreszenzverfahren zum Einsatz. Es geht auf einen Mechanismus zurück, für den dieses Jahr der Chemie-Nobelpreis vergeben wird.

Drei Kernfelder hat das Bundesforschungsministerium (BMBF) für die Technologie-Initiative MoBiTech identifiziert: Sonden für die Bildgebung, Medizingeräte sowie Software für die bildgebende Diagnostik. Entsprechende Forschungs-Verbundprojekte fördert es in den nächsten Jahren mit 150 Mio. Euro. Denn die molekulare Bildgebung sei der wesentliche Innovationstreiber für Fortschritte in der Molekular- und Zellbiologie. Und für die deutsche Medizintechnik- und Diagnostikbranche sieht das Ministerium damit gute Chancen, auf dem Weltmarkt die Technologieführerschaft zu übernehmen.

Hinter dem Begriff „molekulare Bildgebung“ verbirgt sich die Darstellung molekularer Stoffwechselwege in lebenden Organismen ohne invasive Verfahren. An ein Molekül oder Atom wird ein Transportmolekül oder -partikel gekoppelt, das zudem mit einer Zielfindungseinheit verbunden ist, die spezifisch für molekulare Marker bestimmter Krankheiten ist. Nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip docken sie mit möglichst hoher Selektivität am kranken Gewebe an und bewirken so Anreicherung der an sie gebundenen Moleküle. Die wiederum können von außen mittels bildgebender Verfahren detektiert und lokalisiert werden.
Zu den Bildgebungssonden zählen Kontrastmittel, signalgebende molekulare Marker oder Tracer, also künstliche, oft radioaktiv markierte körpereigene oder körperfremde Substanzen, die nach Einbringung in den lebenden Körper am Stoffwechsel teilnehmen. Die Bildgebungsverfahren sind vielfältig: Am weitesten fortgeschritten ist die molekulare Bildgebung mit Radionukleiden. Daneben ist die molekulare Bildgebung mit Magnetresonanztomographie, Magnetresonanzspektroskopie und Ultraschall möglich. Auch die optische Bildgebung gehört dazu.
Zu deren Vorreitern zählt die Karl Storz GmbH & Co. KG, Tuttlingen, mit der endoskopischen Fluoreszenzdiagnostik. Diese bedient sich der Entdeckung, für die im Dezember drei Forscher mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet werden: der Isolierung fluoreszierender Farbstoffe und deren Entwicklung zu leistungsfähigen Markern, die Vorgänge in Zellen sichtbar machen. Bei der Fluoreszenz-Bildgebung wird eine fluoreszierende Sonde, also ein optisches Kontrastmittel, über eine externe Lichtquelle aktiviert, und auf einer anderen Wellenlänge ein Signal emittiert. Das Fluoreszenz-Signal kann mit einer hochsensitiven Kamera eingefangen werden. „Die Sensitivität, also die Erkennungsquote der Fluoreszenzdiagnostik, ist mit 90 bis 95 Prozent sehr hoch“, sagt Martin Leonhard, Leiter Technologiemanagement bei Karl Storz. In mikroskopischen Umgebungen ist sogar der Nachweis einzelner Moleküle möglich. Carl Zeiss hat derartige Fluoreszenzmikroskope auf dem Markt.
Karl Storz und Carl Zeiss sind neben Bayer Schering Pharma, Boehringer Ingelheim Pharma und Siemens Medical Solutions die fünf Mobitech-Teilnehmer, die bis 2017 zusätzlich 750 Mio. Euro in neue Verfahren investieren. „Die klassischen Bildgebungsverfahren sehen wir aber nicht als Konkurrenz“, stellt Leonhard klar. Die Anwendungen der molekularen Bildgebung seien sehr vielfältig, das spiegele sich in den Verfahren und Methoden wider. Die Mobitech-Initiatoren erhoffen sich eine frühzeitigere Erkennung von Krebs-, aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Karl Storz konzentriert sich mit seinen endoskopischen Geräten auf verschiedene Tumore in inneren Organen. Leonhard: „Und hier muss man noch unterscheiden, ob man die molekulare Bildgebung für die Früherkennung oder zur Operationsbegleitung oder zur Tumornachsorge einsetzen will.“ Insofern ergänzen sich die Systeme seiner Ansicht nach. Die Stärke der Endoskopie liege darin, Veränderungen an der oberen Gewebeschicht zu erkennen, während die klassischen Verfahren zeigen, wie tief ein Tumor in das Gewebe eingedrungen ist oder ob es im Körper Metastasen gibt.
Leonhard: „Eine Endoskopie wird immer durchgeführt, wenn es um Körperhöhlen und Hohlorgane geht. Durch unser optisches Bildgebungsverfahren erhalten die Mediziner somit in einem Arbeitsschritt zusätzliche Informationen.“ Das senke die Kosten und entlaste auch den Patienten. Und noch einen weiteren Vorteil von Fluoreszenzverfahren sieht der Manager: Es kann als einziges ganz ohne Marker auskommen. Die so genannte Autofluoreszenz des menschlichen Gewebes lässt sich mit Licht bestimmter Wellenlängen anregen. Um die Autofluoreszenz sichtbar zu machen, nutzen die Tuttlinger Licht mit hoher Energie und eine blauviolette Anregungslichtquelle. Störende Wellenlängen werden mit einem Filter ausgelöscht, so dass nur die aus den Schleimhäuten abgestrahlten Lichtquanten sichtbar werden. Sie sind mit dem bloßen Auge erkennbar, können aber auch mit einer speziellen Kamera aufgenommen und auf einem Monitor als digitales Bild sichtbar gemacht werden. Der Verzicht auf Marker bringt vor allem Vorteile im Hinblick auf den Flaschenhals, den das BMBF bei der molekularen Bildgebung generell identifiziert: die Sonden. „Hier müssen sehr spezifische Verfahren entwickelt werden, um einzelne Moleküle und Tumorzellen zu identifizieren“, erklärt Leonhard. Zudem dauere die Zulassung von Markern derzeit noch relativ lange.
Sabine Koll Fachjournalistin in Böblingen

Ihr Stichwort
• Molekulare Bildgebung
• Optische Bildgebung
• Endoskopie • Fluoreszenzverfahren • Technologie-Initiative

Forscher-Wünsche

Am weitesten fortgeschritten ist die molekulare Bildgebung mit Radionukleiden. Dazu gehören Szintigrafie, Positronenemissionstomografie (PET) und Einzelphotonenemissionstomografie (SPECT), wie sie Siemens mit dem System Symbia E anbietet. Noch stehen die konkreten Forschungsprojekte der ersten Runde der BMBF-Technologie-Initiative Molekulare Bildgebung (Mobitech) nicht fest. Doch erhofft sich Karl Storz dadurch vor allem die Entwicklung von Fluoreszenzsystemen der zweiten Generation: Dazu gehören optimierte Beleuchtungstechniken sowie Nachweisverfahren mit einer höheren Spezifität: Denn immerhin handelt es sich bei einem Drittel der als verdächtig geltenden Befunde nicht um Tumore. Zudem würde Karl-Storz-Manager Leonhard im Sinne der Patienten die Entwicklung von Markern begrüßen, die gleichzeitig mittels endoskopischer und anderer bildgebender Verfahren wie Kernspin sichtbar würden.
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