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Sichere Verbindungen

Heißnieten: Neue Konstruktionsrichtlinie findet Kompromiss zwischen Taktzeit und Festigkeit
Sichere Verbindungen

Wenn der Prozess exakt geführt wird und ein kontinuierliches Monitoring läuft, sind mit dem Heißnietverfahren sehr hohe Festigkeiten zu erreichen. Das zeigen Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung.

Kunststoffe werden vielfach industriell eingesetzt, und stets neue Materialien steigern die Anzahl an möglichen Verbindungen von Mischmaterialien. Das macht Fügeprozesse wie Kleben und Kunststoffnieten besonders interessant.

Doch muss jedes gefügte Bauteil bestimmte Kräfte und Umwelteinflüsse aushalten. Für verschiedene Verbindungstechnologien helfen dem Konstrukteur Normen zu Maßen und Kräften, sein Bauteil zu entwerfen. Die bestehende Normenlage zu Kunststoffnietverfahren bietet allerdings heute keine ausreichende Grundlage mehr, und so kursieren viele eigenentwickelte Richtlinien. Darüber hinaus sagt ein Materialdatenblatt nicht, in welchem Temperaturbereich eine Heißvernietung durchzuführen ist.
Das hat die Weikersheimer Bdtronic GmbH veranlasst, gemeinsam mit einem namhaften Kunststoff-Hersteller und der Professur Kunststoffe an der Technischen Universität Chemnitz eine Grundlagenuntersuchung durchzuführen. Dabei sollten die optimalen Prozesswerte zu Verstemmdruck, Temperaturbereich, Nietdom-Geometrie, Stempelform und Heizzeit definiert werden. Als Beispiel wurden zwei Werkstoffe untersucht, wie sie bei Elektroniken häufig verwendet werden: PBT und PA66 mit Glasfaseranteilen von 30 %. Beide gehören zu den teilkristallinen Thermoplasten, die über sehr kleine Prozessfenster zwischen fest und flüssig verfügen.
Das Heißnieten – auch Heißverstemmen oder Warmumformen genannt – ist ein form- oder stoffschlüssiges, nicht lösbares Fügeverfahren. Ein thermoplastisches Kunststoffbauteil erhält beim Spritzguß Dome, auf die der Fügepartner aufgesteckt wird. Über Energieeinkopplung werden die Dome geschmolzen und mit einem Stempel umgeformt.
Da hier keine Verbrauchsmaterialien benötigt werden, sind Kosten und Logistikaufwand geringer als beim Schrauben. Der Prozess läuft sauber, da sich keine Späne bilden. Schließlich lassen sich auch unterschiedliche Materialien fügen, sofern nur ein Fügepartner ein Thermoplast ist.
Bdtronic hat hierfür zwei spezielle Verfahren entwickelt, das Heißstempelverfahren BHS Hot Stamp und das Heißluftverfahren BHS Hot Jet. Beide arbeiten im Ein-Takt-Verfahren mit integrierter Kühlung, so dass im Z-Hub keine Achsbewegung benötigt wird.
Deren aktive dynamische Temperaturregelung im Millisekunden-Bereich sichert die Prozesswiederholbarkeit und Genauigkeit, unabhängig von Ausgangstemperaturen und Umgebungsbedingungen. Die Temperatur-, Strom-, Leistungs- und Gasflusswerte und auch die Zeit-Weg-Messung der Stempelposition werden erfasst. Die Messwerte lassen sich darstellen, analysieren und speichern. Damit können nach Angaben der Weikersheimer auch teilkristalline Thermoplaste sicher, energieeffizient und reproduzierbar verarbeitet werden, in Temperaturregelbereichen ab ± 5 °C. Bei einer Solltemperatur von 300 °C gibt es also mit Hysterese einen Regelbereich von 5 °C .
In den Versuchen an der TU Chemnitz wurde das BHS-Verfahren mit seiner exakten Temperaturmessung und –regelung gezielt dafür genutzt, den Prozess des Heißnietens und die relevanten Daten genau abzubilden. Aus den Ergebnissen ließen sich reproduzierbare Prozessfenster für das Fügen der beiden Werkstoffe PBT und PA66 ableiten.
Bewertet wurden die Gefügeeigenschaften und Abzugswerte. In vergleichenden Versuchsreihen erzielte das BHS-Hot-Stamp-Verfahren mit über 750 N für einen 3-mm-Durchmesser-Vollniet die höchsten Abzugswerte.
Dieses Ergebnis überraschte. Aller Erfahrung nach sollten Kunststoffe als schlecht wärmeleitende Materialien sehr homogen bis zur Umform-Temperatur erhitzt werden, um eine optimale Gefügestruktur zu bekommen – was mit einem Stempel nicht einfach zu erreichen ist. Heißluftverfahren ermöglichen hier ein homogenes Plastifizieren des gesamten Nietdoms. Das Heißstempelverfahren erlaubt hingegen – mit gängigen Prozessabläufen – lediglich das Aufschmelzen und Verdrängen des Materials über die Kontaktfläche an der Nietspitze. Der entstandene Nietkopf weist also Schwachstellen auf, sobald der Prozess nicht optimal läuft. Werden jedoch der Ablauf und die Geometrie von Niet und Stempel optimal gewählt, verbessert sich die Festigkeit um mehr als 300 %. Als Fazit der Versuchsreihen wurde eine neue Konstruktionsrichtlinie abgeleitet. Sie findet den Kompromiss zwischen minimaler Taktzeit und maximaler Festigkeit. Die Forschung mit der TU Chemnitz läuft bereits weiter, um mehr Materialien und Einflussfaktoren zu untersuchen.
Yvonne Fischer Bdtronic, Weikersheim

Zum Unternehmen
Bdtronic – ehemals Bartec Dispensing Technology GmbH – ist als Systemlieferant für die Automobilindustrie und Medizintechnik tätig. Die branchenüblichen Anforderungen an Prozessüberwachung, Rückverfolgbarkeit und Dauerbetrieb für alle Produktionsprozesse werden beim Aufbau aller Anlagen berücksichtigt. Das Unternehmen beschäftigt sich seit den 1980er Jahren mit dem Aufbereiten, Mischen und Dosieren von ein- und mehrkomponentigen Reaktionsgießharzen, Dichtmaterialien, Klebstoffen, Schäumen, Wärmeleitpasten und anderen Materialien, die insbesondere für elektronische Geräte eingesetzt werden. Heute steht neben der Automatisierungstechnik für Fertigungslinien, der Imprägniertechnologie von Motorwicklungen und der Plasmavorbehandlung von Oberflächen auch das Kunststoffumformen zur Verfügung. Mit dem 2012 eingeführten neuen Firmennamen präsentieren sich die Weikersheimer als Systemanbieter mit vielseitigen Kompetenzen und erweitertem Technikumsbereich.

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