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Robo-Reha mit Gefühl

Pneumatik oder elektrische Antriebe: Maschine erkennt, wie der Mensch reagiert
Robo-Reha mit Gefühl

Die Technik in einem neuen Reha-Gerät für die Schulter ist dem menschlichen Arm nachempfunden. Sie arbeitet mit Gefühl und eröffnet so neue Betreuungsmethoden. Erste klinische Tests waren erfolgreich – und es gibt weitere Einsatzmöglichkeiten für die hier verwendeten Antriebslösungen.

Helfende Roboter halten Einzug in den Gesundheitsbereich. Ihre Aufgabe: den Therapeuten unterstützen, damit er sich mehr seiner Haupttätigkeit widmen kann. Das soll den Patienten nützen wie auch die Kosten im Gesundheitssystem im Rahmen halten.

Einen solchen Roboter hat die österreichische Ferrobotics Compliant Robot Technology GmbH, Linz, entwickelt und dafür ein technisches Konzept genutzt, das ursprünglich bei Industrierobotern angesiedelt war. Es versetzt Maschinen in die Lage, auf den Kontakt mit Gegenständen oder Lebewesen zu reagieren und mit seinen Bewegungen vorsichtig zu sein.
Das entscheidende Know-how dafür steckt in der Regelungstechnik. „In allen Systemen mit mehreren Gelenken treten Schwingungen auf, die nicht einfach in den Griff zu bekommen sind“, erläutert Dr. Ronald Naderer, einer der Geschäftsführer und Gründer des Unternehmens. Den Linzern ist das mit ihrem regeltechnischen Wissen gelungen, und das lässt sich heute sowohl für Antriebe mit pneumatischen Muskeln als auch für Speziallösungen mit Elektromotoren nutzen.
Im ersten Fall ermöglicht ein komplexes Zusammenspiel von Muskeln aus Hightech-Materialien, die sich mittels Luftdruck entweder zusammenziehen oder entspannen, die Bewegung. Dabei wird nach Angaben der Entwickler eine gute Anpressgenauigkeit erreicht und das definierte Fahren auf Kontakt einfach ermöglicht. „Unsere sensitive Technologie können wir in einem bionischen Leichtbau-Konzept so verpacken, dass das Gerät Bewegungsmuster ausführt, die mit den menschlichen identisch sind“, sagt Naderer. Mit Elektroantrieben seien ebensolche Eigenschaften erreichbar – allerdings nicht mit Standard-Produkten, sondern mit Zusatzmodulen, die eine sehr weiche Reaktion möglich machen.
Das humanorientierte Umfeld ist laut Naderer ein besonders interessantes Spezialgebiet für die beschriebene Technologie. Dem Schulter-Reha-Gerät verleiht sie das „Gefühl“ für die individuellen Schmerzgrenzen eines Patienten, und es kann auf Kontakt und auf Kraft reagieren. Der Therapeut führt mit dem Therapiearm zu Beginn die Bewegung aus, die dem Patienten durch Wiederholung zu neuer Beweglichkeit verhelfen soll. Diesen Ablauf speichert das Gerät und durchläuft mit dem Patienten exakt das gleiche Bewegungsmuster. Jede Sitzung und die ihr zu Grunde liegenden Parameter werden dabei aufgezeichnet. Das macht den Therapieverlauf nachvollziehbar, reproduzierbar und individuell auswertbar. Die Funktionen des Programmierens und Aufzeichnens sind dabei die gleichen, wie sie in der Industrie genutzt werden.
Sobald aber mit der Übung die individuelle Schmerzgrenze des Patienten überschritten ist, reagiert das Gerät und adaptiert das vorgegebene Bewegungsmuster an die aktuelle Verfassung des Patienten. Danach nähert es sich schrittweise wieder der ursprünglichen Bewegung an, und selbst der kontinuierliche Übergang von der passiven auf eine aktive oder semi-aktive Therapie ist in das Programm integriert.
Das Schulter-Reha-Gerät ist jedoch nur ein Einsatzbeispiel für die sensitive Technik der Österreicher. Auch der so genannte aktive Kontaktflansch, der sich in Kombination mit Robotern jeglicher Art einsetzen lässt, ist berührungssensitiv und kraftgeregelt – er ist Aktor und Sensor in einem. Im industriellen Einsatz ermöglicht er es, mit Standardrobotern zu schleifen, zu polieren oder zu entlacken, weil er Toleranzen aktiv ausgleichen kann. Auch mit Low-cost-Lösungen lässt er sich nach Angaben des Herstellers kombinieren. Damit wollen sich die Linzer vor allem an kleinere und mittlere Unternehmen wenden, die beispielsweise in der Medizintechnik delikate Handlingaufgaben automatisieren wollen.
Ebenfalls in der Medizintechnik ist Ferrobotics mit seinen mobilen Bewegungsplattformen vertreten. Sie vibrieren mit drei oder sechs Freiheitsgraden, wobei die Aktuatoren sowohl weiche und runde Bewegungen als auch starke Beschleunigungsstöße auslösen können. Die Otto Bock Mobility Solutions GmbH, Sinsheim, nutzt diese Technik für einen Rollstuhlsimulator. Derzeit steht er als Demonstrationsobjekt im Science Center in Berlin. Er könnte zukünftig aber auch helfen, die Einstellungen eines Rollstuhls schneller an seinen zukünftigen Nutzer anzupassen oder neuen Nutzern helfen, den Umgang mit diesem Hilfsmittel zu erlernen. op

Der Hersteller
Das Unternehmen Ferrobotics entstand 2006 als Spin-off der Johannes Kepler Universität Linz. Damals wurde eine Software entwickelt, mit der sich Roboter elastisch regeln lassen. In Gewerbe und Industrie sollten damit Lücken in der Automatisierung geschlossen werden, die sensitive, elastische Systeme erforderten.
Heute arbeiten im Team Experten aus den Bereichen Mechatronik, Informatik und Medizintechnik. Neben pneumatischen Lösungen werden auch solche mit Elektromotoren angeboten. Damit sollen die sensitiven Anwendungen auch in Umgebungen möglich sein, in denen ein Druckluftanschluss nicht ohne Weiteres verfügbar ist. Das gilt insbesondere für den Einsatz im Umfeld der Gesundheitsbranche. Erstgespräche für Vertrieb und Verwertung von Robo-Reha sind bereits angelaufen.

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