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Praktischer wäre besser

Gebrauchstauglichkeit: Blutzuckermessgeräte auf dem Prüfstand
Praktischer wäre besser

Ob Patienten ihre Medizingeräte problemlos bedienen können, zeigt eine Studie, die das Unternehmen UID zusammen mit der Stuttgarter Hochschule der Medien durchgeführt hat. Hersteller könnten Dinge besser machen – so das Fazit.

Kein Gerät ist an sich gut oder schlecht zu bedienen – die Bewertung hängt immer davon ab, wer es nutzt und in welchem Zusammenhang. Das gilt auch für Geräte, mit denen Diabetes-mellitus-Patienten ihren Blutzuckerwert bestimmen. Allerdings ist das Verhältnis zwischen den Anforderungen der Zielgruppe und den von einigen marktüblichen Geräten gebotenen Funktionen eher unerfreulich: In einer vergleichenden Studie zeigte sich, dass von elf getesteten Produkten nur zwei „akzeptabel“ waren. Selbst diese erfüllten aber nur zu rund 70 % die vorher definierten Kriterien für Gebrauchstauglichkeit. Die Mehrzahl hingegen landete zwischen 50 und 60 % erfüllter Merkmale.

Laut Alexander Steffen, einem der Autoren der Studie, lässt sich aus diesen Ergebnissen ein dringender Verbesserungsbedarf bei der Gebrauchstauglichkeit der Blutzuckermessgeräte erkennen: „Selbst kleine Unzulänglichkeiten können ja dazu führen, dass ein Patient wegen falsch abgelesener Werte sein Insulin falsch dosiert. Ein nicht gut lesbares Display birgt also unter Umständen ein hohes Risiko.“
Die Ende 2008 veröffentlichte Studie haben Mitarbeiter der User Interface Design GmbH in Ludwigsburg, für die auch Steffen als Manager Medical Solutions tätig ist, mit der Stuttgarter Hochschule der Medien erstellt. Die Basis ihrer Ergebnisse war eine detaillierte Analyse der Nutzergruppe und ihrer Bedürfnisse. Wer seinen Zuckerwert misst, ist demnach häufig über 65 Jahre alt, kann über das durch den Unterzucker bedingte Zittern und die Nervosität hinaus vielleicht nicht gut sehen und hören. Er spricht eher wenig Englisch und nutzt aus einem Gefühl der Unsicherheit heraus nur dringend erforderliche Funktionen. „Solche Informationen über die Nutzer sollten für jede Geräteentwicklung vorliegen“, meint Steffen. Dann könnten die Produkte auf die Anforderungen abgestimmt werden.
In der Studie aber fielen den Experten Mängel auf, von denen hier einige Beispiele aus dem Bereich der generellen Design-Prinzipien genannt seien:
  • Auf Anzeigen tauchten viele englische Begriffe auf. Ältere Nutzer fangen mit „Fast Facts“ statt „Speicher“ wenig an.
  • Besser als 10/07 wäre eine selbsterklärende Datumsanzeige, aus der ohne Nachdenken hervorgeht, ob ein Wert vom 10. Juli oder aus dem Oktober 2007 stammt.
  • Der Nutzer möchte wissen, ob das Gerät beispielsweise den Speicherbefehl ausgeführt hat. Die Rückmeldung fehlte oft.
  • Eine Fehlermeldung ist gut. Sie könnte nützlich sein, wenn das Gerät zugleich auf die Ursache hinweist oder einen Tipp gibt, was nun zu tun ist.
  • Für den Nutzer ist es lästig, wenn er sich durch das Datums- und Signalton-Menü drücken muss, um die Uhrzeit zu ändern.
Um solche Mängel zu vermeiden, empfiehlt Steffen, in einer Untersuchung „mit durchaus vertretbarem Aufwand und Kosten“ schon früh die Bedürfnisse der Zielgruppe im Nutzungskontext zu erfassen. Das schaffe von Anfang an eine Struktur, an der sich die Entwickler orientieren könnten. So würden im weiteren Projektverlauf aufwendige Korrekturen vermieden.
Auf Basis der erkannten Mängel haben die Autoren der Studie Tipps abgeleitet, wie Entwickler zu „praktischeren“ Geräten kommen können. Diesen Weg gehen laut Steffen bisher noch zu wenige Hersteller. Die Ergebnisse seien aber für die Branche sehr interessant, da die IEC-Richtlinie 62366 zur Gebrauchstauglichkeit schon formuliert sei und ab Frühjahr 2010 gültig werde. Sie fordert eine Dokumentation von Gebrauchstauglichkeitstests zu jedem neuen Produkt. op

Einfacher gelöst
Abgeleitet aus den Ergebnissen ihrer Gebrauchstauglichkeitsstudie empfehlen die Fachleute von UID folgende Verbesserungen bei der Entwicklung von Bedienelementen:
    • Zeitvorgaben für die Bedienung sollten vermieden werden.
    • Eine Überschrift sollte aussagekräftig sein und eine Abkürzung auf Anhieb verständlich.
    • Englische Begriffe sind zu vermeiden.
    • Was auf der Anzeige auftaucht, sollte klar gekennzeichnet sein.
    • Der Benutzer möchte jeden Schritt bei der Bedienung sehen können.
    • Es ist keine gute Idee, Funktionen über kombinierte Drücken-Halten-Mechanismen aufrufen zu lassen.
    • Weniger Bedienelemente sind mehr.
    • Erforderliche Bedienelemente sollten mit einer Beschriftung oder einem Symbol gekennzeichnet sein.

Experten-Hotline
Wie soll der Touchscreen aussehen, damit der spätere Nutzer möglichst zufrieden damit ist und sich schnell zurechtfindet? Wenn jedes Teammitglied eine Idee hat, die auf den ersten Blick bei den Kollegen gut ankommt, fällt die Entscheidung im Detail manchmal schwer.
Für solche Fälle bieten die Experten der Apliki GmbH & Co. KG ihren Rat über eine Hotline an: Die Berliner haben sich auf psychologische IT-Beratung an der Schnittstelle zwischen Mensch und Gerät spezialisiert und bereits erste Kunden aus dem Bereich Medizintechnik betreut. „Da die Denkstruktur von Menschen relativ ähnlich ist, können wir beurteilen, wie sie auf bestimmte Funktionen reagieren – und das ist unabhängig davon, ob es um einen Arzt, eine Schwester oder einen Patienten geht“, erläutert Apliki-Geschäftsführer Steffen Eßers.
Ein Anruf bei der Hotline oder eine E-Mail mit Frage plus Bild genüge oftmals schon, um mit Hilfe der Meinung eines Fachmannes zwischen zwei oder drei Varianten zu entscheiden – statt lange über die mutmaßlichen Vorlieben der Nutzer oder den besten Platz für einen Schaltknopf zu spekulieren. Online erhielten Entwickler nach einem Arbeitsaufwand von durchschnittlich 1,5 Arbeitsstunden eine professionelle Empfehlung auf kleine Usability-Fragen. Spätestens nach zwei Arbeitstagen könnten die Experten, die auf jahrelange Erfahrung aus Usabilitytests und der Entwicklung von Interaktionsdesigns zurückgreifen könnten, solche Antworten liefern.

Ihr Stichwort
• Studie zu Bedienfunktionen
• Risiko durch falsches Ablesen
• Hoher Verbesserungsbedarf • Analyse des Nutzungskontexts • Optimierungsansätze
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