Klimaanlagen bestimmen den Energieverbrauch von Rein- räumen. Folglich lohnt es sich, sie unter Energiegesichtspunkten zu optimieren. Ein neues Verfahren misst dafür die tatsächlichen Luftströme, Temperaturen, Feuchten und Drücke.
„Der Energieverbrauch der Lüftungs- und Klimaanlagen für Reinräume kann bis zu 60 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der Reinraumproduktion betragen“, sagt Michael Kuhn, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Energie-, Umwelt- und Reinraumtechnik in Offenburg (STZ Euro). Angesichts steigender Energiepreise suchen daher viele Betreiber nach Verbesserungsmöglichkeiten.
Wer Betriebsoptimierungsmaßnahmen an der Klimaanlage durchführt, steht allerdings oft vor einem Problem: Wenn nämlich eine Trennung zwischen den prozessbedingten und den Klimaanlagen-bedingten Energieströmen nicht möglich ist. Das heißt, es wird nur der Gesamtenergieverbrauch, also die Einspeisung ins Gebäude, gemessen. Anhand dieser Zählerdaten kann man somit nicht auf den Erfolg oder Misserfolg von Energiesparmaßnahmen an der Klimaanlage schließen, da die prozessbedingten Energieverbräuche stark von der Produktionsauslastung abhängen und zudem die Energieverbräuche der Klimaanlagen – beziehungsweise die Außentemperatur und der Außenluftwassergehalt – witterungsabhängig sind. Außerdem ist ein dokumentierter und nachvollziehbarer Nachweis über die eingesparten Energieströme notwendig.
Diese Punkte berücksichtigt das Verfahren des STZ EURO, das seit August 2009 bei einem Biotechnologie-Hersteller im Schweizer Kanton Basel zum Einsatz kommt. Nach Angaben von Kuhn ist das Verfahren ab einer Luftmenge von rund 20 000 m3/h für Einzelanlagen wirtschaftlich sinnvoll anwendbar. Es umfasst die automatisierte Energiedatenerfassung der Anlagen, die Anlagensimulation auf Basis der erfassten Energiedaten, und die Vorausberechnung des künftigen Energiebedarfs und der Energiekosten für die geplanten Energieeinsparmaßnahmen sowie den fortlaufenden Soll-Ist-Vergleich. Dies erfolgt unter Berücksichtigung beziehungsweise Bereinigung der Einflüsse durch Witterung und Produktionsauslastung auf die Energieverbräuche. Dabei werden über einen Zeitraum von einem Betriebsjahr die relevanten Daten kontinuierlich erfasst und ausgewertet.
Basis für das Verfahren bilden hochwertige Sensoren, deren Daten gesammelt und mit einer speziellen Software aufbereitet und analysiert werden. Die Qualität und Platzierung der zusätzlich installierten Sensoren ist laut Kuhn maßgeblich für die erreichbare Genauigkeit der Energieverbrauchsberechnung. So wurden beim Schweizer Biotechnologieunternehmen neben Sensoren, die Temperatur, Feuchte, Luftströme und Drücke messen, zusätzlich Differenzdruckaufnehmer für die Ventilatormessdüse und den Differenzdruck über den Ventilator an sieben Lüftungs-Zentralgeräten installiert. Um jegliche Beeinflussung von GMP-relevanten Daten und Funktionen ausschließen zu können, wurde ein von der Gebäudeleittechnik getrenntes System aufgebaut. Die Messdaten können im Sekundentakt erfasst und verdichtet werden. Diese werden einmal täglich an den PC des Dienstleisters zur Bilanzierung und Auswertung übertragen.
Den Soll-Energiebedarf berechnet das STZ Euro durch Anlagensimulation unter Berücksichtigung der zulässigen Grenzwerte für Temperatur, Feuchte und gegebenenfalls Luftwechsel, der optimalen regelungstechnischen Betriebsweise sowie der geplanten Wirkungsgrade der Wärmerückgewinnung und der Ventilatoren. Dieser Zustand wird in den Folgejahren dynamisch aktualisiert.
Hauptvorteil des Verfahrens im Vergleich mit der Datenerfassung über Energiezähler ist die verfügbare Detailinformation in der Anlage. „Energiezähler liefern bei korrekter Systemeinbindung zwar recht präzise die realen Energieverbräuche. Deren Bewertung ist aber nur möglich, wenn die mit dem neuen Verfahren ohnehin erfassten Daten zusätzlich erfasst und ausgewertet werden“, so Kuhn. Ein Soll-Ist-Vergleich auf Basis von Energiezählerdaten sei wegen der komplexen thermodynamischen Zusammenhänge allenfalls für den Stromverbrauch möglich. Das Verfahren rechnet sich zudem. Kuhn: „Unser Kunde hat die Kosten beider Methoden verglichen. Dabei war die Datenerfassung über unsere Methode nur rund 1000 Euro teurer als die Variante mit den Energiezählern.“
Sabine Koll Fachjournalistin in Böblingen
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