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Mit feinem Strahl

Laserstrahlschweißen: Präzision legt zu und Werkstoffauswahl wird flexibler
Mit feinem Strahl

Faserlaser und neue Technologien bei der Prozessführung erlauben es, Kunststoffe mikrometergenau und innerhalb eines einzigen Bauteils verschiedene Werkstoffe prozesssicher zu verschweißen. Das gilt nicht nur für verschiedene Kunststoffe, sondern auch die Paarung Kunststoff plus Metall.

Miniaturisierung und der Einsatz verschiedener Werkstoffe fordern die Fügetechniker heraus – speziell in der Medizintechnik. Einerseits dürfen beim Fügen keine schädlichen Produkte entstehen und die Fügestelle darf Verschmutzungen keine Angriffspunkte bieten. Andererseits sind hohe Festigkeit und Dichtheit der Verbindung sicherzustellen, um sowohl hohen mechanischen Kräften als auch hohen Temperaturwechselbelastungen standzuhalten – etwa während der Sterilisation. Gefordert sind zudem Fügeverfahren, die darüber hinaus

  • das Bauteil nur minimal thermisch beeinflussen,
  • auch verschiedene Werkstoffe schnell verbinden und
  • den Anforderungen hinsichtlich kurzer Taktzeiten und geringer Produktionskosten genügen.
Das Laserstrahlfügen mit den Verfahren Metallschweißen und Kunststoffschweißen – etwa Twist zum Präzisions-Kunststoffschweißen – sowie der kürzlich ebenfalls am Aachener Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) entwickelten Liftec-Technologie zum Verbinden artungleicher Werkstoffe genügt nicht nur den hohen Qualitätsstandards der Medizintechnik, sondern ist auch hochproduktiv aufgrund hoher Prozessgeschwindigkeiten. Von Vorteil sind dabei insbesondere neue Laserstrahlquellen wie Faserlaser, die eine extreme Fokussierbarkeit auf wenige Mikrometer erlauben. Und mit neuen Wellenlängen lässt sich der Fügeprozess selektiv an die Werkstoffeigenschaften anpassen. Den Gerätebauern stehen so leistungsfähige Verfahren zur Verfügung, die eine höhere Integrationsdichte, die Nutzung beinahe beliebiger Werkstoffkombinationen und eine hohe Prozesssicherheit bei maximaler Flexibilität erlauben.
Kanäle der Mikrofluidik bleiben offen
Twist – das Kürzel steht für Transmission Welding by an Incremental Scanning Technique – ist dabei ein neues Verfahren zum Präzisions-Kunststoffschweißen. Denn Polymere sind in der Medizintechnik nicht nur für Einwegprodukte, sondern zunehmend auch für komplexe Bauteile der ideale Werkstoff. Gegenüber den klassischen Verbindungstechniken wie Kleben und Ultraschallschweißen setzt sich hier das Laserstrahlschweißen aufgrund der geringeren Bauteilbeeinflussung und höheren Reproduzierbarkeit vermehrt durch.
Ausschlaggebend für die Entwicklung dieser neuen Fügetechnik ist die Verfügbarkeit von Strahlquellen mit nahezu idealer Strahlqualität, wie etwa Faser- oder Scheibenlaser. Sie punktet zudem mit geringen Investitionskosten, kleinen Abmessungen und einem hohen Wirkungsgrad. Mit der hohen Strahlqualität des Single-Mode-Faserlasers (M² < 1,1) werden bei typischen Arbeitsabständen von 100 mm sehr kleine Fokusdurchmesser von 20 – 30 µm erreicht. Allerdings führt dies bei Leistungen im Bereich von einigen 10 W zu Intensitäten größer 106 W/cm² – was zum Schneiden oder Schweißen von Metallen ausreicht. Bei Kunststoffen führt das aber zu einer Überhitzung und sofortigen Degradation des Werkstoffs.
Um das zu verhindern, wird der Laserstrahl hochdynamisch senkrecht zur Fügerichtung beziehungsweise in zuvor definiert festgelegten Scanfiguren bewegt. Innerhalb des Laserstrahlfokus wird der Werkstoff auf diese Weise sehr schnell auf Schmelztemperatur gebracht und über die hohe Geschwindigkeit von mehreren m/s ein sehr dünner schmelzflüssiger Bereich erzeugt. Auf diese Weise wird weniger Energie zur Erzeugung der Schmelzzone benötigt und das Schmelzvolumen reduziert.
Die sich daraus ergebende reduzierte Wärmeeinflusszone sowie die grundsätzliche Eigenschaft, dass die Bauteile ohne Abzeichnung und mit geringem Verzug verschweißt werden können, zeichnen das neue Laser-Fügeverfahren aus – ideal insbesondere für Anwendungen in Mikrofluidik und Medizintechnik. Denn neben dem wesentlichen Argument der Verschmutzungsfreiheit (durch das sichere Vermeiden von Zersetzungen und Verdampfungen in der Schweißzone) lassen sich mit diesem Verfahren flexible Schweißnahtbreiten von 80 bis 500 µm erzeugen, bei einer Genauigkeit der Schmelzzone von nur 10 µm. Damit werden Dichtschweißungen an Mikrofluidkanälen entlang der Kanalstruktur möglich, ohne die Bauteilstruktur zu verändern. Beim konventionellen Konturschweißen wäre demgegenüber die Wärmeeinflusszone zu groß und die Kanäle würden durch die Schmelze verschlossen, die Funktion des Bauteils könnte nicht mehr erhalten werden.
Die steigende Funktionalität medizintechnischer Produkte erfordert inzwischen häufig auch die Verbindung artungleicher Werkstoffe. Dafür werden heute in der Regel Klebeverfahren eingesetzt, die jedoch einerseits lange Verarbeitungszeiten erfordern und andererseits nicht sterilisationsfest sind. Zur Herstellung solcher Hybridbauteile, etwa aus Metall und Kunststoff, steht nun mit dem Liftec-Verfahren (Laser Induced Fusion TEChnology) ebenfalls ein neues laserbasiertes Fügeverfahren bereit, das ohne Zusatzwerkstoffe auskommt.
Kunststoff und Metall formschlüssig verbinden
Beim Liftec-Verfahren wird das Metallbauteil durch den zu fügenden Kunststoffpartner hindurch mit Laserstrahlung erwärmt. Dabei muss der Metallpartner eine höhere Schmelztemperatur aufweisen als der zweite Fügepartner. Bei Erreichen der Schmelztemperatur des Kunststoffes wird das Metall- in das Kunststoffbauteil hineingedrückt. Bei Auswahl einer geeigneten Bauteilgeometrie wird nach der Abkühlung eine feste, formschlüssige Verbindung erzielt. Dies kann sowohl eine Verdickung sein, die der Kunststoff beim Eindringen umfließt, als auch eine Nut oder eine Bohrung, durch die der Kunststoff hindurch fließen kann, um einen Formschluss herzustellen. Ein weiterer Vorteil ist der robuste Prozess, der auch nicht durch Verschmutzungen der Oberfläche (etwa durch Trennmittel oder Öl) beeinflusst wird.
Durch eine geeignete Mikrostrukturierung der Metalloberfläche und die dadurch realisierten Hinterschnitte lassen sich Kunststoffe mit Metall mit ausreichender Festigkeit verbinden. Die Auswertung von Zugversuchen zeigt im Vergleich zu einer Referenzklebung eine deutlich höhere Festigkeit, die im Bereich der Materialfestigkeit des Kunststoffes liegt. Die Tragfestigkeit der Verbindung ist dabei lediglich von der Zugfestigkeit des Kunststoffes abhängig. Mit zunehmender Strukturdichte lassen sich so höhere Festigkeiten erreichen.
Die Fügezeiten liegen bei Verwendung von Diodenlasern mit Leistungen bis etwa 50 W unter einer Sekunde, so dass dieses neue Verfahren auch für Großserienanwendungen mit kurzen Taktzeiten geeignet ist. Aktuell wird zudem untersucht, ob sich auf diese Weise auch Werkstoffkombinationen wie Keramik/Kunststoff, Glas/Kunststoff oder verschiedene Kunststoffe fügen lassen – was bisher nicht möglich war (etwa Teflon/Thermoplast). Darüber hinaus bietet das Verfahren die Möglichkeit, siliziumbasierte Mikrosysteme ohne Klebeverfahren bei kurzen Prozesszeiten in ein kunststoffbasiertes Bauteil einzufügen.
Arnold Gillner, Andrei Boglea und Jens Holtkamp Wissenschaftliche Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen

Ihr Stichwort
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