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Manche Chance noch ungenutzt

Neues E-Health-Gesetz: Fester Zeitplan für die Einführung der Telematik-Infrastruktur
Manche Chance noch ungenutzt

Anfang Dezember 2015 wurde das E-Health-Gesetz verabschiedet, mit dem Jahreswechsel ist es in Kraft getreten. Die bundesweite Einführung der Telematik-Infrastruktur ist damit festgeschrieben: Bis Mitte 2018 sollen Arztpraxen und Kranken- häuser flächendeckend angeschlossen sein.

Das so genannte E-Health-Gesetz (Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen) schreibt erstmals einen konkreten Fahrplan für die Einführung einer sicheren digitalen Anbindung im Gesundheitswesen und nutzbringender Anwendungen vor: Der flächendeckende Anschluss an die Telematik-Infrastruktur von Ärzten, Zahnärzten, Krankenhäusern, Apotheken und Versicherten soll zwischen Mitte 2016 bis Mitte 2018 erfolgen. Nachdem es bei der Erprobung und Einführung von elektronischer Gesundheitskarte (eGK) & Co. in der Vergangenheit immer wieder Verzögerungen gegeben hatte (immerhin stammt der Beschluss, die eGK einzuführen aus dem Jahr 2004), sind im E-Health-Gesetz nun sowohl Anreize als auch Sanktionen vorgesehen, die dazu beitragen sollen, dass die Beteiligten den vorgesehenen Zeitrahmen einhalten. Schließlich geht es um nicht weniger, als darum, mit einer sicheren digitalen Infrastruktur die Voraussetzungen für die medizinische Versorgung der Zukunft zu schaffen. Die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (Gematik) rückt nun in den Mittelpunkt der Aktivitäten. Als von den Spitzenverbänden der Leistungserbringer und Kostenträger des deutschen Gesundheitswesens gegründete Organisation, obliegt der Gematik die Verantwortung über die gesamte Planung für den Aufbau der Telematik-Infrastruktur. Bei Nichteinhaltung der Fristen wird das Haushaltsvolumen der Gesellschafter ab dem Jahr 2017 reduziert.

Über die angestrebten Anwendungen ließe sich im Einzelnen vieles sagen. Eine der grundlegendsten Aufgaben für die Hersteller von Gesundheits-IT wird es jedoch sein, den Aufbau des Interoperabilitätsverzeichnisses aktiv mitzugestalten. Denn um Anwendungen, wie beispielsweise die Telemedizin, in die Fläche zu bringen, müssen verschiedene IT-Systeme miteinander kommunizieren können. Die Gematik ist daher verpflichtet – in Zusammenarbeit mit den Industriekonsortien –, bis zum 30. Juni 2017 ein Interoperabilitätsverzeichnis zu erstellen, das für Transparenz über die von den verschiedenen IT-Systemen im Gesundheitswesen verwendeten Standards sorgt. Zwar gibt es in Deutschland bereits viele Ansätze, Interoperabilität zwischen einzelnen IT-Lösungen herzustellen. Was jedoch fehlt, ist die Überführung entsprechender Anwendungen in die Regelversorgung als Voraussetzung für nachhaltige Geschäftsmodelle. Mit der Entwicklung technischer und semantischer Standards für das Verzeichnis sollen sich Insellösungen in Zukunft vermeiden lassen. Neue Anwendungen sollen nur noch dann aus den Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden, wenn die im Gesetz vorgesehenen Festlegungen und Empfehlungen der Gematik aus dem Interoperabilitätsverzeichnis berücksichtigt sind.
Ein hoher Aufwand, wie ihn der Aufbau der Telematik-Infrastruktur mit sich bringt, wirft immer auch die Frage nach dem Mehrwert auf. Dazu Ekkehard Mittelstaedt, Geschäftsführer des Bundesverband Gesundheits-IT e. V. (bvitg): „Die Vernetzung des Gesundheitswesens eröffnet enorme Potenziale zur Effizienzsteigerung der Gesundheitsversorgung. Es existieren heute vielfältige, moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, die die Gesundheitsversorgung verbessern können – insbesondere wenn eine sichere Kommunikation auf Basis interoperabler Standards gegeben ist.“ Ziel müsse es sein, alle am Leistungsgeschehen Beteiligten zu vernetzen und die für die Behandlung relevanten Informationen zur richtigen Zeit am Point of Care in der erforderlichen Güte zur Verfügung zu haben. „Die Gesundheits-IT ist hier der Schlüssel zum Erfolg – und die elektronische Patientenakte Teil der Lösung“, so Mittelstaedt.
Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom e. V., meint: „Die Digitalisierung bietet ein ähnlich großes Potenzial für die Gesundheitsversorgung wie die Erfindung des Penizillins oder die Entschlüsselung des menschlichen Genoms.“ Sie könne Prävention und Therapie von Krankheiten entscheidend verbessern, zum Beispiel indem sie die telemedizinische Versorgung von chronisch kranken Menschen auf dem Land ermögliche. „Endlich werden innovative Lösungen zum Wohle der Patienten nicht mehr global als Fernbehandlung verboten.“ Allerdings haben aus Bitkom-Sicht immer noch zu wenige telemedizinische Anwendungen Eingang ins Gesetz gefunden. „Per Telemonitoring könnte man die Versorgung für Schlaganfall- oder Diabetespatienten auf ein ganz neues Niveau heben. Diese Chancen bleiben im vorliegenden Gesetz leider ungenutzt, obwohl der Koalitionsvertrag hier ehrgeizigere Ziele formuliert hatte“, so Bitkom-Chef Rohleder.
Diese Zögerlichkeit führe auch dazu, dass Start-ups aus diesem Bereich Deutschland teils den Rücken kehrten. Es sei also höchste Zeit, dass Bewegung ins Thema kommt. Es bleibt abzuwarten, wie einfach oder schwierig sich die Anbindung in der Praxis gestalten wird. Auf der Website des Bundesverbands der Krankenhaus-IT-Leiterinnen/-Leiter e. V. ist in einer Stellungnahme zu lesen, dass es zunächst spannend bleiben werde, ob und wie die Anbindung deutscher Krankenhäuser an die Telematik-Infrastruktur gelinge. Nicht zuletzt ist die Sicherheit ein ganz wesentlicher Aspekt, wenn es um den Austausch sensibler Daten geht – auch in Anbetracht der Sicherheitslücken, die sich in anderen Bereichen und Branchen in der ITK schon aufgetan haben.
Auf die Frage, ob sich im Zusammenhang mit einer Telematik-Infrastruktur überhaupt von „Sicherheit“ sprechen lässt, antwortet Mittelstaedt: „Mit Blick auf das, was heute Gang und Gäbe ist, mit Sicherheit: Ja! Oder glauben Sie, eine Fax-Meldung ist sicherer als eine verschlüsselte, den sicherheitstechnischen Anforderungen der BSI entsprechende Kommunikation via einer eigens hierfür entwickelten Telematik-Infrastruktur?“ Nun – hoffentlich nicht.
Ramona Riesterer Fachjournalistin in Stuttgart

Anwendungen, Zeitrahmen, Stichtage
  • Die Onlineprüfung und -aktualisierung von Versichertenstammdaten soll bis Mitte 2018 flächendeckend eingeführt sein.
  • Elektronische Arztbriefe werden bei Verwendung eines elektronischen Heilberufsausweises ab 2017 gefördert.
  • Ab April 2017 werden telemedizinische Leistungen in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen.
  • Ab 2018 sollen auf Wunsch des Versicherten medizinische Notfalldaten auf der eGK gespeichert werden.
  • In einem Patientenfach auf der eGK sollen sich alle Daten, auch Patienten-eigene, ablegen lassen, und zwar für den Patienten auch außerhalb einer Arztpraxis einsehbar. Dafür und für die elektronische Patientenakte muss die Gematik bis Ende 2018 die Voraussetzungen schaffen.
  • Wer drei oder mehr Arzneimittel anwendet, hat ab Oktober 2016 Anspruch auf einen Medikationsplan (wohlgemerkt: gedruckt), der ab 2018 auch elektronisch auf der eGK abrufbar sein soll.
  • Bei Nichteinhaltung der Fristen müssen die Gesellschafter der Gematik ab dem Jahr 2017 mit einem Haushaltsvolumen von 2014 auskommen, zusätzlich reduziert um 1 %.

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