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Kabellos in die Zukunft

Bluetooth Medical: Neues Profil für funkgestützte Anwendungen
Kabellos in die Zukunft

An einem einheitlichen Standard für den Einsatz von Bluetooth in der Medizintechnik arbeiten derzeit die Hersteller. Ihr Bluetooth Medical Device Profile soll 2008 auf den Markt kommen und könnte einen Standardisierungsdruck hervorrufen.

Im Jahr 2008 will die Body Tel Scientific Inc. aus dem US-amerikanischen Henderson/Nevada rund 350 000 Blutzuckermessgeräte vom Typ Gluco Tel bauen, die zu einem telemedizinischen Selbstmanagement-System für Diabetes-Patienten gehören: Es erfasst den Glukosewert und sendet ihn über das Bluetooth-Protokoll an das Mobiltelefon des Patienten. Das schickt die Daten per SMS oder Internet an eine Datenbank, die die Messwerte zentral dokumentiert.

Diese Art von kabellosen Anwendungen hat nach Auskunft von Experten die besten Chancen, schon bald in größerem Ausmaß eingesetzt zu werden. Bluetooth sei eine reife Technologie, heißt es, da sie in der Telekommunikation schon millionenfach erprobt ist. Einsatzmöglichkeiten in der Medizintechnik sind das Überwachen von Patienten, die sich ohne Kabel im Krankenhaus freier bewegen können, der Austausch von Messwerten zwischen Klinik und betreuender Arztpraxis sowie die telemedizinische Betreuung von Patienten.
Die Bluetooth SIG, die Vereinigung der Bluetooth-Hersteller, hat bereits begonnen, hierfür ein branchenspezifisches Profil zu entwickeln: Das Bluetooth Medical Device Profile soll die Übertragung medizinischer -Daten über Bluetooth standardisieren.
Solche Profile haben schon in der Bluetooth-Spezifikation für den allgemeinen Telekommunikationsbereich eine zentrale Bedeutung. Sie ermöglichen es, dass Geräte auf der Anwendungsebene zusammenarbeiten, dass also beispielsweise Mobiltelefon und Headset oder Mobiltelefon und Freisprecheinrichtung kommunizieren. Profile ermöglichen außerdem, dass ein Gerät auf die Funktionen beschränkt bleibt, die für eine spezifische Anwendung erforderlich sind, und somit klein und stromsparend bleibt.
Diese Standardisierung fehlte bisher für medizinische Daten, so dass Geräte verschiedener Hersteller unterschiedliche Arten der Datenübertragung über Bluetooth verwenden. Das betrifft sowohl den Aufbau der Datenpakete als auch das Verpacken der Daten und das verwendete Bluetooth-Profil. „Auf dieser Basis ist nicht einmal der Einsatz von Patienten-Monitoring in großem Stil möglich“, sagt Christian Lührs, Geschäftsführer der Hamburger Stollmann E+V GmbH, dessen Unternehmen Chips plus Software für die Bluetooth-Kommunikation in der Medizintechnik anbietet. „Eine Datenübertragung via Bluetooth macht es aber prinzipiell möglich, die Geräte verschiedener Hersteller einfach miteinander zu kombinieren.“ An dieser Vision arbeitet Lührs in der Medical Working Group der Bluetooth SIG mit. „Und wenn man sieht, dass große Chiphersteller in einem solchen Standardisierungsausschuss mit einer mehrköpfigen Mannschaft vertreten sind, wird einem schnell klar, welches Marktpotenzial hinter so einer Technik stecken kann.“
Das neue Medical Device Profile ist laut Lührs der erste wirklich branchenspezifische Ansatz. Er basiert auf Einsatzfällen wie dem Patienten-Monitoring sowie Anwendungen in Krankenhäusern oder Arztpraxen. Daraus wurden die Anforderungen abgeleitet, die das Profil erfüllen muss.
Das künftige Medizintechnik-Profil besteht aus zwei Teilen. Der erste beschreibt die Übertragungsprotokolle, die für medizinische Daten im Bluetooth-Stack genutzt werden sollen, und wurde von der Medical Working Group der Bluetooth SIG selbst spezifiziert. Der zweite Teil beschreibt die Struktur der medizinischen Daten und bezieht sich dabei auf die Spezifikation IEEE 11073. Datenformate nach diesem Standard sollen zunächst für die Übertragung von Herz- und Kreislaufmessungen und Blutzuckerwerten beschrieben werden, wobei weitere Datenformate für andere Anwendungen geplant sind. Die Bluetooth SIG kooperiere mit den Organisationen, die für die Standardisierung von medizinischen Geräten maßgeblich sind – um den Aufwand zu reduzieren und die Akzeptanz des Medical-Profils bei den Medizingeräteherstellern zu steigern, erläutert Lührs.
Die neuen Übertragungsprotokolle, die in den Bluetooth-Stack integriert wurden, sollen eine Reihe zusätzlicher Funktionen erlauben. So lassen sich mehrere Sensoren zeitlich synchronisieren. Wenn mehrere Sensoren gleichzeitig Messwerte aufnehmen, können diese auch parallel über eine Bluetooth-Schnittstelle übertragen werden. Ende des 1. Quartals 2008 soll die Spezifikation des Medical Device Profiles abgeschlossen sein. Die beteiligten Firmen haben aber bereits begonnen, das Profil zu implementieren. So zeigte Stollmann auf der Medica 2007 schon seine Bluetooth-Modul-Reihe BlueMod+, die für medizinische Geräte geeignet ist.
Laut Lührs ist zu erwarten, dass das Bluetooth Medical Device Profile die Medizintechnik in mehrerer Hinsicht beeinflussen wird. Zum einen verbessere es die Möglichkeiten zum Patienten-Monitoring über Mobiltelefone und andere Netzzugänge. Zum anderen könne es dem IEEE-11073-Standard zum Durchbruch verhelfen, der dann als erster echter herstellerübergreifender Standard den Austausch medizinischer Daten zwischen Medizingeräten ermöglicht, ob mit oder ohne Kabel. „Hier könnte die normative Kraft eines Massenmarktes die zersplitterten Systeme der einzelnen Medizingerätehersteller auf einen gemeinsamen Standard verpflichten, der sich dann auch in angrenzenden Bereichen durchsetzt“, sagt der Hamburger Experte für Kommunikationstechnik. op

Aus Expertensicht

Herr Lührs, wie schnell setzt sich das Bluetooth Medical Profile durch?
Erste Integrationen beginnen 2008, alles Weitere muss sich zeigen.
Welche Vorteile haben die Hersteller von Medizingeräten dadurch?
Potenziell große Kommunikationsmärkte wie das Telemonitoring können nur mit Standards geschaffen werden. Daneben senken Standards die Kosten.
Was müssen Entwickler beachten, die Bluetooth integrieren wollen?
Bluetooth ist eine sehr robuste und leistungsfähige, aber auch komplexe Technologie. Das sollte man nicht unterschätzen.
Wird das Zertifizieren schwieriger?
Die Produkte werden sowieso komplexer, daran hat Bluetooth nur einen kleinen Anteil. Ein Standard vereinfacht daher die Entwicklung und Zertifizierung.

Ihr Stichwort
  • Bluetooth-Standardisierung
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