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Innovativ aus Tradition

Schweizer Medizintechnikindustrie: Eidgenossen produzieren für den Weltmarkt
Innovativ aus Tradition

Innovationen stärken die Schweizer Medizintechnikhersteller im Wettbewerb. Die Basis für den Hightech-Markt kommt traditionell aus der Präzisionstechnik. Die Nähe zur Pharmaindustrie beflügelt die Eidgenossen zusätzlich.

In Relation zu ihrer Einwohnerzahl gehört die Schweiz weltweit zu den führenden Herstellern und Exporteuren medizintechnischer Geräte. Mit 1300 Medizintechnik- Unternehmen erwirtschaftet die Branche einen Jahresbruttoumsatz von ungefähr 20,3 Mrd. sfr (13,4 Mrd. Euro). 70 % der Produktion gehen in den Export.

Mit etwa 45 000 Mitarbeitern beschäftigt die Schweizer Medizintechnikindustrie dabei fast halb so viele Arbeitnehmer wie die deutsche Medizintechnikindustrie mit ihren 100 000 Mitarbeitern. Welchen Stellenwert die Medizintechnik für die Schweizer Volkswirtschaft bereits hat, verdeutlicht auch der Vergleich mit den Beschäftigungszahlen anderer Industrien. So beschäftigt die Uhrenindustrie mit 48 000 Mitarbeitern nur wenig mehr und die Pharmaindustrie mit rund 35 000 Mitarbeitern sogar weniger Personen als die Medizintechnikindustrie.
Mit Wachstumsraten der Gesamtbeschäftigten von mehr als 20 % innerhalb der letzten vier Jahre gehört die Medizintechnikindustrie auch in der Schweiz zu den am schnellsten wachsenden Industrien. Begünstigt wird diese Entwicklung zum einen von der bereits vorhandenen industriellen Basis in der Schweiz. Eine starke Uhren- und Maschinenindustrie erleichtert den Wissenstransfer aus den – für viele medizintechnische Produkte fundamentalen – Technologiefeldern wie Präzisions- und Elektromechanik, Werkstofftechnologie und Verfahren der Oberflächenbehandlungen.
Ferner werden durch die räumliche Nähe zur Pharmaindustrie innovative Kombinationen von Medizintechnik und Biotechnologie forciert. Zum anderen gilt das Schweizer Gesundheitssystem als eines der besten weltweit. Rund 10,7 % des Bruttoinlandsproduktes werden jährlich dafür investiert (zum Vergleich: Deutschland 10,6 %, Österreich 8 %, Großbritannien 7,3 %). Der daraus resultierende hohe Standard im Schweizer Gesundheitswesen schafft einen heimischen Markt für qualitativ hochwertige Medizin-produkte.
Obwohl in der Schweiz beispielsweise mit Phonak (Hörgeräte), Roche Diagnostics (In-vitro-Diagnostik), Synthes (Orthopädie) und Straumann (Zahnprothetik) internationale, börsennotierte Medizintechnikunternehmen beheimatet sind, ist die Branche – analog zu der in Deutschland – sehr stark von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt.
Aktuelle Studien haben gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen und einen Jahresumsatz von unter 10 Mio. Euro erwirtschaften. Durchschnittlich investieren diese Unternehmen dabei rund 10 % ihres Umsatzes wieder in die Entwicklung neuer Produkte – ein im Vergleich zu anderen Industrien sehr hoher Wert.
Das Geschäftsmodell dieser Klein- und Kleinstunternehmen ist dabei häufig durch die Spezialisierung auf technische Nischen charakterisiert. Da oftmals nur sehr begrenzte Ressourcen für umfangreiche Marketing- und Marktforschungsaktivitäten zur Verfügung stehen, legen die Unternehmen großen Wert auf einen engen Kontakt mit Ärzten und Spitälern.
Eine Studie des Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagements der ETH Zürich, die den Einfluss von kundenfokussierten Verhaltensweisen, beispielsweise Lead User Integration in der Innovationsentwicklung oder Empathic-Design-Ansätze in der Produktentwicklung, auf den Markterfolg von Produktinnovationen untersucht, bestätigt diese Einschätzung. Kleinunternehmen schätzen sich selber deutlich kundenorientierter ein als Großunternehmen, agieren zudem dynamischer bei der Adressierung neuer Kundenbedürfnisse und legen mehr Wert auf eine enge Kundenbindung durch eine intensive Fokussierung auf einen entsprechenden After-Sales-Service.
Während sowohl Kleinunternehmen als auch internationale Konzerne ihr Wissen über ihre Wettbewerber, das heißt primär deren Schwächen und Stärken, ähnlich gut einschätzen, reagieren die kleinen Firmen deutlich schneller und sensibler auf aggressive Wettbewerbshandlungen ihrer Konkurrenten. Bezogen auf die Gewinnung von relevanten Marktinformationen gehen allerdings Kleinunternehmen, bedingt durch die strengeren Ressourcenrestriktionen, erwartungsgemäß weniger systematisch vor als Großunternehmen.
So nutzen den Angaben zufolge nur 17 % der Kleinunternehmen Methoden des Empathic-Design, das heißt die intensive Beobachtung von Kunden und deren Umgang mit bereits bestehenden Produkten mit dem Ziel, aus diesen Beobachtungen Erkenntnisse über neue, noch unartikulierte Kundenbedürfnisse zu erhalten. Bei den Großunternehmen sind dies immerhin 40 %. Auch eine gerichtete Extrapolation von wesentlichen gesellschaftlichen oder politischen Trends und die Reflektion bezogen auf deren Auswirkungen für die Medizintechnikbranche werden nur bei jedem vierten der befragten Kleinunternehmen durchgeführt, aber bei fast jedem zweiten Großunternehmen.
Zusammenfassend ist die Schweizer Medizintechnikindustrie im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt. Die fruchtbare Mischung aus einigen großen Weltmarktführern und vielen sehr dynamischen kleinen Unternehmen lässt auch für die Zukunft eine positive Industrieentwicklung erwarten. Ein Wermutstropfen: Auch im Schweizer Gesundheitssystem gewinnt das Thema Kostensenkung immer mehr an Bedeutung. Weiterhin ist auch von einer Zunahme der Produktregulatorien auszugehen. Unternehmen sollten sich auf diese Entwicklungen einstellen. Insbesondere für Kleinunternehmen könnte ein verstärkter Konsolidierungsdruck die Folge sein.
Thorsten Störmer Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement der ETH Zürich

Ihr Stichwort
  • Präzisionstechnik
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    Die ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) Zürich ist der Studien-, Forschungs- und Arbeitsplatz von über 20 000 Menschen aus 80 Nationen mit rund 370 Professuren in 16 Departementen. Das Departement Management, Technologie und Ökonomie (D-MTEC) führt Grundlagenforschung und angewandte Forschung in Management, Ökonomie, Systemdesign und Risiko durch. Zur Lösung der Fragestellungen werden sowohl quantitative als auch qualitative wissenschaftliche Methoden genutzt. Lehre und Forschung stehen in enger Wechselbeziehung. Die ETH fördert die erkenntnisorientierte Grundlagenforschung ebenso wie die problemlösungsorientierte Forschung. Insbesondere setzt sie sich für die fortlaufende Weiterentwicklung des Innovationspotenzials von Gesellschaft und Wirtschaft ein.
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