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Implantate aus dem Wasser

Präzisionsbearbeitung: Wasserstrahlstrahlschneiden im Makro- und Mikrobereich
Implantate aus dem Wasser

Das Mikrowasserstrahlschneiden wird bereits erfolgreich in der Produktion von Implantaten angewendet. Durch ein neues Injektionsverfahren der Schweizer Microwaterjet können Oberflächenstrukturen nun auch mit Reinwasser bearbeitet werden.

Die Medizintechnik unterliegt wie andere medizinische Bereiche einem starken Innovationsdruck, speziell bei den Implantaten. Dies betrifft auf der einen Seite die Medizin selber, auf der anderen Seite aber auch die Herstellung der eingesetzten Materialien sowie die eigentliche Produktion der Implantate. Mit neuen Verfahren wie der Stereolithografie werden biokompatible Implantate aus Biokeramik hergestellt, es werden aber auch bekannte Verfahren wie die Vulkanisation (Silikon), das Bohren und Fräsen genutz. Im Bereich der letztgenannten macht sich mittlerweile eine Technik bemerkbar, die man noch vor ein paar Jahren nicht in der Medizintechnik vermutet hätte: das Wasserstrahlschneiden und das Mikro- und Präzisionswasserstrahlschneiden. Die Schweizer Waterjet-Gruppe hat dafür das rodukt Microwaterjet und das Verfahren AWJMM (Abrasive Water Jet Micro Machining) entwickelt.

Wasserstrahlschneiden ist ein kaltes Trennverfahren, das mit hoher kinetischer Energie jedes beliebige Material bearbeitet oder durchtrennt. Dank des temperaturneutralen Verfahrens entstehen auch beim Präzisionsschnitt im Material keine thermischen Spannungen; die Gefügestruktur des Werkstoffs und die Materialfestigkeit bleiben erhalten. Mit dem von der Microwaterjet AG im schweizerischen Aarwangen in den letzten zehn Jahren markant verfeinerten Verfahren schneiden die Spezialisten im Abrasivverfahren durch Zufügen von Prozesspartikeln ins Wasser (meist Granatsand) spezielle Materialien wie Titan, Nitinol oder Niobium. Nebst chirurgischen Werkzeugen wie Hebel aus Werkzeugstahl oder Peek produzieren sie so auch implantierbare Röntgenreflektoren, Kugelpfannen aus Titangewebe oder Pfannenrohlinge aus Chrom-Nickel-Stahl, Keramik oder Kunststoff. Bei Implantaten ist aber nicht nur das verarbeitete Material von Bedeutung, sondern auch dessen Beschaffenheit. Eine richtig veränderte Oberflächenbeschaffenheit fördert das Zusammenwachsen von Implantat und menschlichem Körper.
Neben gängigen Verfahren bei der Bearbeitung von Oberflächen nutzt das Unternehmen hierfür eine speziell entwickelte Prozedur zur Injektierung von Materialien. Die Injektierung mittels Wasserstrahl geschieht über ein Water-Jet-Injection-Pulse-Verfahren (WJIP), welches bei der Produktion einer Hüftgelenkpfanne aus Kunststoff angewendet wurde. Mit dem von Waterjet Robotics, einem Unternehmen der Waterjet- Gruppe, zum Patent angemeldeten Verfahren können die Eigenschaften x-beliebiger Materialien verändert und angepasst werden. Die Injektierung bringt Vorteile gegenüber anderen, zumal thermischen oder chemischen Verfahren. Chemische Verfahren wie die Beschichtung können das Implantat mit Rückständen verunreinigen.
Hygiene, Sterilisierbarkeit und antibakterielle Wirkung sind beim Einsatz von Implantaten das A und O, wozu bereits eine saubere Produktion wesentlich beitragen kann. Die Hüftgelenkpfannen aus Kunststoff wurden in einem vollautomatischen Verfahren produziert: ein Roboterarm mit einer Drei-Punkt-Greifvorrichtung fasst das Rohmaterial und legt es wieder ab, so dass die Implantate direkt mit dem WJIP-Verfahren injektiert werden konnten. Zudem gestaltete sich durch die Automation die gesamte Wertschöpfungskette der Produktion noch effizienter. Die Automation ist aber nicht nur ein wesentlicher Aspekt in der Produktion medizintechnischer Produkte, wie Matthias Straubhaar, Managing Director von Waterjet Robotics, erklärt. Der serielle Einsatz von Robotiksystemen sowie intelligenter Steuerungssysteme erhöhen letztlich die gesamte Produktivität im Mikrobereich.
Erst kürzlich wurde ein feines Mikroimplantat aus 0.3 mm Titan mit dem Microwaterjet SK11-200 System bearbeitet. Dies ist besonders bemerkenswert, da das Wasserstrahlschneiden noch vor zehn Jahren ein relativ grobes und schmutziges Verfahren war. Damals war es unvorstellbar, medizintechnisches Zubehör im Mikrobereich herzustellen. Mit der Entwicklung des Mikrowasserstrahlschneidens revolutionierte Microwaterjet das herkömmliche Wasserstrahlschneiden.
Das neue Verfahren zeichnet sich einerseits durch einen minimierten Schnittstrahl aus, andererseits durch eine maximierte Präzision. So gelingt es heute, mit dem weltweit feinsten, abrasiven Wasserstrahl von 0,17 mm und einer Rundheit von ± 0,0015 mm zu produzieren. Damit dies möglich ist, muss der Wasserstrahl so konditioniert sein, dass er bei höheren Geschwindigkeiten auf dem Weg zum Ziel nicht aufplatzt. Er bedarf einer laminaren Strömung ohne sichtbare Verwirbelungen. Nur so entsteht eine flüssige Wassersäule mit glatter Oberfläche und einem Mantel aus Tropfen. Durch die permanente Optimierung und Präzisierung der Schneidköpfe, der Schneidanlagen sowie der äußeren Faktoren, konnte Microwaterjet die Präzision auf die aktuellen Spitzenwerte steigern. Die Verantwortlichen betonen, dass die Präzision kein Limit kennt. Im Labor schnitten sie bereits kleiner als 0,17 mm und mit einer weiter erhöhten Positionierungsgenauigkeit von 0,0025 mm.
Die Weiterentwicklung des hochpräzisen Verfahrens ist hingegen keine technische Spielerei von Tüftlern, sondern kann notwendige Fortschritte in der Medizintechnik beschleunigen. Die Welt der Implantate steht heute an einem Scheideweg und muss sich im Materialbereich weiterentwickeln. Das hängt primär auch mit der Zunahme der Abstoßung bei gewissen körperfremden Werkstoffen zusammen.
Auf die Zukunft des Mikrowasserstrahlschneidens bezogen heißt das, nicht nur kleiner und präziser, sondern auch innovative Materialien zu schneiden; Materialien also, die ebenfalls keine Gefügeveränderungen oder thermische Verformungen erlauben. Die Entwicklung, so Matthias Straubhaar, gehe sogar noch weiter, quasi in utopische Bereiche: „Es gibt temporäre Implantate wie Schrauben zur Knochenfixierung, die bis zum heutigen Tag operativ entfernt werden mussten. Zurzeit werden Materialien entwickelt, die sich im Körper auflösen.“
Dazu zählt etwa die vom Austrian Institute of Technology entwickelte, biokompatible Magnesiumlegierung, die sich im Körper auflöst und postoperative Eingriffe überflüssig macht. Die Herausforderung für die Wasserstrahlschneidspezialisten lautet somit sinngemäß: mit Wasser wasserlösliche Materialien hochpräzise und mit einer weltweit nicht gekannten Feinheit zu schneiden und zu bearbeiten. Ob dies für die Aarwangener Spezialisten eine Utopie bleibt – die Zukunft wird es weisen.
Lukas Tonetto Fachjournalist in Zürich
Serieller Einsatz von Robotiksystemen erhöht die Produktivität im Mikrobereich

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