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Flexibel in drei Stufen

Laborautomatisierung: Frischer Wind für Forscher
Flexibel in drei Stufen

Achsen im kartesischen System, weitläufige Bewegungen, starre Vorgaben, hohe Kosten. Was Systeme für die Laborautomation heute unattraktiv macht, kann man anders lösen, indem man zum Beispiel die Mikrotiterplatte auf Reisen schickt.

Permanentes Feilen an der Automatisierung, nur um die Herstellkosten um wenige Zehntel Cent zu senken: Diese Denkweise hat sich in der Produktion vieler Pharma- und Diagnostika-Hersteller längst etabliert. Nur in den Forschungslabors solcher Unternehmen bietet sich häufig ein anderes Bild. Selbst wenn Laborgeräte mit relativ hohem Automatisierungsgrad vorhanden sind, prägen viele manuelle Operationen den Alltag.

Das könnte am bisherigen Angebot an automatisierten Lösungen liegen, die ihre definierte Aufgabe zwar sehr schnell und effizient erledigen, aber wenig flexibel sind. Das Standardmodell für verschiedene applikationsorientierte Verfahren sind heute noch immer so genannte „Liquid-Handling“-Plattformen oder -Arbeitsstationen, wie sie von führenden Herstellern der Laborautomation angeboten werden. Erstaunlicherweise wird dabei ausnahmslos eine Technologie genutzt, die bereits vor etwa 20 Jahren eingeführt wurde. Auf Basis so genannter kartesischer Achssysteme wurden und werden Handhabungsportale für die Testverfahren gebaut.
Sie ermöglichen es, die Proben- oder auch Datenpunkte in hoher Dichte zu verarbeiten. Im Normalfall ist nahezu die komplette Arbeitsfläche mit Probenträgersystemen wie zum Beispiel Mikrotiterplatten belegt. Da werden so genannte Plattenhotels, die Stacker, manuell oder automatisiert be- oder entladen. Robotik-Systeme positionieren die Platten, sollen sie sicher greifen und ablegen – oder die Probengefäße befüllen, den Inhalt mixen, ein Signal detektieren oder Flüssigkeitsportionen absaugen.
Solche komplexe Lösungen an geänderte Prozessbedingungen anzupassen, ist jedoch nur unter hohem Kostenaufwand möglich. Daher setzen Labore mit kleineren Budgets eher auf flexible manuelle Operationen und verzichten auf die Automatisierung.
Es gibt jedoch auch neue Ideen, die mehr Flexibilität versprechen und mit denen sich– wie einige andere auf Automatisierung spezialisierte Zulieferer – auch die Festo AG befasst. Die Esslinger entwickeln derzeit ein dreistufiges Technologie-Konzept, das über die kartesischen Handhabungssysteme hinausgeht.
Die Basis dafür – und zugleich der erste Schritt in die neue Richtung – sind kostenoptimierte, aber leistungsfähige, hochpräzise positionierbare elektrische Achsen. Sie gehören zum Beispiel zur Reihe EGSK/EGSP. Gemeinsam mit der gerade in der Markteinführung befindlichen elektropneumatischen Dreh-Hubeinheit DSL-SA, dem in Kürze zur Verfügung stehenden elektrischen Hub-/Drehmodul EHMG sowie der etwas später folgenden Sliding Fork Unit SFU lassen sich Handlingskonzepte entwickeln, die wenig Bauraum benötigen und dennoch einen hohen Durchsatz ermöglichen.
Werden diese flexiblen Standard-Linear- und Drehachsen intelligent kombiniert, können sie schon heute kostenintensive Mehrachs-Roboter ersetzen. Festo verfolgt bei seinen auf diesen Antrieben aufbauenden Konzepten den Ansatz, die Platten nicht etwa abzustellen, sondern aktiv an die erforderliche Position zu bringen. Dann muss ein Liquid-Handling-Modul allenfalls eine geringfügige Vertikalbewegung, den z-Hub, ausführen. Die Probenbehälter, wie die Wells einer Mikrotiterplatte, werden zum Beispiel in einem Dispensier-Prozess mit einem 1-Nadeldispensierer Well für Well unterhalb der Nadel „vorbeigetaktet“, wobei die Nadel im Idealfall keinen oder maximal einen Hub von 2 bis 3 mm ausführt.
Diese Art der Prozessführung bietet drei signifikante Vorteile:
  • Das Liquid-Handling-Modul kommt mit kürzeren Schläuchen aus, da es kaum noch flächige Bewegungen oberhalb der Arbeitsfläche ausführt. So können bis zu 2 m und mehr Schlauchlänge je Kanal gespart werden. Das macht die Dosierung präziser und senkt das Risiko für Kontaminationen.
  • Da nur noch Mikrotiterplatten oder andere Probenträgersysteme – die unter 100 g wiegen – transportiert oder positioniert werden müssen, fallen die automatisierten Handhabungssysteme kleiner aus. Präzise und dynamische Positionierung ist damit ohne hohe Kosten verfügbar.
  • Da die Liquid Handling-Module allenfalls geringe Vertikalbewegungen ausführen müssen, sinkt die Kontaminationsgefahr. Das sah bisher anders aus, wenn zum Beispiel ein massiver Pipettierkopf mit 384 Zuleitungen über die gesamte Arbeitsfläche hinweg bewegt wurde.
Über diesen Ansatz hinaus wird Festo zum Ende dieses Jahres eine Technologie in den Markt einführen, die der zweiten Stufe der Optimierung entspricht: das H-Portal vom Typ EXCM 10 oder EXCM 30, bei dem die Positionierbewegung massenoptimiert ist. Hier wird ein einziger, gemeinsamer Antriebsriemen genutzt. Ortsbewegliche und ortsfeste Umlenkrollen sowie zwei ortsfeste Elektroantriebe, die mit unterschiedlicher Drehzahl laufen, schaffen es dann, einen Probenträger an jede Position innerhalb der Arbeitsfläche zu fahren. Im bisher angewandten, klassischen Fall lässt sich das nur erreichen, wenn die x-Achse eine y-Achse inklusive Motor, Probenträger und Montageplatten mittransportiert. Da im H-Portal weniger Masse unterwegs ist, ergeben sich Vorteile in der Bauraumoptimierung, Positionier-Dynamik, Positionier-Präzision sowie signifikante Kostenvorteile.
Doch selbst damit sind die Möglichkeiten noch nicht erschöpft. Das so genannte Lab-Fab-Konzept soll den Anwender in der dritten Stufe so flexibel wie möglich machen: Er kann serielle und parallele Prozesse darauf umsetzen und die Anlagen an sich ändernde Einzel- und/ oder Gesamt-Prozesse anpassen.
Die Lab-Fab besteht aus einem Planartisch, einer in der Oberfläche gerasterten und nach oben hin versiegelten Stahlplatte. Dazu gehören Laborarbeits-Module, die an den Durchsatz und die Funktionalität der Anlage angepasst sind. Es gibt bewegliche Module, die Läufer, die nach dem Reluktanzmotorprinzip innerhalb der Planartischfläche jeden Punkt hochpräzise anfahren können – im Schrittmotorbetrieb mit einer Genauigkeit von etwa ± 5 µm, im Servomotorbetrieb mit etwa ± 200 nm. Ortsfeste Funktions-Module sind am äußeren Rand des Planartisches angebracht und übernehmen Laborprozesse wie das Pipettieren. Verfügbar sind aber auch Dispenser, Inkubatoren, Washer, Aspiratoren, Reader, Stacker oder ähnliches. Je nach Modul kann eine Vertikalbewegung integriert werden. Was er benötigt, steckt der Anwender an Steckplätzen einfach auf.
Erste Tests mit einem Funktionsmuster haben die Kernaussagen zu Flexibilität und Investitionsschutz für dieses neuartige Liquid-Handling-System untermauert. Für den nächsten Entwicklungs-Schritt sucht Festo zur weiteren fachspezifischen Ausprägung des Lab-Fab-Konzepts noch Kontakt zu Partnern, die gemeinsam mit Festo einen Paradigmenwechsel in der Welt der Laborautomatisierung herbeiführen wollen.
Peter Jaschke Festo, Esslingen
Weitere Informationen Über den Automatisierungsanbieter Festo: www.festo.com

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