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„Ein weiterer Baustein in der Risikobewertung“

REACH: Verordnung betrifft nicht nur Chemikalien-Hersteller
„Ein weiterer Baustein in der Risikobewertung“

Die REACH-Verordnung der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) tangiert auch die Produzenten von Medizinprodukten. Denn sie repräsentiert den neuesten Stand von Wissenschaft und Technik, auf den das MPG Bezug nimmt.

Herr Reusch, warum ist die REACH-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) auch für die Hersteller medizintechnischer Geräte von Bedeutung?

Weil über das Medizinproduktegesetz – kurz MPG, insbesondere § 4 und § 7 – indirekt ein Zusammenhang besteht. REACH selbst etabliert zunächst ein zentrales System zur Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe – und richtet sich damit vor allem an die Hersteller von Chemikalien. Der Medizintechnik-Anbieter verbaut diese aber in seinen Produkten und bringt sie damit in Verkehr. Laut MPG ist dazu die CE-Kennzeichnung vorgeschrieben, was voraussetzt, dass in keinem Fall die Sicherheit und Gesundheit der Patienten gefährdet sein darf – beurteilt nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik, so wie es auch DIN EN ISO 14 971 zum Risikomanagement bei Medizinprodukten vorsieht. Und hier kommt die REACH-Verordnung als zentrales Register ins Spiel, das Auskunft gibt, ob Stoffe gefährlich oder bedenklich sind.
Das heißt, wer bestimmte Stoffe zukauft, muss diese über REACH bewerten?
Genau, also ein weiterer Baustein im Bereich der Risikobewertung. Wie bei allem unter dem Oberbegriff Compliance handelt es sich dabei in erster Linie um eine Organisations-Verpflichtung. Bezüglich der verwendeten Materialien muss sichergestellt werden, dass die Informationen im REACH-Register stets miteinbezogen werden. Wie man das umsetzt, bleibt jedem selbst überlassen. Über die eigene Lieferkette hinweg bedeutet das beispielsweise, dass ich meine Zulieferer vertraglich einbinde. Sinngemäß gab es diese Verpflichtung übrigens auch schon vor REACH, mit der Verordnung steigt aber die Transparenz – und die Nachweispflicht ist verschärft worden.
Muss ich die REACH-Daten auch für Produkte beachten, die bereits auf dem Markt sind?
Jein. Bezüglich der Produktsicherheit gibt es über das MPG keine Rückwirkung neuer Erkenntnisse. Hat mein Produkt einmal das CE-Kennzeichen erhalten, gilt das auch für die Zukunft. Anders sieht es aber bezüglich der Produkthaftung aus. Die Pflicht zur Marktbeobachtung führt dazu, dass ich unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse bewerten muss, ob ich ein Produkt im Markt lassen will oder nicht. Insbesondere dann, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht, muss ich reagieren. Ein klassisches Beispiel ist Asbest, dessen schädliche Wirkung erst spät erkannt wurde. Ob ein Rückruf erforderlich ist oder eine Warnung ausreicht, muss aber nach dem Pflegebettenurteil des BGH jeweils individuell beurteilt werden.
Können Sie das Urteil kurz erläutern?
Im Pflegebettenfall des Bundesgerichtshofs vom 16.12.2009 ging es um einen Hersteller von Pflegebetten. Es stellte sich heraus, dass in die Gestelle mit den elektrischen Antrieben Feuchtigkeit eindringen kann, was in der Folge zu einem Brand führen kann. Der Hersteller bot deshalb ein Nachrüst-Kit an. Dies setzte ein Klinikbetreiber ein, wollte aber die Kosten vom Hersteller erstattet bekommen. Der BGH entschied, dass bei gewerblichen Betreibern außerhalb der normalen Gewährleistungspflicht eine Warnung genüge.
Eine Risikobewertung sollte also sein?
Ja, denn immer dann, wenn die Gefahr von Todesfällen droht, sollte man handeln. Rechtlich greift in diesen Fällen die Produkthaftung! Der Anspruch des Geschädigten ist dann berechtigt.
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen
Weitere Informationen echa.europa.eu www.reuschlaw.de Veranstaltungshinweis: Zum Thema „Medizinprodukte im Kontext REACH“ veranstaltet die Saarbrücker Tec4U Ingenieurgesellschaft mbH am 27. April 2010 in Saarbrücken eine Tagung. www.materialcompliance.de/anmeldung

Stoffinformationen schnell und verlässlich gewinnen
Anforderungen der REACH-Verordnung lassen sich leichter erfüllen, wenn es gelingt, eine weltweit eindeutige und überschneidungsfreie Artikelidentifikation entlang der gesamten Versorgungskette zu etablieren. Grundlage für den lückenlosen Informationsaustausch zwischen Herstellern, Händlern und Anwendern können hier die Standards des internationalen GS1-Netzwerkes sein, in Deutschland vertreten durch die Kölner GS1 Germany GmbH. Wichtig ist dabei vor allem die Aktualität der Daten. Das stellt nach Angaben der Kölner SA2 Worldsync sicher, ein Tochterunternehmen von GS1 Germany. Über deren Stammdatenpool sollen sich die permanent verfügbaren Gefahrgut- und Gefahrstoffinformationen sicher und verzögerungsfrei austauschen lassen. Branchenübergreifend und weltweit lassen sich Artikel über die Artikelidentnummer GTIN (Global Trade Item Number) eindeutig kennzeichnen.
Zu diesem Thema hält Bodo Boer von GS1 Germany einen Vortrag auf der Veranstaltung „Medizinprodukte im Kontext REACH“, siehe Hinweis.

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