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Ein Schnitt, der kein Gefüge verändert

Wasserstrahlschneiden: Mikropräzises Verfahren sorgt für neue Einsatzfelder
Ein Schnitt, der kein Gefüge verändert

Wasserstrahlschneiden galt lange Zeit als ein zu ungenaues Verfahren. Inzwischen ist das anders: Der jüngste Technologiesprung hin zum Mikro-Wasserstrahlschneiden steigert die Präzision um den Faktor zehn. Damit wird diese Trenntechnologie zunehmend für Medizintechnikprodukte entdeckt.

Das große Problem des Wasserstrahlschneidens war bislang die fehlende Präzision und insbesondere Wiederholbarkeit. Daher haben unter anderem die Unternehmen der Medizintechnik einen großen Bogen um dieses Verfahren gemacht. Auch Walter Maurer, dem Gründer und Geschäftsführer der Waterjet AG, war dieses Problem ein Dorn im Auge. Als Anwender setzt er seit mehr als zwei Jahrzehnten in seinem Unternehmen Wasserstrahlschneidanlagen ein. Dass er Aufträge aufgrund der mangelnden Präzision ablehnen musste, wollte er schließlich nicht mehr hinnehmen. Also entwickelte er in Kooperation mit der Fachhochschule Nordwestschweiz in Windisch eine neue Mikrowasserstrahltechnik. Das Ergebnis: Die Microwaterjet-Anlagen, die bis zur Version F3 unter dem Namen Womajet vertrieben wurden, erreichen Positioniergenauigkeiten unter 1 µm. Ihre garantierte, reproduzierbare Maschinenfähigkeit liegt im Bearbeitungsbereich von 600 x 1000 mm bei ± 1/100 mm. Möglich werden diese Werte vor allem durch ein sehr stabiles Maschinenbett und ein beidseitig gelagertes, über zwei Kugelrollspindeln angetriebenes Portal. Um die Positioniergenauigkeit unter 1 µm einhalten zu können, werden unter anderem Glasmaßstäbe über die volle Länge installiert. Zudem ist es gelungen, den Durchmesser des eingesetzten Wasserstrahls (dem ein sehr feinkörniges Abrasiv zugesetzt wird) von 0,5 auf 0,3 mm zu reduzieren.

Die Microwaterjet-Maschinen stellt heute der renommierte Maschinenbaukonzern Daetwyler Industries her – ein langjähriger Geschäftspartner von Walter Maurer. Einige dieser präzisen Anlagen sind mittlerweile bei Dienstleistern in der Schweiz und in Deutschland installiert. Diese haben damit unter anderem den Einstieg in den Medizintechnikmarkt im Visier. Denn das Verfahren bietet Vorteile, die diesem sensiblen Markt gelegen kommen.
Ein wesentlicher Pluspunkt ist der kalte Wasserstrahl, der keinerlei Gefügeveränderungen beim Material bewirkt. Anders bei konkurrierenden Schneidverfahren wie dem Laserschneiden und Erodieren: Hier verändert der Wärmeeintrag die Materialoberfläche, so dass die Konturen in den meisten Fällen nachbearbeitet werden müssen.
Außerdem kann durch die Hitze die Bioverträglichkeit des eingesetzten Materials gefährdet werden. Auch ein Verspröden des Werkstoffs ist möglich, worunter die etwa bei feinen Netzen erforderliche Flexibilität des Materials leidet.
Diese Nachteile treten beim Trennen mittels Wasserstrahl nicht auf. Zudem lassen sich mit dem Microwaterjet auch Materialien trennen, bei denen Konkurrenzverfahren passen müssen – etwa nicht leitende oder hitzeempfindliche Werkstoffe. Nicht zuletzt erweist sich das Mikrowasserstrahlschneiden in vielen Fällen als schneller, flexibler und kostengünstiger als konkurrierende Verfahren. Bearbeitungsbeispiele aus der Medizintechnikpraxis sind kleinste Tantal-Marker, Implantate aus Tantal, Titan oder verschiedenen Keramiken, Biegeschablonen, Werkzeuge, Rohlinge sowie Fixationsplatten.
Die neue Präzision des Wasserstrahlschneidens erfordert allerdings eine angepasste Umgebung, die sich vom herkömmlichen Wasserstrahlschneiden deutlich unterscheidet. Besonders wichtig ist die Sauberkeit der Fertigungsräume, die idealerweise klimatisiert sind. Nur so kann vermieden werden, dass Temperaturschwankungen die Dimensionen der Teile oder die Präzision der Maschinen beeinflussen. Ein Anwender geht sogar soweit, dass er das Schneidbecken auf konstanter Temperatur hält. Damit könne man die Wiederholgenauigkeit steigern, vor allem bei Teilen mit relativ großen Wärmeausdehnungskoeffizienten, wie sie zum Beispiel bei Polymeren zu finden sind. Denn geschnitten wird grundsätzlich unter Wasser. Und ohne Temperaturregelung kann sich das Wasser im Schneidbecken von rund 20 Grad Starttemperatur während des Schneidens durchaus auf über 40 Grad erwärmen.
Zu den Stärken der Microwaterjet-Technik zählt weiterhin, dass sie sich in eine Prozesskette integrieren und mit anderen Verfahren kombinieren lässt. Man kann Werkstücke zunächst fräsen, bohren oder gewindeschneiden – und sie dann mit höchster Präzision schneiden, so dass die Löcher oder Gewinde bezogen auf den Schnitt exakt die gewünschte Lage haben. Das war bislang nicht möglich, weil die Positionier- und Wiederholgenauigkeiten nicht ausreichten.
Walter Maurer ist selbst der wohl größte Anwender seiner Microwaterjet-Anlagen. Sechs Maschinen setzt er ein, um Kundenaufträge zu bearbeiten. Eine siebte dient ihm als Versuchsanlage für die Fortentwicklung der Technologie. Zwei Ziele sind bereits definiert: So soll der Durchmesser des Wasserstrahls von derzeit 0,3 mm auf einen kleinstmöglichen Durchmesser unter 0,2 mm reduziert werden. Außerdem sollen die Möglichkeiten zur gezielten Oberflächenbearbeitung erweitert werden.
Peter Klingauf Journalist in Augsburg

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