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Der kalte Schnitt

Ultrakurzpulslaser: Das Ende der Einschränkungen in der Werkstoff-Bearbeitung
Der kalte Schnitt

Mit unglaublicher Rasanz schreitet die Entwicklung von Werkstoffen für höchste Anforderungen voran. Probleme be- reitete bisher häufig die Bearbeitung. Mit dem neuen Werk- zeug Ultrakurzpulslaser ist das Problem jetzt gelöst.

Citius, altius, fortius – schneller, höher, stärker – das ist das Motto der olympischen Spiele der Neuzeit. Es steht für das stete Streben nach Verbesserung des Erreichten. In Anlehnung an dieses Motto könnten die Anforderungen an die technischen Entwicklungen der jüngsten Zeit mit „leichter, fester, genauer“ und in der Mikrotechnik ergänzend mit „kleiner“ beschrieben werden.

Ob in der Medizintechnik, der Energietechnik oder im Bereich der E-Mobilität wird die Entwicklung der Werkstoffe gemäß dem genannten Motto rasant vorangetrieben. Dabei reicht das Spektrum von hoch- und höchstfesten Stählen über Titan-, Aluminium-, Magnesium- und Manganlegierungen bis hin zu einer Vielzahl von Kunststoffen und Faserverbundwerkstoffen.
Doch wie jede Medaille ihre zwei Seiten hat, so bringt auch diese Entwicklung eine Reihe von Problemen hinsichtlich der Bearbeitbarkeit dieser Werkstoffe mit sich. Klassische mechanische Bearbeitungsverfahren stoßen an ihre Grenzen, müssen modifiziert werden — oder versagen schlichtweg. Und auch der Laser, inzwischen ein etabliertes Werkzeug in der Bearbeitung, bereitet Probleme durch die Einbringung von Wärme. Bei dadurch oft unsauberen Schnittkanten und wegen der erforderlichen Nachbearbeitung – wenn die überhaupt technisch möglich ist – bleibt die Wirtschaftlichkeit auf der Strecke.
Dennoch kommt jetzt die Lösung all dieser Probleme aus der Lasertechnik. Denn mit der Gattung der Ultrakurzpulslaser erobert ein Werkzeug den Markt, dem sich kein Werkstoff widersetzen kann. Diese in den letzten Jahren entwickelten Strahlquellen mit Pulslängen im Pikosekunden- und Femtosekunden-Bereich bringen enorme Pulsleistungen bei geringsten Pulsenergien mit sich. Bei einem typischen Pikosekundenlaser mit einer Leistung von 50 W beispielsweise liegt die Pulsleistung bei 20 MW bei einer Pulsenergie von nur 200 µJ. Das bewirkt, dass das Material direkt verdampft, keine Wärme an das Umfeld abgegeben wird und somit auch keine thermischen Schädigungen auftreten können.
„Der große Vorteil dieser Laser ist der extrem geringe thermische Einfluss“, erklärt Dr. Arnold Gillner. Eigentlich könne man jetzt alle Materialien damit bearbeiten, unterstreicht der Leiter des Kompetenzfeldes Abtragen und Fügen am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik (ILT) in Aachen die Bedeutung dieser Laser. Weder Absorption, noch Härte oder Verdampfungstemperatur spielten hier eine Rolle. „Ultrakurzpulslaser sind eigentlich ein neues Werkzeug“, betont Dr. Gillner, „so sagen das auch große Laserhersteller wie Trumpf oder Rofin.“
Mit der TruMicro Serie 5000 bringt zum Beispiel die Trumpf Laser- und Systemtechnik GmbH in Ditzingen – Weltmarkt- und Technologieführer im Bereich industrieller Laser und Lasersysteme – Ultrakurzpulslaser mit Laserleistungen von bis zu 100 W und Pulsenergien bis zu 500 µJ auf den Markt. Die extrem kurzen Pulse von weniger als 10 ps verdampfen nahezu jedes Material so schnell, dass keine Wärmeeinflusszone erkennbar ist. „Mit diesen Pikosekundenlasern ermöglichen wir die industrielle, kalte Bearbeitung bei höchster Reproduzierbarkeit durch die Stabilität der Laser“, betont Dr. Oliver Heckl, Produktmanager Mikromaterialbearbeitung. Anwendungen seien zum Beispiel Schichtabtragsprozesse für die Photovoltaik oder das Schneiden und Bohren von gehärtetem Dünnglas, auch unter der Bezeichnung Gorillaglas bekannt, oder das Schneiden von Keramik, wenn hohe Präzision benötigt wird, aber auch das Mikrostrukturieren.
„Wenn Sie zum Beispiel in der Medizintechnik ein Mikrostrukturteil wie beispielsweise Komponenten aus der Medikamentendosierung nehmen, dann hat das eine relativ komplexe Struktur“, erklärt Dr. Gillner. Für so ein Bauteil und dessen Strukturen müsse erst einmal ein Spritzgusswerkzeug hergestellt werden. Normalerweise nutze man dazu die Erodiertechnik, eine klassische Technologie. „Mittlerweile kann man das auch sehr gut mit dem Laser machen“, berichtet er, „aber eben nur mit dem Ultrakurzpulslaser, weil nur so die Qualität der Erodiertechnik zu erreichen ist.“ Oberflächen würden aber auch strukturiert, um bessere Funktionen zu erhalten, zum Beispiel zur Reibungsminimierung. „Wir haben Projekte, wo wir Glasfasern strukturieren, um ein bestimmtes Streu- und Auskoppelvermögen der Glasfaser für den medizinischen Applikator zu erzielen“, sagt Dr. Gillner. Der Ultrakurzpulslaser spiele also immer dann eine große Rolle, wenn es um hohe Detailgenauigkeit gehe.
Speziell durch den Einsatz neuer Materialien stellt die Medizintechnik heute höchste Anforderungen an deren Bearbeitung. Viele Produkte werden immer kleiner, sollen möglichst einem geringen thermischen Einfluss unterliegen, sterilisations- und korrosionsbeständig sein und außerdem wirtschaftlich gefertigt werden, möglichst ohne Nacharbeit und Reinigungsaufwand. Dabei ist von Bedeutung, dass in der Medizintechnik eine große Produktvielfalt bei oft kleinen Losgrößen vorliegt. Nicht zuletzt hat die Lasys, internationale Fachmesse für Laser-Materialbearbeitung, im Juni in Stuttgart gezeigt, dass Ultrakurzpulslaser Einzug halten in dieses Anwendungsfeld. Gerhard Hein, Geschäftsführer beim ideellen Träger der Messe, der VDMA Arbeitsgemeinschaft Laser und Lasersysteme für die Materialbearbeitung, beziffert das geschätzte Weltmarktvolumen dieses starken und wachstumsstabilen Marktes für das Jahr 2010 je nach Abgrenzung auf 100 bis 220 Mrd. Dollar.
Etabliert in diesem Markt ist die im Jahr 2000 gegründete Swisstech Micromachining AG in Herisau/Schweiz. „Schon seit Jahren nutzen wir in unseren Anlagen erfolgreich Faserlaser mit mittleren Leistungen von 50 bis 400 Watt zum Feinschneiden von Stents sowie zum Schweißen und Bohren von weiteren medizintechnischen Produkten wie Hypotubes, Nadeln, Endoskopen oder Kanülen“, berichtet CEO Eduard Fassbind. „Mit Schnittbreiten von 10 bis 30 Mikrometern im produktiven 24/7-Betrieb erreichen unsere Laseranlagen MFT 80/120/ 160 Schnittgeschwindigkeiten von mehr als 3000 Millimeter pro Minute bei Faserlasern und bis rund 1000 Millimeter pro Minute bei Femtosekundenlasern mit einer Wiederholgenauigkeit von ± 0,1 Mikrometer“, ergänzt er.
Schon früh hat Swisstec die Vorteile der Ultrakurzpulslaser erkannt und entsprechende Systeme umfangreichen Tests unterzogen. Dabei zeigte sich besonders bei Femtosekundenlasern ein großes Anwendungspotenzial in der Medizintechnik, der Sensorik und der Luft- und Raumfahrt. „Wir haben viel in die Entwicklungsarbeit investiert, um den Anwendern einen komfortablen Zugang zur Ultrakurzpuls-Lasertechnik zu eröffnen“, so Fassbind. Mit der Laseranlage MFT 80 auf Basis eines Granitgestells sei dieses Entwicklungsziel erreicht worden. Bei einer Grundfläche von 0,8 x 0,8 m² sei die Maschine äußerst kompakt. „Bei gleichem Design kann zwischen Faser- oder Femtosekundenlaser frei gewählt und innerhalb überschaubarer Zeit umgerüstet werden“, hebt der CEO hervor.
Der eingesetzte Femtosekundenlaser verfügt über einen minimalen Laserfokus von weniger als 10 μm. Die Leistung beträgt 10 W (optional bis 100 W) bei einer frei programmierbaren Pulsfrequenz zwischen 100 kHz und 1 MHz. Diese hohe Variabilität eröffnet ein breites Anwendungsfenster und Materialspektrum. Interessant ist das Konzept damit vor allem für die Bearbeitung von Nitinol, Kobalt-Chrom, Titan, Magnesium oder temperaturempfindlichen (Bio-) Polymeren, wie sie häufig in der Stentproduktion anzutreffen sind. Auch in Bezug auf die Schnittgeschwindigkeit erreichen Femtosekundenlaser praxisgerechte Werte, beim Schneiden von Magnesium beispielsweise 800 mm/min bei einer Wanddicke von 150 µm.
Der Blick geht aber auch in Richtung CFK-Bearbeitung, die bisher mit dem Laser schwierig und durch Nachbearbeitung oft aufwendig war. „Das ist die Zukunft“, sagt Fassbind, „wir haben schon erste Musterteile für CFK-Anwendungen geschnitten.“ Mit dem Ultrakurzpulslaser habe man einen absolut sauberen, scharfkantigen Schnitt hinbekommen. „Nichts ist rausgebrannt oder ausgefranst“, berichtet er.
Dr. Oliver Heckl sieht für Trumpf im Moment noch nicht den entsprechenden Markt für den Femtosekundenlaser: „Prinzipiell ist das Femtosekundenlaser-Konzept über das Scheibenlaser-Konzept abzubilden, wo Pulsdauern bis 100 fs erreicht wurden.“ Sicher gebe es auch Anwendungen an hochempfindlichen Materialien, bei denen der Femtosekundenlaser Vorteile biete. „Wenn sich hier ein entsprechender Markt auftut, werden auch wir den Femtosekundenlaser anbieten“, versichert er. Am Fraunhofer ILT in Aachen treiben die Wissenschaftler die Leistungen der Ultrakurzpulslaser zügig nach oben. „Aktuell haben wir im Labor mittlere Leistungen von über einem Kilowatt erzielt“, berichtet Dr. Gillner. Das sei schon etwas ganz Besonderes.
  • Dr. Rolf Langbein Fachjournalist in Rottenburg
  • Weitere Informationen Aktuelle Projekte und Informationen zu Ultrakurzpulslasern beim Fraunhofer ILT: www.ilt.fraunhofer.de www.ultrakurzpulslaser.de Laserzentrum Hannover: www.lzh.de Über die Trumpf Laser- und Systemtechnik: www.trumpf.com Zu Swisstech Micromachining: www.swisstecag.com

  • Cochlea-Implantat im µ-Bereich strukturiert
    Das Cochlea-Implantat (CI) ist eine elektronische Hörprothese, die die Funktion zerstörter Haarsinneszellen im Innenohr übernimmt. Sie besteht aus dem Implantat, das unter der Haut in den Knochen hinter dem Ohr eingesetzt wird, dem in die Gehörschnecke (Cochlea) einzuführenden Elektrodenträger sowie einem meist hinter dem Ohr getragenen Teil mit Mikrofon und Sprachprozessor. Wissenschaftler am Laser Zentrum Hannover (LZH) arbeiten an der Entwicklung innovativer Technologien zum schonenden Einsetzen und exakten Anpassen von Cochlea-Implantaten in das Innenohr sowie zur Steigerung der Qualität des Resthörens.
    „Wir beschäftigen uns mit dem Elektrodenträger, also der Schnittstelle zwischen Implantat und dem umliegenden Gewebe“, erklärt Elena Fadeeva. Die Diplom-Physikerin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Gruppe Lasermikrobearbeitung der Departments Nanotechnologie und Production and Systems am LZH. Die Gruppe forscht daran, die Funktionalität der CI durch eine gezielte Strukturierung der Oberfläche zu verbessern. Der Elektrodenträger für in-vivo Untersuchungen besteht aus einer Reihe von Platin-Elektroden, eingebettet in medizinisches Silikon und verbunden mit angelöteten Platin-Iridium-Drähten. „Die Platinkontakte sind sehr kleine Ringe mit einem Durchmesser von 200 bis 300 Mikrometer und Breiten von 300 Mikrometer “, gibt sie eine Vorstellung von den Abmessungen.
    Die Oberfläche eines konventionellen CI wird bisher nicht speziell behandelt. „Wir wollen die Oberflächen sowohl des Silikonträgers als auch der Kontakte strukturieren“, berichtet Fadeeva. „Möglich wird das erst durch den Einsatz des Femtosekundenlasers, mit dem eine Strukturierung bis zu einem Mikrometer bedingungslos in allen Materialien möglich ist“, betont sie. „Durch eine geeignete Oberflächenstrukturierung kann man sowohl die Wechselwirkung mit Zellen bewirken als auch den frequenzabhängigen elektrischen Widerstand verringern.“
    Das Einsetzen des Elektrodenträgers in die sehr empfindliche Gehörschnecke erfordert höchste Genauigkeit. Um die Operation zu vereinfachen und das Einpassen des Elektrodenträgers an die komplizierte Form der Cochlea zu verbessern, verwenden die Forscher am LZH bei der Herstellung von CI-Elektroden Nickel-Titan-Formgedächtnislegierungen. „Dieser Werkstoff kann sich an eine vorab aufgeprägte Form quasi erinnern und ermöglicht daher ein gezieltes Bewegen und Anpassen der Elektrode“, berichtet Christian Nölke, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Gruppe Oberflächentechnik. Neuartig ist aber nicht nur der Werkstoff. Die Teile werden im Laserschmelzverfahren hergestellt, das ein individuelles Anpassen des CI-Elektrodenträgers an den Patienten ermöglichen soll. Lb

    Ihr Stichwort
    • Ultrakurzpulslaser: Piko- und Femtosekundenlaser
    • Materialbearbeitung
    • „Kaltes“ Bearbeiten von Werkstoffen
    • Cochlea-Implantate

    • Online weiterlesen
      Interviews zu Entwicklungen von Piko- und Femtosekundenlasern und deren Einsatz, zum Beispiel zur Verbesserung von Cochlea-Implantaten, stehen im Online-Magazin:
      www.medizin-und-technik.de/ onlineweiterlesen
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