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„Das Aufbringen von Strukturen soll das Wachstum von Bindegewebe unterdrücken“

Elena Fadeeva will am LZH die Funktionalität von Cochlea-Implantaten verbessern
„Das Aufbringen von Strukturen soll das Wachstum von Bindegewebe unterdrücken“

Die Diplom-Physikerin Elena Fadeeva ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Laser Zentrum Hannover (LZH). In der Gruppe Lasermikrobearbeitung der Departments Nanotechnologie und Production and Systems arbeitet sie daran, die Funktionalität des Cochlea-Implantates durch eine gezielte Strukturierung der Oberfläche zu verbessern. Im Interview gibt sie Einblick in ihre Arbeiten und den Stand der Forschung.

Frau Fadeeva, wie muss man sich den Aufbau des Cochlea-Implantats vorstellen?

Es gibt einen äußeren und einen inneren, implantierbaren Teil. Eine der äußeren Komponenten ist ein Mikrofon. Damit wird die Schallwelle aufgenommen. Dann gibt es einen Signalprozessor, der Stimulationsmuster berechnet und an eine Sendespule weitergibt. Die Sendespule schickt Information per Funk, also drahtlos, weiter. Innen befinden sich eine Empfängerspule, ein geschlossener Elektronikteil und ein Elektrodenträger. Mit dem Elektrodenträger beschäftigen wir uns.
Welche Aufgabe hat der Elektrodenträger und wie ist er aufgebaut?
Der Elektrodenträger ist die Schnittstelle zwischen dem Implantat und dem umliegenden Gewebe. Er besteht aus Platin-Elektroden, die über Platin-Iridium-Drähte mit dem Elektronikteil verbunden und in medizinisches Silikon eingebettet sind. Dieses Teil ist sehr klein und muss extrem flexibel sein. Denn es muss in die Gehörschnecke der Cochlea passen, ohne dort Schaden zu hinterlassen und sich sehr gut der Windungsform anpassen.
Wie werden die Elektrodenträger hergestellt?
Für die in-vivo Untersuchungen müssen zuerst die Tierversuchselektroden bearbeitet werden. Deren Platinkontakte sind sehr kleine Ringe mit einem Durchmesser von 200 bis 300 µm und einer Breite von 300 µm. Die Ringe werden in einer halbgeöffneten Spritzgussform fest angeordnet. Danach werden die Platin-Iridium-Drähte an die Ringe angelötet, die Form wird geschlossen und dann mit Silikon verfüllt. Nach dem Öffnen müssen die mit dem Silikon bedeckten Kontakte freigelegt werden. Das ist die Technologie der Herstellung der Tierversuchselektroden. Unser Ziel ist es, die Oberfläche des Silikonträgers und der Kontakte mit dem Laser zu strukturieren.
Wie ist das bei so geringen Abmessungen zu realisieren?
Da haben wir verschiedene Strategien ausprobiert. In der ersten Phase haben wir die Bauteile des Elektrodenträgers dem Hersteller zur Verfügung gestellt, damit er diese selber verarbeiten kann. Wir haben zum Beispiel die Platinkontakte in Form von Platinröhrchen erhalten, haben sie mit dem Laser strukturiert und geschnitten und die Teile dem Hersteller zugeschickt. Bei den Silikonteilen ist das einfacher, weil die per Spritzguss hergestellt werden. Da kann die Struktur schon in die Spritzgussform eingebracht werden. Das ist, so glaube ich, der günstigste und schlaueste Weg, um die Silikonteile zu modifizieren.
Welche Rolle spielen bei der Strukturierung die Ultrakurzpulslaser?
Vergleicht man Langpuls- und Kurzpulslaser, dann spricht man bei Pulsdauern von mehr als 10 Pikosekunden von langen Laserpulsen, bei deren Einsatz Wärme in das Material eingebracht wird. Damit ist es nicht möglich, feine Strukturen von 5 µm und weniger zu erzeugen, auch dann nicht, wenn man einen kleinen Fokus nimmt. Bei den Ultrakurzpulslasern (<10 ps) hat die Wärme keine Chance, in das Material zu diffundieren. Daher ist eine Strukturierung bis zu 1 µm bedingungslos in allen Materialien möglich. Unter 1 µm spielen die Materialeigenschaften eine gewisse Rolle.
Wozu dienen die Strukturen auf dem Elektrodenträger?
Ein Problem ist die natürliche Reaktion des Körpers, durch die sich eine Art Narbengewebe um den in die Gehörschnecke eingeführten Elektrodenträger bildet. Als Folge entsteht auf der Oberfläche des Elektrodenträgers eine feine Schicht von Bindegewebszellen. Der dadurch erhöhte Übergangswiderstand bewirkt einen erhöhten Energieverbrauch, den man nicht haben will. Mit dem Aufbringen von Strukturen wollen wir das Wachstum von Bindegewebe unterdrücken.
Ein weiterer Punkt ist der, dass bei Stimulationselektroden angestrebt wird, immer selektiver zu stimulieren. Dazu muss man die geometrischen Abmessungen der Stimulationselektroden verkleinern. Gleichzeitig muss die Stromstärke bei der Stimulation eine gewisse Schwelle überschreiten, um überhaupt eine Reaktion hervorzurufen. Wenn man die geometrische Oberfläche verkleinert, aber gleichzeitig erfolgreich stimulieren will, dann werden an diesen Stellen hohe Stromdichten erreicht. Das könnte zur Schädigung des umliegenden Gewebes führen. Eine Lösung dieses Problems ist, die Oberfläche rau zu machen, damit die Stromstärke nicht so gefährlich wird. Es wird versucht, dies mit Hilfe zum Beispiel der Elektrodeposition zu erreichen, aber es kann auch mit dem Laser realisiert werden. Wir haben mit dem Laser sehr raue Flächen kreiert und dadurch eine erhebliche Reduktion von Übergangsimpedanzen erreicht.
Wie lange laufen Ihre Forschungsarbeiten schon und wann rechnen Sie mit einer Umsetzung in marktfähigen Implantaten?
Wir haben vor vier Jahren damit begonnen, Grundlagenuntersuchungen durchzuführen. In der Natur sind Oberflächen selten glatt. Sie haben oft eine gewisse Oberflächenstruktur, die an die Bedürfnisse angepasst ist. Ein bekanntes Beispiel ist die Lotosstruktur. Bei den Implantaten wird das Potenzial der Oberfläche noch nicht ausgenutzt, um die Funktionalität zu verbessern. Daran arbeiten wir, das ist eine Schraube, an der noch zu drehen ist. Wir sind jetzt dabei, Elektrodenträger für Tierversuche zu strukturieren. In diese fließen die besten Ergebnisse unserer bisherigen Untersuchungen ein. Das wird uns in den nächsten vier Jahren beschäftigen. Wir arbeiten zur Erreichung unserer Ziele eng mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Firma Cochlear Ltd. im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 599 zusammen.
Dr. Rolf Langbein Fachjournalist in Rottenburg
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