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Auf die sanfte Tour

Fluidtechnik: Virtuelles Skalpell schneidet mit fein reguliertem Plasmastrahl
Auf die sanfte Tour

Um ein Plasma-Chirurgiesystem realisieren zu können, benötigte der Hersteller einen ultrafein regelbaren Massenflussregler mit hoher Präzision und Wiederholbarkeit. Bürkert entwickelte eine auf MEMS-Technologie basierende Lösung.

Chirurgische Eingriffe unter minimaler Schädigung des Gewebes und gleichzeitige Koagulation ermöglicht die neuartige Technologie der Plasma-Chirurgie. Das sogenannte ‚virtuelle Skalpell‘, der Plasmajet, schneidet und koaguliert Körpergewebe, sogar Knochen, mit einem hochenergetischen und dabei feinen und elektrisch neutralen Plasmastrahl. Erzeugt wird dieser durch Ionisierung einer winzigen Menge des Edelgases Argon im isolierten Gehäuse des Einweg-Handstücks.

Das Gas wird in Plasma angeregt und tritt als präzise gebündelter, blassblauer Strahl aus der Spitze des Instruments wieder aus. Auf diese Weise kann das Plasmajet-System Gewebe von empfindlichen Strukturen wie dem Darm, dem Diaphragma, den Tuba Uterus oder den Ovarien entfernen. Durch gleichzeitige Koagulation kann beispielsweise die Lungenoberfläche vollständig versiegelt werden, zur Blutstillung und Aerostase. Zum Plasma-Chirurgiesystem gehört eine Steuerkonsole auf einem Service-Trolley und eine Palette Einweg-Handstücke. Die Konsole enthält das Regelsystem mit LCD-Display und Touchpad.
Das System wurde bereits von der FDA, der amerikanischen Behörde für Lebens- und Arzneimittelsicherheit, zugelassen. Bis es jedoch so weit war, sahen sich die Entwickler von Plasmajet vor große Schwierigkeiten gestellt: Die Einschwingzeiten der verwendeten Massenflussregler (engl. Mass Flow Controller = MFC) unterschieden sich von Gerät zu Gerät, und das hatte Auswirkungen auf die Funktion des Plasmajets. Damit das System ordnungsgemäß arbeitet, muss der MFC zunächst einen hohen Plasmadurchsatz bei einem höheren Druck regeln, um das Plasma zünden zu können. Anschließend muss das Gerät rampenförmig wenige Standardliter pro Minute einregeln. Überschwingen (auch engl. overshoot) muss unbedingt vermieden werden, damit der Plasmastrahl nicht erlischt. So lauteten die Anforderungen an das Fluid Control System, das die Bürkert Werke GmbH aus Ingelfingen für das Projekt Plasmajet bereitstellen sollte.
Der Auftrag bestand darin, einen MFC zu liefern, der entsprechende Regeleigenschaften bietet und winzige Durchsatzmengen mit einer wiederholbaren Präzision von ± 0,01 Standardlitern pro Minute gewährleistet. Darüber hinaus sollt er eine hohe elektromagnetische Verträglichkeit aufweisen, denn die Einbauposition befindet sich in Netzteilnähe. Desweiteren muss der MFC im Bereich 25 bis 40 °C stabil arbeiten, und die Fertigungstoleranzen sollen immer gleiche Einschwingzeiten gewährleisten. „Bei Bürkert war man so interessiert und engagiert, dass man die Herausforderung annahm, sie verstand und in kürzester Zeit eine funktionierende Lösung entwickelte. Das hat unsere Entwicklungszeit erheblich verkürzt“, berichtet Prof. Nikolai Suslow, CTO von Plasmajet. „Ohne dieses Engagement hätte unsere Entwicklung deutlich länger gedauert oder wäre womöglich sogar gescheitert.“
Der erste Prototyp des MFCs Typ 8711 wurde nur neun Tage nach dem ersten Besuch beim Anwender vorgelegt. Noch im selben Monat wurde das Gerät im F&E-Labor des Entwicklers in Schweden getestet, in Anwesenheit von Ingenieuren des Bürkert-Segment-Teams Gas Handling. Nach erfolgreichem Abschluss der Tests teilten die Konstrukteure dieser Variante des MFCs Typ 8711 eine Artikelnummer zu. Nur wenig später erfolgten die RoHS-Konformitätserklärung und der Antrag auf UR-Zertifizierung. Noch im selben Monat erhielt Bürkert den Auftrag über eine Nullserie von zehn MFCs Typ 8711. Insgesamt hat der Entwicklungsprozess von Anfang bis Ende lediglich drei Monate in Anspruch genommen.
Der Schlüssel zum Erfolg des Plasmajet ist die MEMS-Technologie, die im MFC Typ 8711 verbaut ist. Die Methode basiert auf einem thermischen Prinzip und hat den Vorteil, dass der Massendurchfluss direkt, ohne Temperatur- oder Druckkorrektur, bereitgestellt wird.
Der vom Sensor auf Siliziumchipbasis gelieferte Istwert wird in der digitalen Regelelektronik mit dem vorgegebenen Sollwert verglichen; liegt eine Regeldifferenz vor, wird über einen Pl-Regelalgorithmus die an das Proportionalventil ausgegebene Stellgröße modifiziert und damit die Regeldifferenz ausgeglichen. Da sich der Sensor direkt im gasdurchflossenen Nebenkanal befindet, hat das Gerät eine sehr schnelle Reaktionszeit.
Die Messwerterfassung findet demnach direkt im Nebenkanal statt. Ein Laminar-Flow-Element im Hauptkanal erzeugt einen geringen Druckabfall, welcher einen kleinen Teil des Gesamtdurchflusses durch den Nebenkanal treibt. Der dort sitzende Sensor erfasst den Massendurchfluss direkt als Temperaturunterschied. Die Messung erfolgt hier in einem speziell geformten Strömungskanal, dessen Wandung an einer Stelle einen Si-Chip mit einer freigeätzten Membran enthält. Auf dieser Membran sind in MEMS-Technologie ein Heizwiderstand sowie symmetrisch zu diesem, stromaufwärts und stromabwärts, zwei Temperatursensoren aufgebracht.
Wird der Heizwiderstand mit einer konstanten Spannung gespeist, ist die Differenzspannung der Temperatursensoren ein Maß für den Massendurchfluss des Gases, das im Strömungskanal über den Chip strömt. „Es ist sicher nicht übertrieben, wenn ich sage, dass es die Fähigkeit des Massenflussreglers von Bürkert war, sehr kleine Gasmengen mit großer Präzision und Wiederholbarkeit zu steuern, die unsere Technologie überhaupt erst möglich gemacht hat“, erklärt Prof. Nikolai Suslow.
Thomas Sattler Bürkert Fluid Control Systems, Egelsbach

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