Einfache, kostengünstige Produkte für den Einsatz in Schwellenländern bieten lukrative Möglichkeiten für westliche Unternehmen. Frugal-Products-Experte Oliver Knapp erklärt, warum ein umfassendes Verständnis für die Kundenbedürfnisse und den Markt wichtig ist, um Produkte erfolgreich zu entwickeln.
Herr Knapp, was sind Frugal Products?
Frugal Products zielen vor allem darauf ab, in den unteren und mittleren Marktsegmenten der Schwellenländer erfolgreich zu sein. Definiert als Akronym bedeutet Frugal: sie sind funktional, robust, benutzerfreundlich, kostengünstig und vor allem auf den lokalen Nutzen in Schwellenländern ausgelegt.
Mit welchen dieser Punkte haben die Hersteller noch die meisten Schwierigkeiten?
Nach unserer Erfahrung sind das vor allem zwei Punkte, die sich aber bedingen: Zum einen sind das die meist stark unterschiedlichen Kundenanforderungen, die viele Unternehmen, die neu im Markt sind, nicht ausreichend verstehen. Zum anderen sind das die ganz anderen Anforderungen hinsichtlich der Produktkosten.
Wer profitiert von den Frugal Products?
Sowohl der Kunde als auch der Hersteller. Der Kunde, weil er Zugang zu Produkten erhält, die auf seine Bedürfnisse zugeschnitten sind, was Technologie, Eigenschaften und Kosten angeht. Dem Hersteller eröffnet sich ein Markt, in dem er vorher nicht wettbewerbsfähig war und wo er nun Wachstum generieren kann. Hinzu kommen weitere Vorteile. Zum einen legt der Hersteller damit den Grundstein, mit seinen Kunden später in höherwertige Segmente zu wachsen und margenträchtigere Medizinprodukte zu verkaufen. Zum anderen kann er frugale Produkte für die Einstiegssegmente auch in reifen Märkten vertreiben, was als Reverse Innovation bezeichnet wird und weiteres Potenzial erschließt.
Für welche Hersteller ist das interessant?
Es geht in der Regel um Unternehmen, die in Schwellenländern profitabel wachsen wollen. Zumeist sind jedoch die Anforderungen der Kunden hinsichtlich Produktmerkmale, Leistung und natürlich auch Preis so unterschiedlich, dass Firmen mit ihren auf westliche Kundenbedürfnisse ausgelegten Produkten nicht erfolgreich sind. Für sie sind die frugalen Produkte nun eine Chance, auf diesen Märkten in neue Segmente vorzustoßen. Voraussetzung ist, die Kundenanforderungen in Form von Produktausstattung, -preis oder -robustheit genau zu kennen.
Wie entwickelt man frugale Produkte?
Die Unternehmen, die in diesem Marktsegment nicht erfolgreich waren, haben oft einen Fehler gemacht: Sie haben einfach nur bestehende Produkte abgespeckt und einige Materialien verändert. Dadurch bleibt ein Produkt aber gleich und erfüllt nicht die Anforderungen – weder was die Leistungen noch was den Preis betrifft. Wir sind der Meinung, dass die Anforderungen an die frugalen Produkte direkt vom Markt kommen müssen. In der Regel geht es nicht um Abspecken, sondern darum, Lösungen zu entwickeln, die auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind.
Was raten Sie den Unternehmen?
Als Erstes muss ein Hersteller die Kundenbedürfnisse vor Ort verstehen: Wie wird ein Produkt angewendet? Welche Rahmenbedingungen liegen vor? Dieses Wissen sollte das Unternehmen in entsprechende Produktmerkmale übersetzen, um ein spezifisches, frugales Produkt zu entwickeln. Dabei ist es unserer Erfahrung nach wichtig, die gesamte Wertschöpfungskette vor dem Hintergrund der Lokalisierung zu hinterfragen. Wenn ein Ingenieur normalerweise ein High-End-EKG-Gerät für den deutschen Markt entwickelt, ist es für ihn gar nicht so einfach, auf einmal ein viel günstigeres Gerät zu entwickeln. Ein Unternehmen muss deshalb bewusst entscheiden, wie viel Lokalisierung in seiner Wertschöpfungskette notwendig ist. Das gilt nicht nur für die Entwicklung, sondern auch für Produktion, Einkauf, Logistik und Vertrieb.
Wie entwickeln sich die Umsätze mit Frugal Products?
Das ist schwer zu sagen. Die Firmen, die sich an unserer Studie beteiligt haben, schätzen, dass der Frugal-Products-Anteil an ihrem Gesamtumsatz bis 2018 von 12 auf 22 Prozent steigen wird. Interessant aus meiner Sicht ist aber: Viele Firmen glauben, dass die Wettbewerber in diesem Marktsegment deutlich weiter sind als sie selbst und wollen deshalb in den nächsten Jahren stark aufholen. Das heißt, Unternehmen wollen den Anschluss an diesen attraktiven Markt nicht verpassen, und es herrscht große Bereitschaft, sich mit frugalen Produkten zu befassen und zu investieren. Hinzu kommt: Frugale Produkte werden ihren Weg zurück in die westlichen Märkte finden. Wenn Firmen die richtige Strategie dazu entwickeln, können sie also nicht nur in den Emerging Markets erfolgreich sein, sondern später auch in den westlichen Märkten weiteren Umsatz generieren.
Susanne Schwab susanne.schwab@konradin.de
Weitere Informationen Zu den Beratungsspezialisten von Roland Berger und der Studie Frugal Products: www.rolandberger.de
Ihr Stichwort
- Frugale Produkte
- Entwicklung nach Kundenbedarf
- Marktkenntnisse sind Voraussetzung
- Neue Produktkosten berechnen
- Lokalisierung als Wettbewerbsfaktor
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