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Chirurgische Naht: gedrucktes Instrument näht schneller als der Arzt

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Chirurgische Naht: Gedrucktes Instrument näht schneller als der Arzt

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Generative Fertigung | Als neue Instrumente für die Kardiologie entwickelt wurden, spielte das Fertigungsverfahren eine Rolle: Das Laser-Cusing bot den Entwicklern neue Freiheiten für kleinste Teile. Auch ein Haltesystem für das Herz wurde generativ gefertigt – und als nächstes steht eine Herzpumpe auf dem Plan.

Guido Radig
Fachjournalist in Weichs

Nähte werden bei Operationen heutzutage fast genauso gesetzt wie zur Zeit der alten Ägypter. Das schließt ein, dass sich Ärzte gar nicht selten durch Nadelstiche verletzten und sogar erfahrene Chirurgen mit Ungenauigkeiten kämpfen. Um das zu ändern, hat das britische Unternehmen Sutrue aus Chelmsford in Kontakt mit Medizinern ein Instrument entwickelt, das jede beliebige gekrümmte Nadel mit einem Faden automatisch durch das Gewebe des Patienten führen kann. Um das Instrument herzustellen, war die generative Fertigung unerlässlich.

Sutrue ist ein CAD- und Designentwicklungszentrum, das sich auf die Entwicklung medizinischer Geräte für die Kardiologie spezialisiert hat. Das Unternehmen wurde 2012 von Alex Berry
gegründet und arbeitet mit zahlreichen Spezialisten. Der Kardiologe Richard Trimlett vom Royal-Brompton-Krankenhaus in London ist einer davon. Er berät Sutrue in Fragen der Chirurgie, stellt die Anforderungen der Mediziner vor und gibt so den Anstoß für Produktentwicklungen. Und er beurteilt die praktischen Erfahrungen, die Mediziner bei Eingriffen mit neuen Produkten machen.

Verbessertes Verfahren für die chirurgische Naht

Zu den Anforderungen an das neue Instrument für den Wundverschluss gehörte es, dass die Stiche schnell und präzise positioniert sowie reproduzierbar und mit der notwendigen Kraft ausgeführt werden können. Je besser und schneller die Naht entsteht, desto kürzer ist die Operation für den Patienten, und ein sauberer Stich führt schneller zur Genesung. Ein Instrument für den Wundverschluss während der Herz-OP muss auch äußerst schlank sein, denn es wird über ein Endoskop in der Größe eines Strohhalms in Position gebracht. Um die richtige Stelle im Gewebe zu finden, muss der Kopf des Instrumentes gedreht und geschwenkt werden. Auch die Nadel dreht sich während des Wundverschlusses sachte und sehr genau.

In dem von Sutrue entwickelten Instrument ist all dies durch einen komplexen Miniatur-Schaltmechanismus möglich, der die Nadel antreibt. Damit kann der Chirurg den Stich automatisch an der richtigen Stelle platzieren, und auch mehrere kleine Stiche in Arterien oder an empfindlichen Stellen sind möglich. Bis zu drei Nadeldrehungen pro Sekunde –und damit drei Stiche – sind machbar, statt eines Stiches in 25 s beim manuellen Wundverschluss.

Der Mechanismus, der das ermöglicht, besteht aus einer einzigen Baugruppe und wird mit dem Laser-Cusing-Verfahren hergestellt, das die deutsche Concept Laser GmbH aus Lichtenfels entwickelt hat. ES Technology, der nahe Oxford angesiedelte Vertriebspartner von Concept Laser in Großbritannien, stellt die Teile für das Wundverschluss-Instrument auf einer Mlab-Cusing-Maschine her. Diese ist besonders für die Herstellung filigraner Teile mit hohe Oberflächenqualität geeignet.

Nach dem 3D-Druck ist keine Oberflächenbearbeitung nötig

In diesem Fall ermöglicht sie es, die Zähne des Schaltmechanismus, die nur 0,4 mm lang sind, zu fertigen. Bis zu 600 Teile können auf einer einzigen Bauplatte gedruckt werden. Nachdem das Zahnsystem vom Pulverbett entfernt wurde, ist keine Oberflächenbearbeitung notwendig. Verwendet wird Edelstahl 316L.

Laut Sutrue-Chef Alex Berry haben herkömmlich gefräste oder gegossene Teile demgegenüber Nachteile. Abgesehen von der geometrischen Einschränkung nennt er die Entwicklungsdauer bis zum Prototypen und auch die Kosten. Für den 3D-Druck sieht er daher großes Potenzial hinsichtlich bionischem Design, Reproduzierbarkeit, Miniaturisierung und nicht zuletzt einer Reduzierung der Bauteile und des Montageaufwands. „Medizinische Instrumente können mithilfe des 3D-Drucks revolutioniert werden“, resümiert er.

Instrument für automatisierte chirurgische Naht war nur der Anfang

Bei der Entwicklung des Wundverschluss-Instrumentes spielte jedoch auch der Kontakt zu Chirurgen eine Rolle. Und Kardiologe Trimlett hat gleich eine weitere Aufgabe für die Entwickler parat: Während einer Operation am offenen Herzen muss der Herzmuskel stabilisiert werden. Das Herz ist ja „in Bewegung“ und muss dennoch in dem kleinen Bereich, in dem die Ärzte operieren, möglichst ruhig gehalten werden. „Ich habe zu Alex gesagt: ‚Könnt Ihr nicht etwas konstruieren, was aus Einzelteilen besteht und durch einen sehr kleinen Schnitt passt?‘“, berichtet Trimlett. Am besten sollte das ein Einwegartikel sein, der an unterschiedliche Formen und Größen anpassbar ist und zerlegbar sein sollte. Zudem sollte das Instrument vormontiert mit freiliegenden Kanälen entwickelt werden.

Alex Berry stellte sich der Herausforderung und präsentierte drei Monate später einen biokompatiblen Prototypen, der zum Teil aus SLS-verarbeitetem Kunststoff bestand, zum Teil aus Metall. Dieser Teil wurde mit dem Laser-Cusing-Verfahren hergestellt und wird von ES Technology auf einer Mlab-Cusing innerhalb von drei bis vier Stunden gedruckt. Das System besteht aus einem metallischen Grundkörper und mehreren Kunststoff-Saugpunkten, die mithilfe eines Vakuums angesaugt werden können. Beide Teile werden in Sandwich-Technik zusammengefügt. „Die Entwicklung hat etwa 15 000 Pfund gekostet. Vergleichbare herkömmliche Entwicklungen kosteten bisher über eine Million Pfund“, sagt Berry.

Trimlett und Berry sehen für die Zukunft eine weitere Herausforderung. Das Schlagwort lautet „künstliches Herz“, also mechanische Pumpen. Die Schwächen bisheriger Modelle sollen mit generativer Fertigung ausgeglichen und die Pumpe kleiner werden. Laut Trimlett ist es eine faszinierende Möglichkeit, elektromagnetische Funktionen für den Antrieb der Pumpe zu integrieren. Der 3D-Druck scheint die Kardiologie-Experten zu inspirieren.

Über den Instrumentenentwickler:

www.sutrue.com


Weitere Informationen

Die Concept Laser GmbH aus Lichtenfels hat das Lasercusing entwickelt, das branchenübergreifend eingesetzt wird. Das Maschinenspektrum reicht von kleinen Anlagen
(50 x 50 x 80 mm3) bis hin zur
Anlage mit dem laut Hersteller weltweit größten Bauraum (800 x 400 x 500 mm3).

www.conceptlaser.de

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