Herr König, Sie begleiten mit Ihrem Unternehmen Dreigeist 3D-Druck-Entwicklungsprojekte in verschiedenen Branchen. Mit welchen Erwartungen kommen die Entwickler zu Ihnen?
Meistens sind die Erwartungen sehr hoch – dem tatsächlichen technischen Stand gefühlte zwanzig Jahre voraus. Alles soll am liebsten hundert Mal schneller funktionieren als mit konventionellen Verfahren und von den Kosten günstiger sein. Etwa 90 Prozent der Auftraggeber müssen wir bei Projektbeginn erst mal „erden“, die Erwartungen auf ein realistisches Maß bringen.
Warum sind die Erwartungen so hoch?
Auf Messen sind immer wieder sehr spannende Musterprojekte zu sehen, die den Eindruck vermitteln, dass man komplexe Aufgaben in kurzer Zeit mit einem 3D-Drucker einfach umsetzen kann. Meiner Erfahrung nach liegt das typische Time-to-Market-Intervall eines 3D-gedruckten Produktes aber eher bei drei Jahren – vorausgesetzt, dass es schon zu Beginn des Projektes gelingt, die Ziele klar zu benennen. Es gibt so extrem viele Möglichkeiten, dass man sich leicht verzettelt. Dann ist der Frust groß, da man in absehbarer Zeit nicht zu vorzeigbaren Ergebnissen kommt.
Wo sehen Sie die Tücken der additiven Fertigung?
Ich halte den 3D-Druck an sich für eine industrietaugliche Technologie. Selbst wenn es schnell gelingt, die relevanten Aspekte zu definieren und das Material und das Verfahren auszuwählen, ist ein weiterer Schritt, sich von den Konstruktionsweisen zu lösen, die jahrzehntelang an Fräsen und Drehen orientiert waren. Auch das Post-Processing hält Überraschungen bereit und wir von den meisten unterschätzt: Das ist oft noch ein händischer oder teilautomatisierter Prozess. Alle Schritte, bei denen Menschen Fehler machen können, zu standardisieren und reproduzierbar zu gestalten, ist eine aufwendige Phase im Projekt. Auch lassen sich die bekannten Verfahren der Qualitätssicherung nicht einfach nutzen, sondern Qualität muss durch den gesamten Prozess gewährleisten – und für die Medizintechnik schauen die Benannten Stellen im Moment sehr genau hin, denn es gibt noch keine einheitlichen Verfahrensweisen für die Bewertung. Die Tücken, wenn man es denn so nennen will, stecken also eher im Umfeld des 3D-Drucks. Die Denkweise muss stimmen.
Wie groß ist das Interesse aus der Medizintechnik?
Wir haben heute bei unseren Projekten einen Anteil von 25 bis 30 Prozent, die aus der Medizintechnik stammen. Das Interesse hat in den vergangenen Jahren merkbar zugenommen. Und ich sehe durchaus die spannende Perspektive, dass wir eines Tages etwas ganz Neues haben werden: eine Fertigung von Implantaten oder patientenspezifischen Teilen in der Klinik. Wir helfen zukünftigen Anwendern, diese neuen Gebiete zu erschließen, sinnvolle Strategien zu verfolgen und die Lernkurve im Umgang mit der neuen Technologie flach zu halten.
Gibt es besonders interessante Verfahren oder Materialien für die Medizintechnik?
Das würde ich so nicht sagen. In Abhängigkeit von der Anwendung kommen bestimmte Materialien in Frage oder auch nicht. Vom Material hängt wiederum ab, welche Verfahren zur Auswahl stehen. Verbreitet sind im Bereich der Implantate pulverbasierte Verfahren wie das Elektronenstrahlschmelzen von Sonderlegierungen. Aber es kommen immer wieder neue Möglichkeiten hinzu, und nach ein bis zwei Jahren werden viele davon auch schon in der Industrie genutzt. Im Moment denke ich, sind bereits mehr als genug Verfahren und Materialien verfügbar – das volle Potenzial kann man nur mit gezielter Anwendungsentwicklung ausschöpfen.
Wie lassen sich die regulatorischen Vorgaben der Medizintechnik erfüllen?
Im Entwicklungsbereich experimentieren wir zum Teil mit abenteuerlichen Sachen. Wenn es aber darum geht, Lösungen für ein serienreifes Endprodukt zu haben, brauchen wir eine solide Basis. Validierfähigkeit ist ein Muss. Je nach Produkt kann es erforderlich sein, eine eigene Hardware oder Software zu entwickeln und diese zu validieren, da sie als Prozesselement bei der Produktzulassung eine wichtige Rolle spielt. Alles zielt darauf ab, dass die komplette Produktion rückverfolgbar wird, vom Harztropfen im Drucker über alle Parameter inklusive der Nachbelichtungseinheit bis hin zum Produkt in der Verpackung. Machbar ist das, das hat sich in konkreten Projekten schon gezeigt. Den Drucker selbst in den Griff zu kriegen, macht unter dem Strich dann nur noch zehn Prozent des Projektes.
Was empfehlen Sie Einsteigern?
Am Anfang einen Schritt zurückzutreten, die gewünschten Anwendungen zusammenzustellen und die Anforderungen zu beschreiben, die dafür zu erfüllen sind. Manchmal ergibt sich in diesem Schritt sogar, dass es Projektideen mit Überschneidungen gibt, die man gleichzeitig bearbeiten kann – andererseits fallen manchmal exotischere Ideen heraus, weil es viel zu aufwendig wäre, für ein einzelnes Produkt einen aufwendigen Prozess auf die Beine zu stellen. Je nachdem, wie viele Erfahrungen schon vorhanden sind, kann es sinnvoll sein, schon in einer frühen Phase einen externen Entwickler wie Dreigeist einzubinden. Wir haben aber auch Fälle, in denen wir nur hinzugezogen werden, um Details zu optimieren, wie die Qualität oder die Produktivität.
Was fasziniert Sie am 3D-Druck für die Medizintechnik?
Bei digitalen Technologien ist oft die Rede davon, dass klassische Berufe überflüssig werden – das sehe ich nicht so. Was den 3D-Druck in der Medizintechnik-Branche angeht, sehe ich künftig sehr viele neue Berufsbilder entstehen. Viele Ingenieure werden in Zukunft auf Augenhöhe mit Ärzten in der Klinik zusammenarbeiten. Ein Implantat additiv zu fertigen, ist nicht die Aufgabe eines Arztes und kann auch nicht von einer Hilfskraft erledigt werden. Für so einen Job gibt es aber bisher noch gar keine Ausbildungsmöglichkeiten. Da ist die Technologie der Industrie oder auch den Hochschulen schon ein gutes Stück voraus. Die Notwendigkeit bestehende und aufkommende Lücken zu schließen, bietet unendlich interessante Perspektiven für Entwickler wie Dreigeist.
Der Weg zum 3D-Druck
Auf der Basis seiner Erfahrungen empfiehlt Dreigeist-Geschäftsführer Christopher König ein dreistufiges Vorgehen für den Einstieg in den 3D-Druck:
- Schritt 1: Materialqualifikation
Am Anfang interessiert nur, was ein Material können muss, aus dem das Produkt gefertigt wird. Falls mehrere Produkte in nächster Zeit additiv gefertigt werden sollen, lohnt sich die Suche nach einem Material, das für alle diese Produkte die gewünschten Eigenschaften aufweist. - Schritt 2: Druckverfahren
Für das in Schritt 1 ausgewählte Material werden die Technologien gesichtet. Hier spielen die geplanten Geometrien, die mit dem Verfahren erreicht werden sollen, eine untergeordnete Rolle. Die Abbildungsfähigkeit der Technologie an sich wird hierbei beleuchtet – die Frage der gewünschten Stückzahlen oder Produktionsgeschwindigkeit wird ebenfalls in diesem Schritt gestellt. - Schritt 3: Integrale Produkt- und Prozessentwicklung
Wenn Material und Verfahren feststehen, wird das Produkt im Abstimmung mit den Gegebenheiten und den Anforderungen an den Herstellungsprozess selbst im Detail weiterentwickelt. Dabei werden verschiedene Varianten getestet. Die Konstruktion wird auf Verbesserungsmöglichkeiten geprüft. Der Gesamtprozess wird iterativ angepasst und Stück für Stück um die Aspekte Qualität und Validierung ergänzt. Concurrent Engineering ist laut König der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg.
Weitere Informationen
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