Die bemannte Raumfahrt steckt im Dilemma: Die Missionen sind kostenintensiv und gleichzeitig müssen viele Parameter, gerade für Langzeitflüge wie zum Mars, vorher untersucht werden. Hier bieten Cube Sats Möglichkeiten für eine preiswerte Grundlagenforschung, da mit Klein-Satelliten viele Experimente gleichzeitig ins All befördert werden können. Die geringe Baugröße erfordert aber eine durchdachte Miniaturisierung, so wie beim Biolabor des BAMMsat-Teams der Universitäten Cranfield und Exeter. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), der schwedischen SNA und der ESA zur Erforschung der Kosmischen Strahlung werden im Minilabor unterschiedliche Proben über einen Kleinstmotor der Dr. Fritz Faulhaber GmbH & Co. KG, Schönaich, in einem Revolvermagazin vorgehalten und nach Wunsch bewegt.
Die Würfelsatelliten der Cube-Sat-Serie basieren auf standardisierten quaderförmigen Modulen für Kleinsatelliten mit geringem Startgewicht und entsprechend niedrigen Startkosten. Sie sind seit 2004 im Einsatz und bilden eine Art Niedrigpreissegment in der Raumfahrt. Der kleinste Würfel wird als 1U (one unit – eine Einheit) bezeichnet und misst rund 11 x 10 x 10 cm bei einer Masse von maximal 1,33 kg. Für einen Raketenstart werden mehrere Cube Sats zusammengefügt; die Nutzlast wird so optimal ausgeschöpft und die Transportkosten geteilt.
„Die Folgen von Schwerelosigkeit und kosmischer Strahlenbelastung lassen sich auf der Erde nur bedingt und unvollständig untersuchen“, erläutert Aqeel Shamsul, der das BAMMsat-Projekt an der englischen Cranfield University leitet. „Experimente im All stellen uns vor besondere Herausforderungen und sind an den ziemlich teuren Raketentransport einschließlich Astronautenzeit und Logistik geknüpft. Das wiederum schränkt die Möglichkeiten für die Forschung an biologischen Systemen unter Weltraumbedingungen stark ein.“ Ein Minilabor in einem 3U-Gehäuse brachte die Lösung.
Besondere Herausforderungen fürs Miniatur-Biolabor
Als “Versuchskaninchen” für die Experimente dient Caenorhabditis elegans, ein nur 1 mm langer Fadenwurm, der normalerweise im Erdboden gemäßigter Klimazonen lebt. Rund 83 % seiner Gene sind mit menschlichen Genen vergleichbar. Daher ist er ideal geeignet zur Erforschung von Weltraumfaktoren wie beispielsweise den Einfluss der Strahlung auf die DNS von Lebewesen. Da er auch auf der Erde häufig für Studien in Bereichen wie Alterungsforschung, Muskelphysiologie und Radiobiologie verwendet wird, sind zudem ausreichend Daten für vergleichende Studien vorhanden. Im All reagieren die Zellen des Fadenwurms auf Schwerelosigkeit und Strahlenbelastung ähnlich wie menschliche Zellen; die gewonnenen Daten sind daher übertragbar. Um möglichst viele Experimente pro Start ausführen zu können, war eine durchdachte Raumaufteilung essenziell. Zentrales Element des kleinen Weltraumlabors ist ein Revolvermagazin; eine drehbare, runde Scheibe mit mehreren Kammern, in denen die biologischen Proben untergebracht sind.
Erste Testläufe in der Stratosphäre erfolgreich
Die Probenbehälter haben Ein- und Ausflussöffnungen, durch die kleinste Flüssigkeitsmengen zugeführt oder entnommen werden können, um die Würmer mit Nahrung zu versorgen. Durch Drehung der Scheibe lassen sich die einzelnen Probe-Kammern vor die Linse eines Mikroskops bewegen. Über Spektrometer können die Wissenschaftler dann beispielsweise biochemische Eigenschaften des Kammerinhalts bestimmen. So lassen sich zahlreiche unterschiedliche Versuche auf einem Flug durchführen.
Antriebseinheit muss über eine lange Zeit präzise arbeiten
„Bei diesem Projekt kam es nicht zuletzt darauf an, mit möglichst wenig Gewicht und Raum auszukommen“, erzählt Shamsul. „Nur so konnten wir das Modul in den 3U Cube Sat einpassen und wirtschaftliche Startkosten sichern. Eines der wichtigen Elemente war hier der Antrieb der Probenscheibe. Er muss nicht nur sehr klein und sehr leicht sein, sondern gleichzeitig ein hohes Drehmoment liefern und während der geplanten Einsatzzeit von mehreren Monaten bis zu einem Jahr sehr präzise arbeiten.“
Der ursprünglich vorgesehene Schrittmotor des BAMMsat-Teams wurde in Zusammenarbeit mit den Experten der britische Faulhaber-Tochter EMS verworfen. Die Kleinstantriebsspezialisten brachten eine andere Lösung ins Spiel: Für die besonderen Anforderungen der Anwendung erwies sich ein bürstenkommutierter DC-Motor der Serie SR mit 22 mm Durchmesser als besser geeignet. Ein Encoder des Typs IEH3-4096 liefert die nötige Auflösung für die fein abgestimmte Steuerung; ein Untersetzungs-Planetengetriebe der Ausführung 20/1R sorgt für die Maximierung des Drehmoments und verbessert dabei die Positionsauflösung weiter. Damit ist sichergestellt, dass die Probenkammern immer exakt in die gewünschte Position fahren und die Versuche wie geplant durchgeführt werden können.
Die gesamte Antriebseinheit ist mechanisch so robust aufgebaut, dass Vibrationen und Beschleunigungskräfte beim Start keine Auswirkungen auf die Funktion haben. Den ersten Probeflug hat das Minilabor im Herbst 2022 bestanden: Es wurde in Nordschweden mit einem preiswerten Höhen-Ballon in die Stratosphäre befördert. Dort blieb es fünf Stunden, während alle Bordsysteme ihre Testläufe unter weltraumähnlichen Bedingungen absolvierten. Am Fallschirm landete das Würfel-Modul anschließend unversehrt in Finnland. Der erste Raketenstart ist für 2024 geplant. Das BAMMsat-Team will nun weitere Module produzieren und damit preisgünstige Bio-Forschung im Weltraum etablieren. „Ich glaube, dass wir mit unserer Technologie einiges zur Weiterentwicklung der bemannten Raumfahrt beitragen können“, fasst Shamsul zusammen. „Davon abgesehen eröffnen sich mit unserem Minilabor neue und finanzierbare Möglichkeiten, ausgiebige Versuchsreihen im Bereich Biochemie unter Weltraumbedingungen durchzuführen.“