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Messtechnik für die Medizinproduktekfertigung

Moderne Messgeräte im Einsatz bei B. Braun
Messtechnik, so wie es die Medizintechnik erfordert

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Um die Schlagzahl in der Fabrik und gleichzeitig die Qualität der Produkte zu erhöhen, setzt B. Braun in Melsungen Messtechnik von OGP und Klostermann ein.

Rund 80 Spritzgießmaschinen, mehrere Extruder, 130 Werkzeuge, 65 Montageprozesse, 35 Verpackungsprozesse und 45 sonstige Prozesse: Sie alle sind erforderlich, damit rund 1000 Mitarbeiter im Werk Medical von B. Braun in Melsungen etwa 800 medizinische Einwegartikel fertigen können. Dazu gehören Katheter für die Infusions- und Schmerztherapie, Infusionsüberleitsysteme, Verschlusskonen oder Baugruppen für ein Infusionssystem, mit dem Zytostatika für die Krebstherapie verabreicht werden. Jedes Jahr summiert sich das auf eine Milliarde Erzeugnisse.

B. Braun investiert in neue Fertigung

„Die Produktion wird stetig ausgebaut – und integraler Bestandteil sind Qualitätsmanagement und Qualitätssteuerung“, sagt Benjamin Kellner, Leiter Qualitätsmanagement für nicht-aktive Medizinprodukte am Standort Melsungen. Das Ziel: Trends und Abweichungen schon auf dem Shopfloor zu erkennen und so die hohe Produktqualität sicherzustellen.Bei Kellner laufen die Fäden aller Qualitätssicherungsmaßnahmen zusammen. Die 150 Mitarbeiter im Qualitätsmanagement begleiten und unterstützen ihre Kollegen in der Produktion in allen Qualitätsprozessen. Die Inprozessprüfung läuft rund um die Uhr.

Risikomanagement heißt auch, genauere Messmittel zu verwenden

Das Thema Risikomanagement ist laut Kellner in den vergangenen Jahren stärker in den Fokus gerückt, wegen der Medical Device Regulation (MDR) der EU und Vorgaben der US-Regulierungsbehörde FDA. Auf Produktebene sind daher genauere Messmittel erforderlich. Softwareseitig muss die Messtechnik helfen, die Digitalisierung in der Fabrik voranzutreiben. „So automatisieren und digitalisieren wir auch in der Messtechnik immer weiter, um die hohen Schlagzahlen abbilden zu können“, sagt QM-Leiter Kellner.

Dafür arbeitet B. Braun mit zwei Partnern zusammen: dem Messtechnikhersteller OGP Messtechnik GmbH aus Hofheim im Taunus und der Remscheider Klostermann Ingenieurbüro und Vertriebsgesellschaft mbH, einem Vertriebspartner von OGP. Der erste Kontakt kam schon vor 15 Jahren zu Stande. Bis heute hat B. Braun insgesamt acht OGP-Messgeräte über Klostermann gekauft. Das neueste, ein Großbild-Hochgeschwindigkeits-Messgerät Snap 300, steht kurz vor der Auslieferung.

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Hightech: Fahrerlose Transportsysteme mit Cobots sorgen im Reinraum der ISO-Klasse 8 für den Bauteiltransport. Für das Konzept sind Robin Stephan, Teamleiter Messtechnik (links), und Benjamin Kellner, Leiter Qualitätsmanagement für nicht-aktive Medizinprodukte am Standort Melsungen (Mitte) verantwortlich. Umgesetzt haben sie es mithilfe von Christian Klostermann, Geschäftsführer von Klostermann (rechts)
(Bild: Mike König Photography)

Multilumenschläuche messen – fertigungsbegleitend

Die Geräte übernehmen unterschiedliche Aufgaben. Mit einem Smartscope Ziplite 250 zum Beispiel misst B. Braun Multilumenschläuche, die später zu zentralvenösen Kathetern weiter verarbeitet werden. Die Messungen erfolgen fertigungsbegleitend.

„Die Produktqualität von mehrlumigen Schläuchen sicherzustellen, die mit rund 45 Metern pro Minute extrudiert werden, ist nicht trivial“, erklärt Kellner. Die Schläuche werden später manuell weiterverarbeitet, da muss laut Kellner „der kleinste Durchmesser einfach stimmen“. Von Klostermann erhielt B. Braun den Tipp, die Schläuche für die Messung in schmale Scheiben zu schneiden. „Mit dem optischen Sensor von OGP können wir so im Prinzip den Schlauch hell darstellen und die Lumen in Schwarz – und diese schwarzen Bereiche können wir dann mittels der Software Zone3 im Einzelnen vermessen“, so Kellner. Dieses Vorgehen dient in der Halbleitertechnologie zum Vermessen von Leiterplatten.

Mehrere Maße in einer Aufspannung erheben

Mit Zone3-Software ist auch ein großformatiges Multisensor-Messgerät vom Typ CNC 500 ausgestattet. B. Braun nutzt es in der Spritzgießfertigung im Reinraum der ISO-Klasse 8, um stichprobenartig verschiedene Spritzgießbauteile zu vermessen. Dazu gehört ein Teil aus Polystyrol, einem sehr harten Kunststoff. Mehrere Maße werden hier in einer Aufspannung erhoben: Gesamtlänge und Durchmesser mit einem optischen Sensor, der Durchmesser des Einstechdorns, der für die Entlüftung einer Glasflasche benötigt wird, mit einem taktilen Sensor. Seit Kurzem gibt es eine neue messtechnische Anforderung beim Einstechdorn: Die Rauigkeit muss erhoben werden.

Das erfolgt über Weißlichtsensoren in zwei OGP-Messgeräten, damit in einer Aufspannung bald alle Messwerte erhoben werden können. Ein zusätzliches Rauheitsmessgerät muss damit nicht beschafft werden.

Einer der beiden neuen Weißlichtsensoren wird in einer zehn Jahre alten CNC 300 verwendet werden. Das Prinzip dahinter: Die Multisensor-Geräte von OGP werden nicht von Anfang an mit allen verfügbaren Sensoren eingesetzt. „Dann können wir später, wie in diesem Fall, jederzeit aus einer sehr breiten Palette von Sensoren nachrüsten“, sagt Christian Klostermann. Das funktioniert auch mit älteren Geräten.

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Das Smartscope CNC 500 hat B. Braun mit verschiedenen optischen und taktilen Sensoren im Einsatz. Neu hinzu kommt in Kürze ein Weißlichtsensor, um auch die Rauigkeit zu messen
(Bild: Mike König Photography)

Automation mit Smartfeeder erleichtert das Prüfen

An einem Bauteil für ein Infusionsset, das aus sehr flexiblem Kunststoff besteht, muss die Wanddicke regelmäßig überprüft werden. Diese Aufgabe übernimmt ein Sterntaster an der CNC 500, der in das Bauteil hineinfährt und von beiden Seiten taktil die Wanddicke misst. Ein Smartfeeder führt die Bauteile aus allen zwölf Kavitäten eines Schusses zu. Das steigert den Durchsatz der Messgeräte und sichert die Qualität der Produktion rund um die Uhr im Dreischichtbetrieb ab. Da aus Effizienzgründen immer größere, hochkavitätigere Werkzeuge im Einsatz sind, hilft die Automation über den Smartfeeder, die schiere Menge an Produkten und Komponenten serienbegleitend zu überprüfen. Der Messtechniker kann sich derweil anderen Aufgaben widmen.

In der neuen, stark digitalisierten Produktionsstätte Active am Standort Melsungen geht die Automation in der Messtechnik noch weiter. Hier werden medizinische Einwegartikel im Reinraum produziert. Cobots und fahrerlose Transportsysteme bringen die Teile automatisiert direkt aus der Spritzgießmaschine kavitätengerecht in die Messmaschine.

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Damit die Werkerselbstkontrolle vollautomatisch ablaufen kann, hat B. Braun das Smart-scope CNC 500 mit dem Smartfeeder von OGP ergänzt. Dabei handelt es sich um ein vollautomatisiertes Paletten-Zuführsystem mit sieben einzelnen Paletten.
(Bild: Mike König Photography)

Automatisierung bedeutet aber auch, dass das Messgerät Metadaten wie Artikelnummer, Werkzeugnummer oder Auftragsnummer erhält. Von QR-Codes ist B. Braun mittlerweile zu RFID-Chips gewechselt. Fehler, die sich etwa durch leichte Reflexionen einstellen können, entfallen, und es ist auch nicht mehr erforderlich, QR-Codes zu drucken.

Über 100 Programme für Abmusterungen und Validierungsprüfungen sind an den OGP-Geräten im Einsatz. „Halb-mannlose Messungen haben wir dank des hohen Automationsgrads heute schon realisiert“, so Kellner.

Messergebnisse künftig in MES- oder CAQ-System einbinden

Sein nächstes Ziel ist es, die Digitalisierung im Qualitätswesen von B. Braun weiter voranzutreiben – mit Unterstützung von OGP und Klostermann. „Unsere Messsysteme liefern viele wertvolle Daten für die Produktion, diesen Schatz gilt es zu heben“, so Kellner. „Unser Traum für den Shopfloor ist es, ohne Bedienereinfluss weitgehend automatisiert zu fertigen – auch um die validierten Maße einzuhalten.“ So plant er, die Messergebnisse künftig in ein MES- oder CAQ-System einfließen zu lassen.

Software ist mittlerweile ein fester Bestandteil der langjährigen Partnerschaft von B. Braun und OGP. „Um FDA-Konformität zu erreichen, hat OGP im Laufe der Jahre viele unserer Anforderungen mit Smart SCS abgebildet und weiterentwickelt, sei es Audit-Trail oder das Vier-Augen-Prinzip“, sagt Kellner. Klostermann ergänzt: „Umgekehrt hat OGP Teile dieser Funktionalitäten später in die Standard-Software übernommen – unter Beachtung sämtlicher Vertraulichkeitsanforderungen.“

Der Standort Melsungen dient im Hinblick auf die Messtechnik mittlerweile als Vorreiter für Werke im Produktionsverbund von B. Braun. Kellner: „Wir haben für fast jedes Merkmal mittlerweile eine einheitliche, validierte Prüfmethode im Einsatz.“ Diese empfiehlt er auch den Kollegen an anderen Standorten. (sk)


Über OGP

Die OGP Messtechnik GmbH aus Hofheim im Taunus bietet Messsysteme, Sensoren und Software, aus denen sich auch individuelle Messlösungen erstellen lassen – inklusive Automation, Robotik-Lösungen oder individuellen Messvorrichtungen. Die technologischen Anfänge gehen zurück auf das Jahr 1945, als das erste hochpräzise telezentrische Linsenprinzip von OGP und Eastman Kodak entstand. Dieses ist heute wesentlicher Bestandteil der optischen Messmaschinen der Smartscope-Serie.

www.ogp-messtechnik.de


Über Klostermann

Auf maßgeschneiderte Konzepte für Fertigungs- und Qualitätssicherungsaufgaben hat sich die Klostermann Ingenieurbüro und Vertriebsgesellschaft mbH aus Remscheid spezialisiert. 28 Mitarbeiter befassen sich täglich mit 3D-Messtechnik, empfehlen je nach Anforderung taktile oder optische Messmaschinen, Highspeed-Digitalisiersysteme oder auch Röntgen und CT-Anlagen. Inbetriebnahme, Kalibrierung, Schulungen und Lohnmesstechnik gehören ebenfalls zum Portfolio.

www.klostermann.com

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