Als im Oktober 2017 der Roboter „Sophia“ auf einer Konferenz im saudi-arabischen Riad ans Rednerpult trat und dem halb amüsierten, halb staunenden Publikum sein Selbstverständnis einer lernenden und kommunizierenden Maschine in Menschengestalt erläuterte, war dies in der öffentlichen Wahrnehmung ein Meilenstein auf dem scheinbar immer kürzer werdenden Weg zu einer „erwachenden“, ihre Individualität und ihre internen Zustände reflektierenden Künstlichen Intelligenz. Auch KI-gestützte Systeme wie der Smart Speaker „Alexa“, IBMs dialogfähiges Superhirn „Watson“ oder Googles selbstlernender Schachgigant „Alphazero“ befeuern die Vision einer in absehbarer Zeit realisierbaren „Superintelligenz“, die alles Dagewesene in den Schatten stellt.
Renommierte Akteure in Wissenschaft und Kunst warnen vor den Folgen eines solchen Epochenwechsels, andere verweisen auf die nachgerade utopischen Chancen. Die grundlegende Frage, was „bewusste KI“ überhaupt sei und was an den Szenarien von Maschinen mit einer eigenständigen Existenz „dran“ sein könnte, wird erstaunlicherweise selten gestellt.
KI-Bewusstsein entmystifizieren
An dieser Stelle setzt das zweijährige Forschungsprojekt „Abklärung des Verdachts aufsteigenden Bewusstseins in der Künstlichen Intelligenz (KI-Bewusstsein)“ an. „Uns geht es darum, das Thema KI-Bewusstsein zu entmystifizieren“, sagt Projektleiter Prof. Karsten Wendland vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Dazu wird das Projektteam in einem „Mixed-Methods“-Ansatz zunächst den Status quo in Sachen KI-Bewusstsein untersuchen – mittels einer systematischen Erfassung der Debatten in den Spezialdisziplinen und im öffentlichen Diskurs, in Experteninterviews sowie in einer bibliometrischen Medienanalyse.
Erstmals sollen auf diese Weise typische Positionen, Argumentationen und Sprechweisen identifiziert und beschrieben werden. „Als Analysten“, sagt Projektleiter Wendland, „nehmen wir hierbei eine inhaltlich neutrale Haltung ein. Zugleich schrecken wir nicht davor zurück, sehr mutige Positionen zum KI-Bewusstsein in unsere Untersuchung aufzunehmen, Positionen, die im europäischen Raum eher selten sind, etwa, dass zwischen Menschen und Maschinen nicht zwingend unterschieden werden muss, da in allem ein Stück Schöpfung stecke.“ In einem zweiten Schritt wollen die Wissenschaftler zu zentralen Forschungsfragen des Themenfeldes „KI-Bewusstsein“ Experten zusammenbringen, die bislang noch nicht miteinander sprechen.
Allgemeinwissen erweitern
Wesentlich für das Projekt sind zuletzt die allgemeinverständliche Aufbereitung des analytisch und diskursiv erarbeiteten Wissensstandes und die Bereitstellung dieses Wissens für die interessierte Öffentlichkeit, aber auch für Interessenvertreter und weitere wissenschaftliche Communities. Dies geschieht in Bürgerdialog-Formaten ebenso wie mittels Podcasts, Broschüren und einer (im Aufbau befindlichen) Webpräsenz. „Damit“, unterstreicht Projektleiter Wendland, „möchten wir das Allgemeinwissen erweitern, möglicherweise sogar läutern – und wiederum die von diesem dialogischen Prozess ausgehenden Anregungen aufgreifen.“
www.itas.kit.edu/projekte_wend19_kibew.php