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Smart Skin für Roboter: Was Metasurface-Antennen bieten

Mensch-Maschine-Kommunikation
Intelligente Haut ermöglicht Nahfeld-Abtastung in der Robotik

Wo ist der Mensch, was tut er gerade? Das sollen Roboter künftig besser wahrnehmen können und die Daten dafür mit Metasurface-Antennen sammeln. Diese sollen, flexibel und dehnbar, den Roboter wie eine Haut überziehen. Das ist auch für Anwendungen in der Medizin interessant.

Wo haben Mensch und Roboter direkt und physisch miteinander zu tun? Sowohl in der Fertigungsindustrie, im professionellen Dienstleistungssektor als auch im Gesundheitswesen ist das immer häufiger der Fall. Gleichzeitig ist für den Umgang und die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine mehr Komfort erwünscht. Roboter müssen in der Lage sein, menschliche Handlungen vorherzusehen und Absichten zu erkennen. Eine Möglichkeit dafür bieten flexible Metamaterialien oder auch flächige Metasurface-Antennen. In diese ist Elektronik integriert, mit der sich die nahe Umgebung erfassen lässt. Solche Oberflächen, die einen Roboter wie eine adaptive, intelligente Haut umspannen, entwickeln sieben Partner im EU-Projekt Flexible Intelligent Nearfield Sensing Skins, kurz Fitness.

Cobots mit Gefühl

Metasurface-Antennen könne nahe Umgebung gut erfassen

Bei allen Entwicklungen der Mensch-Maschine-Interaktion steht die Sicherheit im Vordergrund. Die flexiblen und dehnbaren Metasurface-Antennen sollen Oberflächenwellen emittieren und die nähere Umgebung deutlich besser abtasten können als herkömmliche Antennen. Das verspricht zweierlei: mehr menschliche Sicherheit im Produktionsumfeld sowie mehr Leistung von den Robotern.

Neben Anwendungen in der Fertigung bieten sich aus Sicht der Projektpartner auch die Medizintechnik und Medizinrobotik als Anwendungsfelder an. Hier könnten Metasurface-Antennen als intelligente Haut dazu beitragen, dass Geräte wie etwa Assistenzroboter Gesten besser erkennen und stärker mit Menschen interagieren.

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Antennen passen sich der Kontur der Roboter an

Bei diesen speziellen Lösungen handelt es sich um flächige, in folienförmige Substrate integrierte Antennen, die sich der Kontur des Roboters anpassen. Aufgrund ihrer flachen Struktur lassen sich diese Antennen biegen und dehnen und wie eine Haut um den Roboter legen. Alternativ und wenn es für die Anwendung sinnvoll ist, lassen sie sich beispielsweise auch nur am Roboterarm anbringen. Sie werden auch als smart skins oder intelligente Haut bezeichnet.

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Auf dem Weg zu Metasurface-Antennen erheben die Forscher am Fraunhofer FHR Messwerte: Der Verlustwinkel eines dehnbaren Polymers lässt sich hier schmalbandig messen
(Bild: Fraunhofer FHR/Alexander Balas)

Bisher werden Antennen üblicherweise in starre Mikrowellensubstrate integriert. Alternativ existieren Materialien, die sich dehnen lassen und damit eine hohe Flexibilität aufweisen. Allerdings haben diese flexiblen Substrate zu hohe Verluste, wie Messungen am Wachtberger Fraunhofer Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR ergaben – dieses ist am Projekt Fitness beteiligt. Bisherige Antennen erzielen aufgrund der Verluste im Hochfrequenzbereich keine optimale Leistung. Daher eignen sich herkömmliche, am Markt verfügbare Substrate nicht optimal für die Übertragung von Hochfrequenzsignalen.

„Unsere künftige Antennenlösung zeichnet sich dadurch aus, dass sie sowohl die nähere Umgebung abtasten als auch Bewegung detektieren kann“, sagt Andrej Konforta, Leiter der Gruppe 3D-Druck HF-Systeme am Fraunhofer FHR. Abgesehen vom Abtasten der Umgebung beherrsche die „Haut“ zugleich eine funkbasierte Kommunikation mit der Basisstation in der Industriehalle. „Eine derartige Lösung“, betont Konforta, „bietet der Markt bislang nicht.“

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Metasurface-Antennen kommen mit weniger  Elektronik aus

Die neuartige und innovative Antennenlösung soll das Beamforming ermöglichen. Das ist ein Verfahren zur Positionsbestimmung von Schallquellen in Wellenfeldern. Um das zu erreichen, ist der verstellbare elektromagnetische Strahl jederzeit zur Basisstation ausgerichtet, was ein stärkeres, stabileres Signal garantiert. Auch die Reichweite wächst bei dieser Arbeitsweise.

Bisher unterstützen so genannte Phased Arrays das Beamforming. „Dabei werden viele Antennen in einer Gruppe verschaltet“, erläutert Konforta. Die Phase jedes einzelnen Antennenelements sei variabel, wodurch sich die Blickrichtung der Gruppenantenne beeinflussen lasse. Diese Technologie ist bislang überwiegend im militärischen Kontext im Einsatz.

In konventionellen Gruppenantennen sind die Antennenelemente und deren Elektronik eng platziert. Das Resultat: hohe Kosten, viel Abfuhrwärme und hohe Fehleranfälligkeit. Metasurface-Antennen hingegen könnten mit weitaus weniger Elektronik aufgebaut werden.

Mit dem neuen Konzept lassen sich daher die Kosten senken und kleinere, kompaktere Strukturen realisieren. „Mit den Meta-Materialoberflächen verfolgen wir ein neues Konstruktionskonzept, das sehr kleine Geometrien ermöglicht, die einen hohen Freiheitsgrad beim Design der abgestrahlten Felder, aber auch die bestmögliche Extraktion der Gestensignale erlauben“, so der Forscher.

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Neue hochfrequenztaugliche und dehnbare Materialien

Basierend auf den vom Fraunhofer FHR erzielten Messergebnissen zu den Verlusten herkömmlicher Antennen werden beim Projektpartner Technische Universität Hamburg (TUHH) im Rahmen des Projekts Fitness auch neue Substrate entwickelt. Das dortige Institut für Angewandte Polymerphysik (IAPP) synthetisiert dehnbare und potenziell hochfrequenztaugliche Materialien. Dabei wollen die Forscher auf einen Mix an Polymeren sowie auf Polymere mit keramischen Fremdpartikeln setzen. Diese werden im Projektverlauf vom Fraunhofer FHR getestet.

Auch wird derzeit ein bereits vorhandener Messaufbau optimiert, für andere Frequenzbänder erweitert sowie
die Software für den finalen Aufbau entwickelt. Parallel dazu untersuchen die Projektpartner, wie sich die Verformungen der dehnbaren Oberflächen auf die Eigenschaften im Nah- und Fern-
feld auswirken. Langfristig geplant sind sich selbst kalibrierende Metasurface-
Antennen, die ihre Krümmung und Formung eigenständig erkennen, um einen optimalen Signalempfang zu gewährleisten und Kommunikationsprobleme zu vermeiden. (op)


Weitere Informationen

Am Projekt Fitness beteiligt sind sieben Partner aus Industrie und Forschung: das Centre National de la Recherche Scientifique CNRS, das Fraunhofer FHR, das französische Hightech-Untermehmen EVTechnologies, das Beratungsunternehmen L-up, die Technische Universität Hamburg, die Université Catholique de Louvain, sowie die University of Zagreb mit der Faculty of Electrical Engineering and Computing. Die belgische UC Louvain koordiniert das Vorhaben, das die Europäische Union fördert.

https://fitness-pathfinder.eu/

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