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Echte Einzelstücke

Generative Fertigung: Individuelle Gestaltung und integrierte RFID-Chips bei Instrumenten
Echte Einzelstücke

Wofür sich das Laserschmelzen bei chirurgischen Instrumenten nutzen lässt, tüfteln Bremer Forscher aus. Freiheit bei der Formgebung ist ein Ansatz – der Einbau vollkommen von Metall umhüllter RFID-Chips ein weiterer. Und die Metallhülle hindert die Chips nicht am Senden.

Ob Herztransplantation oder Kaiserschnitt – bei jeder Operation kommt eine Vielzahl chirurgischer Instrumente zum Einsatz: Wundhaken, Klemmen, Skalpelle und Scheren bis hin zu Spezialinstrumenten. Solch komplexe Werkzeuge, mit denen präzise Aufgaben im OP-Saal durchführbar sind, können mit generativen Fertigungsverfahren, wie dem Laserschmelzen, hergestellt werden.

Die Freiheiten, die sich damit bieten, ermöglichen es, die Anforderungen der Chirurgen an genaue und funktionalisierte Instrumente für die Medizintechnik zu erfüllen. Es er- laubt das Herstellen individueller Werkzeuge in einem Schritt und sogar die Integration neuer Zusatzfunktionen wie der Radio-Frequency Identification (RFID): Ein entsprechendes OP-Instrument mit integriertem elektronischem Chip wurde am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen entwickelt.
Beim ursprünglich zum Herstellen industrieller Prototypen erdachten Laserschmelzen schmilzt ein hauchfeiner Laserstrahl Werkstoffpulver Schicht um Schicht in fast jede gewünschte Form. Selbst komplexe chirurgische Instrumente können mit diesem Verfahren hergestellt werden, unter anderem auch ein Cerclage-Umführungsinstrument. Dieses OP-Werkzeug ist so gebogen, dass es Knochen halb umfassen kann. In die Biegung ist ein Kanal eingearbeitet. Wie bei einem gut verschnürten Postpaket werden Faden oder Draht durch diesen Kanal um den verletzten Knochen geführt und anschließend verknotet, um ihn zu stützen und gleichzeitig die gebrochene Teile aneinander zu fixieren.
„Chirurgische Instrumente mit solchen Kanälen zu versehen, ist bislang sehr aufwendig“, erklärt Dipl.-Ing. Claus Aumund-Kopp vom IFAM. Weil man keine kurvenförmigen Kanäle bohren kann, werden gebogene Röhrchen eingegossen oder nachträglich angeschweißt beziehungsweise gelötet.
„Mittlerweile ist das Laserschmelzen aber eine reife Technologie und hat sich beim Anfertigen medizinischer Implantate bereits etabliert“, berichtet Aumund-Kopp. Dennoch würden bislang keine chirurgischen Instrumente mit diesen Verfahren hergestellt. Dabei wäre vor allem das Laserschmelzen dafür ideal, findet der Bremer: „Auch kleine Stückzahlen individueller OP-Bestecke mit ganz neuen Zusatzfunktionen lassen sich damit ohne großen Aufwand herstellen.“ Als Vorlage reicht der Konstruktionsplan im Computer, das CAD-Modell, Zwischenschritte wie das Anfertigen spezieller Werkzeuge oder Gussformen sind nicht nötig.
Solche Metallteile aus der Laserschmelze haben Eigenschaften, die mit Teilen aus trennenden Verfahren vergleichbar sind. Mit den richtigen Nachbearbeitungsprozessen lassen sich sehr glatte Oberflächen erreichen, die helfen, die Ansiedlung unerwünschter Organismen zu verhindern. „Zusätzlich zu der Oberflächenbearbeitung lassen sich die Teile zum Beispiel mit Silbernanopartikeln beschichten, die eine antimikrobielle Wirkung zeigen“, erklärt IFAM-Mitarbeiter Juan Isaza. Zudem zeigen die Edelstahlteile besondere elektrische Eigenschaften, die für spezielle Instrumente von Bedeutung sein können: Üblicherweise schirmen Metalle elektromagnetische Felder wie Funkwellen ab. Wer also RFID-Chips in Metall eingießt, muss über dem Chip einen Spalt lassen, sonst ist er nicht auslesbar.
Bei lasergeschmolzenen Werkstücken jedoch ist das nicht nötig. Auf kurze Distanzen senden und empfangen RFID-Chips auch dann, wenn sie komplett mit Metall überzogen sind. „Wir gehen davon aus, dass durch die Schichtstruktur des Materials das Feld auf eine Art gerichtet wird, die die Chips trotz Metallhülle auslesbar macht“, berichtet Aumund-Kopp. Von Vorteil ist auch die minimale Wandstärke aus dem Schmelzverfahren, die bis 0,25 mm erreichen kann.
Zurzeit laufen Versuche mit Chips mit einem Durchmesser von 1 mm Durchmesser und 5 mm Länge. „Mit den neuen Chips wollen wir trotz der Verkleinerung die Lesereichweite erhöhen, um andere mögliche Anwendungen realisierbar zu machen“, berichtet Isaza. Dies würde zum Beispiel eine Kompatibilitätsüberprüfung zwischen Instrument und Implantat erlauben oder eine Echtzeitkontrolle der Vollständigkeit des Besteckes nach der Operation. Sind die chirurgischen Instrumente mit integrierten RFID-Chips ausgestattet, lassen sich sowohl ihre Anzahl als auch ihre individuellen Nummerncodes schnell und einfach erfassen und elektronisch mit der OP-Akte verknüpfen oder auch mit dem Herstellungsdatum, Verwendungsprotokollen oder Reinigungszustand.
Martina Ohle Fraunhofer IFAM, Bremen

Laserschmelzen von Instrumenten
Wie alle generativen – also aufbauenden – Fertigungsverfahren hat das Laserschmelzen zwei große Vorteile: Anders als beim Drehen, Bohren oder Fräsen geht kaum Material verloren, und es gibt keine fertigungsbedingten Einschränkungen für Form und innere Struktur des Werkstücks. Der Konstrukteur kann sich auf die Anforderungen des Anwenders an seine Werkzeuge konzentrieren. Für chirurgische Instrumente kommen Pulver aus Edelstahl, Kobalt-Chrom-Legierung oder Titan zum Einsatz – sie alle sind Standard-Werkstoffe in der generativen Fertigungstechnik.

Ihr Stichwort
  • Komplexe Chirurgieinstrumente
  • Materialersparnis
  • Vollständige Metallhülle für RFID-Chips
  • Prozessoptimierung im OP
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