Wer mit Diabetes lebt, kommt ohne sie nicht aus – die Teststreifen für die Messung des Blutzuckerspiegels. Sie enthalten Enzyme, die mit der Glukose im Blut reagieren. Die Streifen sind Einwegartikel, denn wenn sie einmal angewendet wurden, funktioniert die herkömmliche photometrische oder elektrochemische Messung mit Hilfe der Enzyme nicht mehr.
„Enzyme sind Proteine, die biochemische Reaktionen auslösen“, erklärt Prof. Yvonne Joseph, Professorin für Elektronik- und Sensormaterialien an der TU Bergakademie Freiberg. Die Eiweiße sind allerdings nicht temperaturstabil.
Blutzucker messen mit einem neuartigen Werkstoff
Joseph hat sich daher mit ihrem Team auf die Suche nach einem alternativen Sensormaterial begeben. Fündig geworden ist sie im Labor ihres Kollegen, Prof. Hermann Ehrlich. Der Experte für Biomimetik entwickelt schon seit mehreren Jahren neuartige bio-basierte Werkstoffe mit Potenzial für die Sensorik.
Für die Glukose-Messung in Frage kam ein mit dem Mineral Atacamit versehener Badeschwamm. Das dreidimensionale Gerüst eines solchen Schwammes hat eine einzigartige mikroporöse Struktur. Diese fördert die Aktivität von Atacamit, das als Elektrokatalysator wirkt: Es sorgt dafür, dass Glukosemoleküle schnell und einfach in das poröse 3D-Netzwerk diffundieren. „Das erleichtert die Elektronenübertragung zwischen Glukose und Atacamit“ erklärt Dr. Parvaneh Rahimi, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team von Prof. Joseph. Die Elektronenübertragung wiederum führt zu den leistungsstarken Eigenschaften des Glukosesensors, denn sie ist als Stromfluss messbar.
Auch nach einem Monat kommt der Sensor beim Messen des Blutzuckers zum gleichen Ergebnis
Ihre neuartige Messmethode testeten die Forschenden in zwei Schritten mit zeitlichem Abstand. Sie untersuchten eine glukose-haltige Lösung sowie drei Blutproben anonymer Spenderinnen und Spender aus einer Freiberger Arztpraxis. Beide Tests führten im Abstand von einem Monat zum selben Messergebnis. „Als Sensor wäre das Material also wiederverwendbar“, sagt Prof. Yvonne Joseph.
Bis zu einer möglichen Anwendung in Teststreifen für Diabetesmanagement müsste das neuartige Sensormaterial aber weitere Tests sowie klinisch-pharmakologische Studien durchlaufen.
Entscheidend für den Sensor: Kombination aus Schwamm und dem seltenen Atacamit
Das Mineral Atacamit kommt in der Natur nur sehr selten vor. Forschenden der TU Bergakademie Freiberg ist es allerdings gelungen, auf Basis eines gezüchteten marinen Schwamms den Werkstoff Sponging-Atacamit zu entwickeln. Es entsteht, wenn Fasern des Badeschwamms mit einer kupferhaltigen Ammoniaklösung regieren. Das Atacamit heftet sich so stark an die Schwammfasern, dass ein robustes Material entsteht.
Wissenschaftliche Ansprechpartnerin:
Prof. Yvonne Joseph
E-Mail: yvonne.joseph@esm.tu-freiberg.de